Erlaubter Handel

  • Autor: Beecher Stowe, Harriet

Tom und Herr Haley hingen ihren Gedanken nach, während der Wagen langsam vorwärts zuckelte. Herr Haley dachte vor allem an den Gewinn, den er durch Toms Verkauf erzielen würde. Und er dachte an den Transport, den er aus Männern, Frauen und Kindern zusammenstellen wollte. Er war zufrieden mit sich und hielt sich für einen humanen Händler, der seinen Sklaven keine Handfesseln anlegte, denn Tom trug nun lediglich Fußfesseln. Haley war sich aber nicht sicher, ob Tom seine Güte und Milde überhaupt zu schätzen wusste und so seufzte er bei dem Gedanken an die undankbare Welt.

Tom dagegen dachte an die Worte aus einem alten Buch: "Denn wir haben hier keine bleibende Stätte, sondern die Zukünftige suchen wir. Darum schämt sich Gott nicht, zu heißen unser Gott, denn er hat uns eine Stätte zubereitet." An diesen Worten hielt er sich fest, während um ihn herum und in seinem Herzen nur nackte Verzweiflung herrschte.

Haley, der kein guter Leser war und sich die Texte immer hablaut vorlas, zog eine zerknüllte Zeitung aus der Tasche und las:

"Negersklaven-Nachlassversteigerung. Am 20. Februar werden auf gerichtlichen Befehl vor dem Gerichtsgebäude in Washington- Kentucky
Negersklaven im Interesse der Gläubiger und Erben des Jesse Blutchford, Esq. verschiedene Sklaven versteigert.
Hagar, 60 Jahre; John, 30 Jahre; Ben 21 Jahre; Saul, 25 Jahre; Albert, 14 Jahre.
Samuel Morris, Thomas Flint,
Testamentsvollstrecker."

"Da muss ich hin.", sagte Haley in Ermangelung eines anderen Gesprächspartners zu Tom. "Ich will einen erstklassigen Transport zusammenstellen. Dann hast du Gesellschaft auf dem Weg nach Süden. Wir fahren nach Washington. Du bleibst dort im Gefängnis und ich erledige meine Geschäfte."

Tom antwortete Haley nicht, sondern fragte sich, wie viele dieser unglücklichen Männer - wie er - Frau und Kinder verlassen mussten. Außerdem wollte er nicht ins Gefängnis, denn er war stolz darauf, ein ehrlicher und rechtschaffener Mann zu sein.

Am Abend kamen Tom und Herr Haley in Washington an. Haley lieferte Tom im Gefängnis ab und begab sich ins Gasthaus. Am kommenden Morgen versammelte sich gegen elf Uhr am Vormittag eine bunte Gesellschaft vor dem Gerichtsgebäude. Während die Käufer rauchend und schwatzend auf den Beginn der Versteigerung warteten, saßen die Männer und Frauen, die zum Verkauf standen, abseits und unterhielten sich leise. Die alte Frau, die unter dem Namen Hagar verkauft werden sollte, war eine echte Afrikanerin. Sie wirkte älter als die angegeben 60 Jahre. Harte Arbeit hatte sie altern lassen, ihre Hände waren von Gicht gekrümmt, die Augen halb blind. Neben ihr stand ihr einziger Sohn. Albert war ein hübscher Bursche von 14 Jahren. Er war der letzte, der der Mutter geblieben war, nachdem die anderen Familienmitglieder auf südlichen Märkten verkauft worden waren. Hagar klammerte sich an Albert und sah jeden, der Albert begutachtete, ängstlich an.

