Der Adler und der Fuchs

  • Autor: Äsop

Der Adler hatte sein Nest auf einer hohen Eiche und der Fuchs seine Wohnhöhle genau darunter. Diese Nachbarschaft hätte zu einer langen und guten Freundschaft führen können. Aber ach, wie wenig aufrichtig sie war!

Eines Abend war der Fuchs gerade auf Jagd. Der Adler hatte an diesem Tag noch keine Beute gemacht und musste mit seinen Jungen fasten. Da glaubte der Adler aus Hunger, dass er keine Rücksicht auf die Freundschaft nehmen müsse. Also stürzte er sich auf die jungen Füchslein, die vor der Wohnhöhle spielten. Der Adler trug sie in sein Nest und verschlang sie zusammen mit seinen Jungen.

Der Fuchs kam nach einiger Zeit zurück und vermisste seine Jungen. Schon bald ahnte er, was geschehen war. Ergrimmt und von Schmerz getrieben stieß der Fuchs laute Schmähungen gegen den Adler aus, der nun sein heftigster Feind geworden war. Und weil der Fuchs keine Mittel sah, sich zu rächen, flehte er den Zorn der Götter auf den Adler herab.

Mit kalter Miene schaute der Adler auf den Fuchs herunter, doch die Strafe sollte ihn bald ereilen. In der Nachbarschaft war nämlich ein Fest, und die Landleute opferten ihren Göttern. Als die Eingeweide angezündet wurden, flog der Adler hinzu, raubte nach seiner Gewohnheit ein Stück und trug es in sein Nest. Der Adler hatte aber nicht gesehen, dass noch glimmende Asche daran war. So fing das Nest schnell Feuer, weil auch noch ein heftiger Wind wehte. Und schon kurz darauf war das Nest von den Flammen vollkommen verzehrt. Die halbgebratenen Adlerjungen fielen herab, und der Fuchs verzehrte sie vor den Augen des Adlers.