Sühne

  • Autor: Dumas, Alexander

Herr von Villefort hastete zurück in sein Heim, von Verzweiflung und Angst gejagt. Schlimme Selbstvorwürfe marterten ihn. Er hatte seine Frau verdammt, gerichtet, und war doch selbst schuldig vor Gott und den Menschen.

Er hatte Angst, aber er hoffte doch, das Allerschlimmste noch verhindern zu können. Am Eingang des Zimmers stand Frau von Villefort, bleich, das Gesicht zusammengezogen, und schaute ihn mit furchtbar starren Augen an.

"Heloise", rief er, "was haben Sie, sprechen Sie!"

"Es ist geschehen, mein Herr", röchelte sie; "was wollen Sie noch mehr von mir?" Und sie stürzte auf den Boden. Dahinter auf dem Sofa erkannte er seinen Sohn, Eduard. Herr von Villefort hatte vergeblich gehofft! Seine Frau hatte den geliebten Sohn ebenfalls durch Gift getötet, um ihn mit sich in die Ewigkeit zu nehmen.

Villefort sank auf die Knie. Abbé Busoni, der bei dem alten Herrn Noirtier gewacht hatte, näherte sich ihm.

"Was wollen Sie", stöhnte Villefort.

"Ich komme, um Ihnen zu sagen, dass Sie Ihre Schuld hinreichend bezahlt haben und dass ich Gott bitten werde, er möge zufrieden sein, so wie ich es bin!"

"Mein Gott, ich kenne Ihre Stimme, Sie sind ja gar nicht der Abbé!"

Der Abbé nahm die Perücke ab und schüttelte sein schwarzes Haar. "Ich bin Edmond Dantes, den du zu einem langsamen, abscheulichen Tod verurteilt hattest. Du hast meinen Vater getötet, du hast mir die Liebe und die Freiheit geraubt, du hast mich unschuldig ins Kastell Iff verbannt!"

"Ah, jetzt erkenne ich dich, und alles ist dein Werk! Sieh nur, meine Frau, mein Kind! Bist du nun gerächt?" Villefort zerriss sich das Hemd vor der Brust.

Monte Christo erkannte, dass Herr von Villefort den Verstand verloren hatte. Er begriff, dass er die Rache übertrieben hatte. Nun sah er in den Abgrund des Zweifels. Er murmelte: "Der Dritte! Genug der Rache, retten wir den Letzten!"

Er stürzte aus dem Haus. Am nächsten Tag verließ er Paris zusammen mit Maximilian Morel. Ihr Ziel war Marseille.

Je weiter sich der Graf von Paris entfernte, desto mehr umgab ihn eine gewaltige Heiterkeit. Es war, als kehrte ein Verbannter in sein Vaterland zurück. Marseille erschien bald vor ihren Augen.

"Lieber Freund, haben Sie etwas in der Gegend zu erledigen?", fragte Monte Christo.

"Ich möchte das Grab meines Vaters besuchen", antwortete Morel, "wollen Sie mich begleiten?"

"Leider nein, ich habe noch einen wichtigen Besuch zu machen."

Monte Christo wartete bis Maximilian verschwunden war, dann lief er zu dem Haus, das wir schon am Anfang der Geschichte kennen gelernt haben. Für ihn waren die ausgetretenen Stufen vor der Tür alte Bekannte. Er trat ein, ohne anzuklopfen. Auf der Schwelle angelangt vernahm ein Seufzen. Als sein Blick ihn verfolgte, sah er Mercedes.

Mercedes hob den Kopf und stieß einen Schrei des Schreckens aus.

"Madame, leider kann ich Ihnen kein Glück bringen, aber ich möchte Sie bitten den Trost eines Freundes anzunehmen."

"Ich bin tatsächlich sehr unglücklich", erwiderte Mercedes. "Allein auf dieser Welt, und soeben ist auch noch Albert abgereist."

"Er wird sein Glück machen." Der Graf schlug die Augen auf und betrachtete Mercedes, die ihre Hände nach ihm ausstreckte. Er ging einen Schritt auf sie zu und reichte ihr schweigend die Hand. Tränen liefen ihr übers Gesicht - sie zerbrach beinahe an der gewaltigen Flut von Erinnerungen.

Monte Christo nahm ihre Hand und küsste sie ehrfürchtig, aber sie fühlte, dass diesem Kuss die Glut fehlte. "Nun sagen Sie mir Lebewohl, Edmond, hier trennen sich unsere Wege erneut."

Nachdem sich ihre bebenden Finger berührt hatten, stürzte Mercedes zur Treppe und verschwand.

Monte Christo verließ langsam das Haus und schlug den Weg zum Hafen ein. Er ließ Mercedes zurück und würde sie wohl nie wieder sehen.

Seit dem Tod des kleinen Eduard war eine große Veränderung in Monte Christo vorgegangen. Zweifel nagten an ihm, ob der Plan, den er seit zehn Jahren verfolgte wirklich richtig war.