"Ich bin nicht alt. Ich bin stark und zäh. Ich kann kochen, scheuern und waschen. Wenn er nicht zu hoch ist, bin ich meinen Preis noch wert. Wirklich.", rief sie. Haley trat unter die zu verkaufenden Sklaven, sah ihnen in den Mund, prüfte ihre Zähne, befühlte die Muskeln und ließ sie sich bücken und strecken. Zuletzt kam er zu Albert. "Er wird nicht ohne mich verkauft.", sagte Hagar. "Herr Thomas hat versprochen, dass wir beide zusammen verkauft werden. Ich bin stark wie ein Baum. Er und ich gehen nur zusammen." Haley musterte die Alte geringschätzig. "Ich glaube kaum, dass du noch auf einer Plantage arbeiten kannst. Ich werde auf den jüngeren Mann hier bieten und auf den Jungen." Ein Mann trat zu Haley. "Sie wollen den Jungen nur mit der Alten zusammen verkaufen.", sagte er zu Haley. Haley schüttelte den Kopf. "Sie ist der reinste Kleiderständer. Außerdem ist sie halb blind und ganz krumm. Ich nehme sie nicht einmal geschenkt." "Aber sie scheint sehr an dem Jungen zu hängen. Es tut einem Leid, wenn sie nicht zusammen verkauft werden, oder?", gab der Mann zu bedenken. "Ich werde mein Geld nicht zum Fenster rauswerfen. Die Alte will ich nicht haben.", schnaubte Haley. In diesem Moment begann die Versteigerung, so dass die Unterhaltung unterbrochen wurde.

"Bleib dicht bei mir!", flehte Hagar. "Sie müssen uns zusammen anbieten. Wie soll ich leben ohne dich?" "Sie werden es nicht tun.", flüsterte der Junge traurig. Schon kam der Versteigerer auf Albert zu, um ihn nach vorne zu holen. "Nimm uns beide.", rief Hagar verzweifelt und klammerte sich an Alberts Hand. "Lass los!", zischte der Mann und stieß sie unsanft beiseite. "Komm!" Mit einem Kopfnicken trat Albert nach vorne, während aus seinen großen Augen Tränen liefen. Hagar stöhnte und sank in sich zusammen. Albert hatte eine gute Figur und ein angenehmes Gesicht. Viele Gebote schwirrten dem Versteigerer um die Ohren. Dann fiel der Hammer. Haley hatte Albert ersteigert. "Kauf mich mit!", rief Hagar und streckte die Arme nach Albert aus. "Er ist alles, was ich noch habe. Wenn ihr uns trennt, sterbe ich auf der Stelle." "Du würdest auch sterben, wenn ich dich kaufe.", sagte Haley. "Nein, ich will dich nicht." Er fesselte seine neu gekauften Sklaven und trieb sie zum Gefängnis. Der Mann, der vorher mit Haley gesprochen hatte, hatte mit Mitleid mit der verzweifelten Mutter und kaufte sie für einen sehr geringen Preis. Die anderen Opfer der Versteigerung versuchten Hagars Tränen zu trocknen. "Der Herr hat immer wieder gesagt, den einen darf ich behalten. Nur den einen." "Vertrau auf Gott.", versuchte ein Sklave Hagar zu trösten. "Was nützt mir das?", fragte sie bitter und weinte. Nur mit vielen guten Worten und ein wenig Gewalt war Hagar schließlich bereit auf den Wagen ihres neuen Herrn zu steigen.

Haley dagegen begab sich mit seinen neu erworbenen Sklaven sicher an Bord des Dampfers "La belle Rivier". Die "La belle Rivier" war ein stattliches Schiff, das munter stromabwärts schwamm. Die Flagge mit den Sternen und Streifen des freien Amerika flatterte im Winde. Soldaten mischten sich unter die wohl gekleideten Damen und Herren. Alle genossen die Fahrt und waren guter Dinge. Nur Haleys Transport hatte man als Frachtgut auf dem Zwischendeck verstaut. "Macht nicht solche Gesichter!", ermahnte Haley seine Sklaven. "Immer munter. Haltet die Ohren steif. Wenn ihr zu mir steht, dann steh' ich auch zu euch." Die Sklaven nickten und sagte ihr: "Ja, Herr!", das Jahrhunderte alte Losungswort des armen Afrikas. Aber keiner von ihnen sah fröhlich aus. Sie alle hatten Menschen verloren, waren aus ihrer vertrauten Umgebung heraus gerissen worden.

Einer der Sklaven, John, weinte. "Ich habe ein Weib. Sie lebt in einem Gasthaus am Fluss. Sie weiß noch gar nicht, dass ich verkauft bin. Ach, wenn ich sie doch nur noch einmal sehen dürfte." Tom seufzte und versuchte zu trösten, so gut er konnte. An Deck des Schiffes hörten die Sklaven das muntere Treiben. Dort gab es keinen Kummer.

