Journalistisches Schreiben: Vorurteilsfrei und unabhängig

Mehrere Perspektiven

Das ist eine der wichtigsten Regeln. Konkret ist damit folgendes gemeint: Wenn du z.B. über einen Konflikt recherchierst, musst du mit möglichst vielen Personen, die darin verwickelt sind, sprechen, bevor du etwas darüber publizierst. Es geht darum, dass man so viele Fakten wie möglich kennen und erwähnen sollte.

Ein Bericht, der auf nur einer Quelle, d.h. Informanten basiert, ist tabu!

Dazu ein Beispiel. Angenommen, du schreibst für eine Schülerzeitung. Bei deinem Interview des neuen Schülersprechers X stellst folgende Frage: "Hallo X, warum, glaubst du, bist du gewählt worden?" Diese Frage ist natürlich ein wenig knifflig. Es kann passieren, dass X etwa so antwortet: "Eh, ist doch klar, die anderen, also Y und Z, sind nicht so gut drauf wie ich. Ganz ehrlich: Die sind beknackt."

Darf man das schreiben? Nein, weil eine solche Aussage - Y und Z sind beknackt - nur von einer Person stammt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Aussage stimmt. Wenn du sie übernimmst, musst du die Verantwortung dafür übernehmen.

Verschiedene Standpunkte darstellen
Etwas anders ist es, wenn du, nachdem du mit X gesprochen hast, zu Y und Z gehst und ihnen erzählst, was X über sie gesagt hat. Vielleicht antworten Y und Z darauf: "Ach, X ist selber ein Depp!"

Darfst du diese beiden Aussagen in deiner Zeitung oder im Netz erwähnen! Ja, sicher. Wenn du beide Aussprüche - Y und Z sind beknackt, X ist ein Depp - wiedergibst, dann lässt du beide Seiten zu Wort kommen.

Worauf kommt es an? Es ist ganz einfach: Stelle dir vor, wie du reagieren würdest. Es gibt einen treffenden Ausspruch: Behandele andere immer genau so, wie du selbst behandelt werden willst. Diese Regel hilft nicht nur im täglichen Miteinander. Sie gilt auch im Journalismus.

Denke daran, dass…

… du in deinen Berichten immer beide bzw. alle beteiligten Seiten zu Wort kommen lässt.

… du, wenn in einer Sache recherchierst, immer mit mehreren Leuten sprichst und dir ihre Version der Geschichte anhörst.

… die Leser ein Recht darauf haben, die Standpunkte der Beteiligten in einem Konflikt kennen zu lernen.


Vorurteilsfrei und fair

Darf man in einer Zeitung schreiben, dass man A beobachtet hat, wie er das iPhone seines Banknachbarn B geklaut hat?

Darf man schreiben, dass in der Bäckerei gegenüber dem Jugendtreff nachts die Mäuse herumlaufen?

Darf man schreiben, dass man der Meinung ist, der Kinderschänder K sollte gehängt werden?

Die Antwort lautet in allen drei Fällen: Nein! Gilt in diesem Fall die Pressefreiheit nicht? Doch. Aber das, was man schreibt, darf niemandem schaden.

Hier die wichtigsten Regeln dazu: Wenn du publizierst, darfst niemandem schaden oder beleidigen. Etwa, indem du von jemandem behauptest, er habe gestohlen, Sachen beschädigt oder jemanden absichtlich verletzt. Es ist auch nicht erlaubt, dass du jemandem nachsagst, er sei doof oder hässlich. So etwas ist, den Umständen entsprechend, eine Beleidigung, Verleumdung oder üble Nachrede und damit strafbar.

Was aber, wenn du beobachtet hast, wie A seinem Banknachbarn B den iPod geklaut hat? Warum darfst du nicht darüber schreiben? Die Antwort lautet: Weil B wegen dieser Sache nicht angeklagt ist und auch nicht verurteilt ist. Jeder ist so lange unschuldig, bis von einem Gericht verurteilt wurde.

Fair berichten
Aber selbst wenn A wegen Diebstahl verurteilt wird, darfst du seinen Namen nicht veröffentlichen. Warum? Viele Menschen lesen den Artikel und erinnern sich an den Namen des Täters. Außerdem landet die Meldung im Internet. Das Internet vergisst nie! Es kann passieren, dass viele Jahre, nachdem A seine Strafe verbüßt hat, die Meldung darüber noch immer zugänglich ist. Wenn A sich um eine Stelle bewirbt und der Firmenchef sich über ihn erkundigt, ist es wahrscheinlich, dass er über diese Meldung stolpert. A hat dann wohl kaum Chancen auf den Job. Worum geht´s also? Es reicht, wenn ein Täter verurteilt wird und vom Gericht eine Strafe bekommt. Würde sein Name auch noch in einer Zeitung stehen, wäre das eine Art Zusatzstrafe!

Darf man dann überhaupt über den Diebstahl berichten? Ja. Vorausgesetzt, der Diebstahl wurde aufgeklärt, und dann auch nur in einer bestimmten Form: Der Name des Täters darf nicht erwähnt werden. Wähle stattdessen musst du Formulierungen wie z.B. "ein Schüler der Klasse …", "ein Klassenkamerad" oder "ein Mitschüler". Die Formulierung muss so vage sein, dass die Person, die den Diebstahl begangen hat, nicht zu identifizieren ist.

