Das Eigentum wird abgeholt

  • Autor: Beecher Stowe, Harriet

Tante Chloe stand am Tisch vor dem Feuer und bügelte gerade das dritte Hemd. Zwei grobe aber blütenreine Hemden hingen bereits gebügelt über der Stuhllehne. Tante Chloe bügelte sorgfältige jeden Saum und jede Falte während die Tränen über ihr Gesicht liefen. An diesem grauen und regnerischen Februarmorgen waren in Onkel Toms Hütte nur traurige Gesichter mit verweinten Augen zu sehen. Tom selbst saß am Feuer und hielt das Neue Testament auf seinen Knien. Tante Chloe und er schwiegen. Schließlich erhob sich Tom und ging zu seinen schlafenden Söhnen hinüber. "Zum letzten Mal.", murmelte er und betrachtete die Kleinen. Tante Chloe bearbeitete das Hemd mit ihrem Bügeleisen. Als es schließlich vollkommen glatt war, setze sie das Bügeleisen mit einem Ruck ab. "Ich weiß, dass wir uns in unser Schicksal fügen müssen. Ich weiß es, aber ich kann es nicht. Wenn ich nur wüsste, wo sie dich hinschaffen. Selbst wenn die Herrin dich irgendwann auslösen kann, sie sagen, es kommt niemand von dort unten zurück. Sie bringen alle um. Sie schinden die Sklaven auf den Plantagen zu Tode." Tante Chloe schluchzte.

"Es waltet dort derselbe Gott wie hier und ich stehe in Gottes Hand. Schau, mir kann nichts geschehen, denn alles geschieht nach Seinem Willen. Ich bin nur froh, dass ich es bin, der verkauft wird und nicht du oder die Kinder. Ich weiß, dass ihr in Sicherheit seid. Was passiert, passiert nur mir und der Herrgott wird mir gnädig sein." Tom versuchte, seine weinende Frau zu trösten. "Gnade!", fuhr Tante Chloe auf. "Ich kann keine Gnade sehen. Es ist nicht recht von dem Herren, dich zu verkaufen, denn er schuldet dir schon seit Jahren die Freiheit. Vielleicht kann er jetzt wirklich nicht anders, aber es ist einfach nicht recht. Du bist ihm immer treu gewesen!" Tom seufzte. "Chloe, rede nicht so. Es ist vielleicht das letzte Mal, dass wir zusammen sitzen. Ich mag nicht, wenn du schlecht über den Herren sprichst. Er ist mir ans Herz gewachsen, seit man ihn mir als Baby in den Arm gelegt hat. Er war immer ein guter Herr und ich in sicher, wenn er gekonnt hätte, hätte er mir das alles erspart. Vertraue auf den lieben Gott." Tante Chloe schüttelte den Kopf. "Das tröstet mich nicht, aber vielleicht liegt das an mir. Ich werde jetzt Frühstück machen. Wer weiß, wann du wieder etwas zu essen bekommst."