Ein Kind, das die Sklaven gesehen hatte, eilte zu seiner Mutter. "Oh, Mami. Es ist ein Sklavenhändler an Bord. Die Sklaven liegen in Ketten." Die Mutter nahm das Kind auf den Schoß. "Die armen Menschen. Ich habe lange mit Sklaven gelebt. Ich weiß, dass sie genauso fühlen und leiden wie wir." Eine andere Dame lachte spöttisch. "Im Süden haben es die Neger besser, als wenn sie frei wären." "Aber man reißt ihre Familien auseinander.", sagte die Mutter und streichelte dem Kind über den Kopf. "Das geschieht sicher selten.", versetzte die vornehme Dame. "Es ist zweifellos der Wille der Vorsehung, die afrikanische Rasse zu knechten.", mischte sich nun ein Geistlicher ein, der das Gespräch verfolgt hatte. "Diese Rasse ist aus unerfindlichen Gründen vor Jahrhunderten in den Bann geschlagen worden. Wir sollten nicht versuchen, dies zu ändern." "Na, dann können wir ja fröhlich weiter Sklaven kaufen.", sagte ein anderer Mann und musterte Haley, der mit den Händen in den Taschen neben dem Ofen stand. "Nicht wahr, wenn es der Wille der Vorsehung ist, dann müssen wir Sklaven kaufen, tauschen, unterdrücken und quälen, oder?" Haley zuckte mit den Schultern. "Ich verstehe davon nichts. Ich verdiene mein Geld mit dem Sklavenhandel. Ich werde es rechtzeitig bereuen, wenn es unrecht ist."

Der Dampfer legte an und das Gespräch wurde unterbrochen. Eine Planke wurde zum Festland hinüber geschoben. Eine schwarze junge Frau stürzte die Planke hinauf. Sie eilte zu Haleys kleiner Gruppe und flog John tränenüberströmt um den Hals. Der Mann, der sich zuvor mit den Damen über die Sklaven unterhalten hatte, beobachtete die Szene. Dann sagte er zu Haley: "Wie könnt ihr nur diesen Handel betreiben? Es sind Menschen wie wir. Wenn der Dampfer ablegt, komme ich meiner Frau und meinen Kindern näher. Diese Eheleute aber werden für immer auseinander gerissen. Das kann nicht recht sein. Irgendwann werdet ihr dafür geradestehen müssen."

Haley schwieg, dachte aber, dass er den Sklavenhandel bald wirklich aufgeben musste. "Dieses Geschäft wird zu gefährlich.", sagte er zu sich. Er holte sein Notizheft heraus, überschlug seinen Gewinn und versuchte, sein schlechtes Gewissen zu beruhigen.

Der Dampfer setzte seine Fahrt fort und schließlich erreichte er ein kleines Städtchen in Kentucky. Haley ging an Land, um verschiedene Geschäfte zu erledigen. Tom trat an die Reling und schaute das Treiben an Land an. Nach einer Weile kehrte Haley in Begleitung einer jungen farbigen Frau zurück. Sie trug ein kleines Kind auf dem Arm und sah recht fröhlich aus. Sie betrat den Dampfer über die Planke und suchte sich einen Platz auf dem Mitteldeck. Haley sah nach, ob mit seinem Transport alles in Ordnung war. Dann setzte er sich zu der jungen Frau und sprach mit ihr. Ihre fröhliche Miene erstarb und sie begann, auf Haley einzureden. "Mein Herr hat mir zugesichert, dass ich nach Louisville käme, in das Wirtshaus, in dem auch mein Mann arbeitet. Er hat es mir versprochen. Ich kann nicht glauben, dass er mich so angelogen hat." Haley sah die Frau fast mitleidig an, holte dann ein Stück Papier aus der Tasche und sagte: "Ich habe hier den Kaufvertrag. Er ist unterzeichnet von John Fosdick." Die junge Frau warf einen Blick auf die Papiere und wandte sich ab. "Dann nützt es auch nichts.", sagte sie und schwieg. Sie nahm das Kind fest in die Arme und starrte verzweifelt ins Wasser. "Kluges Mädchen. Sie scheint es sich nicht weiter zu Herzen zu nehmen.", murmelte Haley.

