Die Geschichte vom Roten Fuchs

  • Autor: Stevenson, Robert Louis

Bevor wir in der Hütte fertig waren, erhob sich eine Brise aus Nordnordost. Die Regenwolken verschwanden, und die Sonne kam heraus. Der Kapitän wollte westlich um die vor uns liegenden Inseln herumfahren und an der Südküste der großen Insel Mull herauskommen.

Die Brise war in der Nacht mal stärker und manchmal schwächer. Im ersten Teil des neuen Tages ging noch keine Dünung. Wir segelten im hellen Sonnenschein zwischen unzähligen Inseln dahin.

Alan und ich saßen in der Hütte und rauchten ein paar Pfeifen mit dem ausgezeichneten Tabak von Hoseason. Dabei erzählten wir uns unsere Lebensgeschichten.

Alan berichtete mir von dem wilden Hochland, an dessen Küste ich demnächst landen sollte.

Ich selbst sprach zu ihm von meinem ganzen Unglück. Er hörte genau zu, und als ich den Namen meines Freundes, des Pfarrer Campbell, erwähnte, wurde er wütend und sagte, dass er allen Campbell eine Kugel zwischen die Rippen schießen möchte.

"Alan, um Himmels willen!", rief ich. "Was ereifert Ihr Euch so über die Campbells?"

"Du weißt, dass ich ein Stuart aus Appin bin", erklärte er. "Die Campbells haben Jahr und Tag die Leute meines Namens gehetzt und gemordet und unser Land geraubt! Sie haben nie mit dem Schwert in der Hand gekämpft, sondern immer nur mit Verrat!" Er brüllte bei diesen Worten und ließ die Faust auf den Tisch niedersausen.

Dann erzählte er mir von seinem Vater, Duncan Stuart, der der prächtigste Mann seines Stammes und der beste Fechter des ganzen Hochlandes gewesen war. Er hatte auch Alan das Fechten beigebracht. Allerdings hatte er seinem Sohn keine Reichtümer hinterlassen. So ging Alan zum englischen Heer, desertierte allerdings auf die für ihn gerechtere, französische Seite.

Ich sagte nur: "O Himmel, darauf steht der Tod!"

"Ja", entgegnete er, "wenn sie mich greifen, gibt es einen kurzen Prozess und ein langes Seil für mich. Aber ich habe ein Offizierspatent vom König von Frankreich in der Tasche. Vielleicht würde mich das vor dem Äußersten bewahren."

"Das bezweifle ich sehr!", sagte ich. "Was wollt Ihr, ein Aufrührer, ein Fahnenflüchtiger, ein Soldat des Königs von Frankreich, um Himmels willen in diesem Land?"

Er erwiderte: "Ich kann meine Freunde nicht verlassen, meine Heimat. Frankreich ist zweifellos ein gutes Land, aber ich sehne mich nach der Heide, nach dem Hochwild. Zudem finde ich manchmal einen jungen Burschen, der sich zum Dienst des Königs von Frankreich eignet, einen Rekruten. So verschaffe ich mir ein bisschen Geld. Aber das Wichtigste sind die Angelegenheiten meines Häuptlings Ardshiel. Er war sein ganzes Leben ein großer Herr, aus Königsblut stammend, eines Königs Namen tragend. Nun ist er gezwungen, in einem französischen Städtchen zu leben wie ein Bettler. Er, dem vierhundert Degen gehorchten! Das ist für uns, seine Verwandten und Clanleute, ein großer Kummer, ja eine Schande! Da sind auch noch seine Kinder, die Hoffnung von Appin. Sie müssen doch auch im fernen Land eine gute Schulbildung bekommen und lernen, wie man den Degen führt. Die Pächter müssen Pacht für ihn bezahlen, aber sie sind ihm treu wie Gold. Ja, und ich, David, bin der Mittelsmann, der ihm das Geld hinüberbringt." Er schlug auf seinen Gürtel, dass das Geld darin klirrte.

Dann erzählte er mir von Ardshiel und dem Roten Fuchs. "Die Clanmänner wurden in einem Kampf geschlagen, die gerechte Sache brach zusammen. Ardshiel musste über die Berge fliehen, mit seinem Weib und den Kindern. Noch während er sich in der Heide verbarg, nahmen ihm die englischen Schufte seine Amtsgewalt und seine Ländereien. Seinen Clanleuten nahmen sie die Waffen weg.

Dann kam ein Campbell, Colin von Glenure, der Rotkopf. Er erhält von König Georg Beglaubigungen als sogenannter Königlicher Verwalter des Appin-Landes. Zuerst verlangt er nur wenig und tut freundlich, aber dann hörte er, dass die armen Leute, die Pächter, eine zweite Pacht aufbringen und diese für Ardshiel und seine armen Kinder übers Meer nach Frankreich schicken. Als Colin das hörte, kochte das Campbell-Blut in seinen Adern. Er schrieb eine neue Pacht aus für alle Höfe, mit der Hoffnung, die alten Pächter damit zu vertreiben. Er wollte die Leute aushungern. Schließlich mussten auch viele von ihnen wegziehen."

Ich fragte ihn, wie es möglich ist, dass er selbst im Hochland unterwegs sein könne, ohne festgenommen zu werden, obwohl es mit Truppen übersät ist und scharf bewacht wird.

"Das ist leichter als du denken magst", sagte Alan. "Wenn du einen Wachposten siehst, musst du einen anderen Weg gehen. Auch das Heidekraut hilft dir mächtig, und überall stehen Häuser von Befreundeten mit Ställen und Heuschobern. So schlimm wie anno sechsundvierzig ist es nicht mehr. Die Hochlande sind befriedet, wie man das nennt. Aber ich frage dich, David: Wie lange noch? Nicht mehr lange, sollte man denken, wenn Männer wie der Rote Fuchs sich mit Wein vollsaufen und die armen Leute unterdrücken. Es ist schwer zu entscheiden, was das Volk noch ertragen kann. Bis jetzt kann der Rote Colin auf seinem stolzen Ross über meine arme Heimat, mein Appin, dahin reiten, ohne dass sich ein tüchtiger Kerl findet, der ihm eine Kugel durch den Leib jagt."

Lange Zeit saß Alan dann mit düsterer Stimmung und stumm da.

Ich hatte aber noch viele andere Dinge über ihn erfahren. Er war bewandert in allen Arten von Musik, war ein geachteter Dichter, hatte selbst viele Bücher gelesen, war ein vollkommen sicherer Schütze, ein geschickter Angler und ein Fechter ersten Ranges. Natürlich hatte er auch Fehler. Er war schnell beleidigt und fing dann Streit an. Er achtete die Tapferkeit anderer Leute, aber am meisten bewunderte er sich selbst.