Das Frühstück viel besonders üppig aus. Tante Chloe war im Herrschaftshaus entschuldigt und bereitete dieses letzte Frühstück für ihren Mann mit besonderer Liebe zu. Das beste Huhn war geschlachtet worden, der Maiskuchen war besonders gut gelungen und aus geheimnisvollen Töpfen kamen schließlich noch Leckereien auf den Tisch, die es sonst nur zu besonderen Ehrentagen gab. Die Kinder waren begeistert und wollten beherzt zu greifen, als Tante Chloe Mose eine schallende Ohrfeige versetzte. "Wie kannst du dich so an dem letzten Frühstück freuen, das wir mit deinem Vater gemeinsam einnehmen?" Mose und die anderen Jungen standen still und bedrückt, während Onkel Tom den Kopf schüttelt. "Lass sie doch, Chloe. Sie freuen sich über das gute Essen. So etwas bekommen sie doch nicht alle Tage." Tante Chloe brach in Tränen aus. "Ich bin einfach so durcheinander. Nun esst, es ist doch unser bestes Huhn." Schließlich saßen alle am Tisch und ließen sich das Frühstück schmecken. Als die Mahlzeit beendet war, räumte Chloe den Tisch ab und sagte: "Ich muss nun die Kleider einpacken, obwohl er sie dir sicherlich wegnehmen wird. Hier ist deine Flanelljacke gegen den Rheumatismus und deine Hemden. Gib gut auf alles Acht. Frische Strümpfe und Wolle zum Stopfen habe ich dir auch eingepackt. Oh, Gott. Wer wird dich hegen und pflegen? Wie soll ich das alles bloß aushalten?" Tante Chloe weinte bitterlich und Onkel Tom blickte sie kummervoll an. Die Kinder, die ihr Frühstück beendet hatten, begannen nun ebenfalls zu weinen. Nur das kleinste Kind saß auf Onkel Toms Schoß und stieß ab und zu ein helles Juchzen aus. "Warte nur, an dich kommt die Reihe auch noch. Dir nehmen sie vielleicht auch einmal den Mann weg oder verkaufen dich selbst irgendwohin." Tante Chloe wischte sich die Tränen aus dem Gesicht.

"Da kommt die gnädige Frau.", rief einer der Jungen plötzlich. Im gleichen Augenblick trat Frau Shelby in die Hütte. Tante Chloe schob ihr brummig einen Stuhl hin. Frau Shelby schien es nicht zu bemerken. Sie war sehr blass. Sie sah Tom an. "Tom.", sagte sie und brach in Tränen aus. Sie ließ sich auf den Stuhl fallen und versteckte das Gesicht in ihrem Taschentuch. "Gnädige Frau, nicht doch!", rief Tante Chloe, die nun ihrerseits in Tränen ausbrach. Frau Shelby hob den Kopf. "Du bist ein guter Kerl, Tom. Nichts kann ich dir geben, was dich trösten könnte und Geld würden sie dir nur wegnehmen. Aber höre und Gott ist mein Zeuge: Ich werde dir auf der Spur bleiben und dich auslösen, sobald ich das Geld dafür zusammen habe. Bis dahin musst du auf Gott vertrauen."

Jetzt kündigten die Jungen Haley an, der die Haustür ohne große Umstände mit einem Fußtritt aufstieß. Er war schlechter Laune, denn der Ritt am Vortag hatte ihn angestrengt und er hatte sich geärgert, das Elisa und Harry ihm durch die Lappen gegangen waren. "Bist du endlich fertig?", fragte er Onkel Tom barsch. Lässig lüpfte er seinen Hut in Frau Shelbys Richtung. Tante Chloe trocknete ihre Tränen und funkelte den Händler an, während sie Toms Gepäck fertig machte. Tom stand auf und nahm die Kiste, die Chloe ihm gepackt hatte. Gott ergeben ging er nach draußen zu dem Wagen des Händlers. Frau Shelby trat auf Haley zu und verwickelte ihn in ein Gespräch, so dass Tom sich in Ruhe von seiner weinenden Frau und den ebenfalls weinenden Kindern verabschieden konnte. Nicht nur Toms Familie war anwesend, sondern auch alle anderen Sklaven des Gutes standen dort, um dem geliebten Onkel Tom Leb Wohl zu sagen. Alle weinten und eine Frau sagte zu Chloe: "Du trägst es besser als wir. Ich sehe keine Tränen in deinen Augen." "Meine Tränen sind geweint. Und ich heule nicht vor so einem Dreckskerl!", fauchte Tante Chloe und funkelte Haley an, der aus der Tür trat. "Einsteigen.", befahl er knapp und schwang sich selbst auf den Wagen. Als Tom einstieg, zog Haley ein paar schwere Fesseln hervor. Ein Aufstöhnen ging durch die Menge. "Das wird nicht nötig sein.", rief Frau Shelby entsetzt. "Das kann man nie wissen. Und ich habe schon fünfhundert Dollar eingebüßt.", versetzte Haley und fesselte Tom an Händen und Füßen. Tom sah noch einmal in die Runde. "Es tut mir leid, dass der junge Herr nicht da ist. Ich lasse ihn herzlich grüßen." Frau Shelby nickte Tom zu. Ihr Sohn war vor einigen Tagen zu einem Besuch eines Freundes aufgebrochen und hatte noch gar nichts von dem Unglück gehört.