Die junge Frau wirkte sehr gefasst. Sie streichelte das Baby, das sie in den Armen hielt. Es war ein Junge von ungefähr zehn Monaten. Für sein Alter war er außergewöhnlich kräftig und hübsch. Ein Mann, der über das Schiff schlenderte, scherzte mit dem Jungen und steckte ihm eine Zuckerstange zu. Dann setzte er sich zu Haley, der auf der anderen Seite des Schiffes an ein paar Kisten gelehnt stand und rauchte. "Hübsches Kerlchen. Wollt ihr es behalten?" Haley schüttelte den Kopf. "Die Mutter geht als Köchin oder als Plantagenhilfe. Die wird gutes Geld bringen. Aber der Kleine ist auf einer Plantage nicht zu gebrauchen. Ich werde ihn so bald wie möglich los schlagen." Der Mann lächelte. "Ich biete zehn Dollar für ihn. Meine Köchin hat ihrs verloren. Ist im Waschzuber ertrunken als sie Wäsche aufhängte. Vielleicht hat sie Spaß an diesem hier." Haley sah den Mann spöttisch an. "Zehn Dollar? Die Aufzucht macht nicht viel mehr Mühe als bei einem jungen Hund. Und er ist so kräftig und gerade! In einem halben Jahr ist er hundert Dollar wert. Ich kann ihn nicht unter fünfzig Dollar verkaufen." "Dann biete ich dreißig." "Ich komme ihnen entgegen. Teilen wir die Differenz und ich sage fünfundvierzig. Mein letztes Wort." Der Mann zückte seine Börse. "Der Handel gilt." Er zählte Haley das Geld in die Hand. "Seht zu, dass ihr das Kind unauffällig an euch bringt. Es macht keinen Sinn, wenn die Mutter sich zu sehr aufregt."

Am frühen Abend lief der Dampfer in Louisville ein. Der Junge schlief und seine Mutter legte ihn zwischen zwei Kisten auf ihren Mantel. Dann trat sie an die Reling in der Hoffnung, ihren Mann am Ufer zu erblicken. Der Mann, der den Jungen von Haley gekauft hatte, nahm den Jungen rasch an sich und entfernte sich schnell. In der Menschenmenge war er bald nicht mehr zu sehen. Die Mutter des Kleinen hatte nichts bemerkt. Erst als der Dampfer wieder ablegte und sie sich enttäuscht auf ihren Platz bei den Kisten zurückzog, bemerkte sie das Fehlen des Kleinen. "Warum?", weinte sie fassungslos. Haley antwortete: "Es ist besser so. Ich habe es an eine gute Familie verkauft. Die wird es besser aufziehen, als du das kannst." Die junge Frau schrie nicht und sie weinte auch nicht. Wie betäubt setzte sie sich auf die Kisten und starrte ins Leere.

Die Nacht senkte sich auf den Fluss. Das Leben auf dem Dampfer kam zur Ruhe. Auch Tom und Haley schliefen. Tom hatte versucht, die junge Frau zu trösten, obwohl ihm selbst die Tränen über die Backen liefen. Aber seine Worte trafen ihre Ohren nicht, denn ihr Herz fühlte nichts mehr als namenlose Qual. Tom erwachte gegen Mitternacht von einer Bewegung. Etwas huschte an ihm vorbei, dann war ein Plätschern zu hören. Tom setzte sich auf und lauschte. Niemand sonst war aufgewacht. Der Platz der jungen Frau war leer. Da begriff Tom, dass sich die verzweifelte Mutter in die Fluten gestürzt hatte.

Als Haley am Morgen erwachte und die junge Frau fort war, suchte er auf dem ganzen Schiff nach ihr. Als er sie nicht fand, kam er zu Tom. "Was hast du gesehen?", fragte er. Tom fühlte zunächst keine Veranlassung, seine Beobachtungen mitzuteilen. Schließlich erzählte er Haley aber doch von der nächtlichen Begebenheit. Haley nahm Toms Erzählung ohne Schrecken oder Verwunderung hin. Zu oft hatte er den Tod schon gesehen. Er fluchte er ein bisschen und trug dann die verlorene Summe in seinem Kontobuch unter der Überschrift "Verluste" ein.