Der Yankee gegen die Ritter

  • Autor: Twain, Mark

Wieder zu Hause in Camelot, fand ich ein paar Tage später neben meinem Frühstücksteller eine druckfrische Zeitung. Dort stand:

Wisset, dass der große Lord und berühmte Ritter SIR SAGRAMOR LE DESIROUS sich herablässt gegen des Königs Minister, auch Der Boss genannt in die Schranken zu treten. Er erhält damit Genugtuung für eine frühere Beleidigung. Es wird ein Kampf bis zum Tod. Die Kontrahenten dürfen ihre Waffen selbst bestimmen.

Bis zum festgesetzten Tag sprach ganz Britannien von nichts anderem als von diesem Kampf. Es war so besonders, weil es nicht einfach ein Duell zweier Männer darstellte, sondern ein Duell zwischen zwei mächtigen Zauberern. Merlin war Tage und Nächte damit beschäftigt, Sir Sagramors Waffen und Rüstung mit übermächtigen Kräften auszustatten und keiner konnte sich vorstellen, dass er, so gewappnet, verlieren könne.

Der Kampfplatz war riesig und doch fand sich außerhalb der Schranken bereits um zehn Uhr morgens des besagten Tages kein einziger Platz mehr. Die riesige Tribüne war mit Flaggen, Wimpeln und kostbaren Wandteppichen geschmückt.

Aus einem Zelt ritt der große Sir Sagramor, ein imposanter Eisenturm, stattlich und steif! Laute Rufe der Bewunderung erklangen. Dann erschien ich. Wurde aber von keinen Rufen begrüßt. Einen Augenblick herrschte Verwunderung und Schweigen, dann rollte eine Woge des Gelächters durch den Ozean von Menschen. Ich trug einen ganz einfachen und bequemen Sportanzug und mein Pferd war nur mittelgroß, aber gewandt und feingliedrig.

Die Königin rief aus:

"Oh weh, Sir Boss, willst du nackt kämpfen und ohne Lanze oder Schwert …"

Aber der König unterbrach sie und gab ihr mit ein paar höflichen Worten zu verstehen, dass sie das nichts anginge. Er gab ein Zeichen, die Hörner ertönten, Sir Sagramor senkte seine Lanze und wir stoben aufeinander zu. Eineinhalb Yards entfernt, riss ich mein Pferd mühelos zur Seite und der Ritter fegte an mir vorbei - null Punkte für ihn.

Diesmal erhielt ich großen Applaus. Dieses Spiel wiederholten wir einige Male, bis Sir Sagramor die Geduld verlor. Nun machte er Ernst, das war klar. Ich ergriff mein Lasso, das ich am Sattelknauf hängen hatte, schwang es in großen Kreisen über meinen Kopf, warf und riss Sagramor damit glatt aus dem Sattel. Großer Gott - war das eine Sensation.

Diese Leute hatten noch nie einen Cowboy-Trick gesehen und waren ganz aus dem Häuschen. Sie riefen Zugabe und die sollten sie bekommen. Der nächste Ritter war Sir Hervis de Revel. Danach erlegte ich Sir Lamorak de Galis und nach ihm Sir Galahad. Nun blieb den ehrenwerten Rittern nichts anderes übrig, als ihre Trumpfkarte auszuspielen - Sir Lanzelot selbst!

War das ein stolzer Augenblick! Dort drüben saß Artus, König von Britannien, daneben Ginerva und seine gesamte Provinzkönigssippschaft. Lanzelot kam herangefegt und meine Schlinge kreiste erneut durch die Luft. Bevor man mit den Augen zwinkern konnte, schleifte ich Ritter Lanzelot auf seinem Rücken über das Feld und warf Kusshändchen als Dank für den Applaus.

Während ich mich noch im Erfolg aalte, ertönte das Horn und Sir Sagramor ritt auf mich zu. Er forderte mich ein zweites Mal heraus. Ich willigte ein. Als nächstes bemerkte ich, wie Merlin davonschlich und mein Lasso fehlte. Dieser alte Taschenspieler vertraute offenbar nicht auf seine Zauberkünste. Wir ritten vor den König und der fragte mich, wo meine wunderliche Waffe sei.

"Sie wurde gestohlen, Sire."

"Hast du eine andere bei der Hand?"

"Nein, Sire, ich brachte nur diese eine mit."

Da mischte sich Merlin ein:

"Jeder weiß, dass diese Waffe nur über acht Waffengänge benutzt werden kann. Jetzt ist sie wieder beim König der Meeresdämonen."

"Aber, so ist er waffenlos", sagte der König.

Da hinkte Lanzelot herbei, um mir sein Schwert anzubieten. Aber Sagramor bestand darauf, dass ich mit meinen eigenen Waffen kämpfe. Merlin nötigte den König das Horn blasen zu lassen und wir begaben uns auf unsere Plätze.

Sir Sagramors Schwert beschrieb einen blitzenden Bogen. Die Zuschauer waren sehr erregt und riefen:

"Flieht, flieht! Das ist Mord!"

Ich wich nicht einen Zoll, bis die herandonnernde Erscheinung nur noch fünfzehn Schritt von mir entfernt war. Dann zog ich einen Dragonerrevolver aus dem Halfter, es gab einen Blitz und einen Knall, und der Revolver steckte schon wieder im Halfter, bevor jemand sagen konnte, was geschehen war. Ein reiterloses Pferd stob vorbei, und dort unten lag Sir Sagramor, mausetot!

Dieser Tag gehörte mir. Das fahrende Rittertum war zum Untergang verdammt. Der Vormarsch der Zivilisation hatte begonnen. Und Kollege Merlin? Seine Aktien standen wieder einmal ganz flau.