Mr. Shelby hatte es auf dem Gut nicht ausgehalten. Um den Kaufvollzug nicht mit ansehen zu müssen, hatte er eine Geschäftsreise nach Norden vorgeschützt. Haley gab dem Pferd die Peitsche und Tom ließ noch einmal den Blick über die vertraute Farm schweifen. Dann holperten sie die staubige Straße entlang, vorbei an den vertrauten Stellen, die Grenzen des Gutes hinter sich lassend. Nach einer Meile hielten sie bei einem Hufschmied, da Toms Handschellen zu klein für ihn waren. Der Schmied war sehr erstaunt, Tom bei einem Händler zu sehen. Er versicherte Haley, dass er für Tom keine Fesseln benötige, aber Haley winkte ab. Während er sich mit dem Schmied unterhielt, saß Tom draußen traurig im Wagen. Plötzlich vernahm er einen eiligen Hufschlag. Der junge Herr Georg ritt rasch heran und sprang vom Pferd. Er umarmte Tom und stieß eine Flut von Flüchen aus. "Wäre ich ein Mann, dann dürften sie nicht wagen, dich zu holen. Ich werde den Kerl niederschlagen. Keiner hat mir etwas gesagt. Ich habe es gerade erst erfahren." Tränen glitzerten in den Augen des Knaben. Tom freute sich aufrichtig. "Ach, junger Herr, wie schön, dass ich euch noch einmal sehen darf. Aber redet nicht so laut. Ihr dürft den Händler nicht erzürnen." Georg schüttelte den Kopf. "Das ist mir egal. Hier, ich habe einen Dollar für dich mitgebracht. Und damit sie ihn dir nicht wegnehmen, habe ich ein Loch hindurch gebohrt. Du kannst ihn an einer Schnur um den Hals tragen. Niemand wird ihn sehen. Hier." Er schlang Tom den Dollar um den Hals. "Knöpf' deine Jacke zu. Und jedes Mal, wenn du den Dollar ansiehst, sollst du daran denken, dass ich dich suchen und finden werde. Ich werde dich zurückholen." Tom hatte Tränen in den Augen.

In diesem Augenblick trat Haley mit den neuen Handschellen an die Wagentür. Georg warf ihm einen vernichtenden Blick zu. "Ich werde meinen Eltern berichten, wie Sie Tom behandeln." Haley grinste. "Von mir aus. Solange ihr feinen Leute Menschen von mir kauft, seid ihr nicht besser als ich. Menschen zu kaufen ist genauso schlimm wie sie zu verkaufen." Georg ging zu seinem Pferd und saß auf. "Ich werde das nicht tun. Ich schäme mich, aus Kentucky zu sein. Früher war ich stolz darauf. Wenn ich groß bin, werde ich weder Menschen kaufen noch verkaufen. Leb' wohl, Onkel Tom. Halt die Ohren steif und denk' an das, was ich dir gesagt habe." Tom lächelte. "Leb' wohl, junger Herr. Und danke!" Georg wendete sein Pferd und galoppierte davon. Tom fühlte über seinem Herzen die warme Stelle, an der Georg Dollar hing.

Haley wandte sich an Tom. "Hör zu, ich fange mit dir im Guten an. Das tue ich mit allen Sklaven. Wenn du dich gut benimmst, dann behandele ich dich auch gut. Also spiel mir keinen Streich." Tom versicherte Haley, dass er nicht vorhatte, ihm davon zu laufen. Wie sollte er auch, in Anbetracht der Fußfesseln? Haley nickte zufrieden und wir müssen Onkel Tom erst einmal verlassen.