Denke daran, dass…

… du mit dem, was schreibst, niemandem schadest.

… du andere, in deinen Beiträgen immer so behandelst, wie du selbst behandelt werden möchtest.


Unparteiisch und unabhängig

Lasse dich nicht bestechen und gib nicht nach, wenn Druck auf dich ausgeübt wird. Was ist damit gemeint?

Stelle dir folgende Situation vor: Du hast gehört, dass bei der Geldtransport-Firma GF eingebrochen wurde. Dabei wurden 1,5 Mio. Euro entwendet. Der Vorfall schadet der Firma nicht nur materiell, der ganze Vorgang ist ziemlich peinlich. Wer davon erfährt, fragt sich, ob man dieser Firma vertrauen kann. Natürlich möchte die Geldtransport-Firma GF nicht, dass von dem Vorfall berichtet wird. Wie verhältst du dich als Journalist?

Druck standhalten
Angenommen, Du bist weißt von dem Diebstahl. Der Besitzer der Geldtransport-Firma GF ruft dich an. Er verspricht dir, dass er dir eine zweiwöchige Sprachreise in Südafrika bezahlt, wenn du nicht in der Zeitung über den Diebstahl berichtest. Oder er ruft dich an und droht, er werde nie wieder ein Inserat in der Zeitung schalten, falls du es wagst über den Einbruch zu berichten. Was jetzt?

Angenommen, du schreibst nichts und genießt die Zeit in Südafrika. Oder du schreibst nicht über den Einbruch, weil du nicht auf die Einkünfte aus den Anzeigen verzichten willst. Was dann?

Stelle dir vor, die Leser erfahren davon. Kein Wunder, wenn sie dann Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeitung haben! Wenn über Journalismus diskutiert wird, dann geht es meist um die Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit der Journalisten. Leser sollten davon ausgehen können, dass ein Journalist so unparteiisch wie nur möglich berichtet.

Denke daran, dass…

… die Leser sich die Leser darauf vertrauen können, dass das, was du schreibst wahr ist. Sie müssen davon ausgehen können, dass du so objektiv wie möglich berichtest.

… du anderen, die versuchen, dich in deiner Berichterstattung zu beeinflussen, nicht nachgibst: Nimm keine Geschenke an und lasse dich nicht unter Druck setzen.



Keine Diskriminierung

Diskriminieren heißt, jemand aufgrund eines beliebigen Merkmals öffentlich herabwürdigen. Wer z.B. in der Öffentlichkeit sagt, dass Brillenträger geistig zurückgeblieben sind, würdigt jeden, der eine Brille trägt, herab. Er diskriminiert ihn.

Das darf in einer Zeitung nicht passieren! Worauf musst du achten? Du darfst nicht negativ über eine Person in Zusammenhang mit seiner Religion, seinem Aussehen, seiner Nationalität, seiner Familienverhältnisse, Herkunft u.v.m. schreiben.

Ferner ist folgendes zu beachten. Wenn du z.B. über einen Unfall berichtest, darfst du Aspekte wie die Nationalität der Beteiligten, die Religion, das Aussehen usw. nur erwähnen, wenn sie für den Unfall von Bedeutung sind. Üblicherweise spielen, wenn sich ein Mitschüler beim Sport verletzt, solche Aspekte keine Rolle. Deshalb reicht es, wenn du schreibst: "Am Montag, den ….., brach sich ein Schüler der Klasse 6c im Sportunterricht die Hand. Er stürzte beim Bockspringen."

Denke daran, dass…

… du niemanden diskriminierst. Herkunft, Familienverhältnisse, Aussehen… - solche Dinge dürfen nur dann erwähnt werden, wenn sie für den Vorfall, über den du berichtest, wirklich eine Rolle spielen.



Tabu Privatleben

Was ist damit gemeint? Schreibe nur Dinge, die zum Thema gehören. Wenn du z.B. darüber berichtest, dass der dein Trainer ein neues Büro im Vereinshaus bekommen hat, dann solltest dabei jedoch nicht erwähnen, dass sich er sich kürzlich hat scheiden lassen, sein Hund gestorben ist und sein Auto geklaut wurde. Was du erwähnen kannst, ist, dass er bei seinem Büro-Umzug neue Büromöbel bekommen hat.

Noch mehr geschützt als das Privatleben ist das Intimleben. Dazu gehören das Sexualleben und Krankheiten. Wenn du z.B. erfährst, dass eine wichtige Person an der Schule, in deinem Verein, dem Jugendtreff oder in dem Orchester, in dem du spielst, schwer erkrankt ist, dann heißt es darüber Stillschweigen zu bewahren.

Denke daran, dass…

… du das Privatleben und die Intimsphäre der Personen, über die du berichtest, respektierst. Schreibe nicht über Dinge, die dich und die Leser nichts angehen.



Keine (Schleich-)Werbung

Von Schleichwerbung spricht man, wenn ein Journalist ausgesprochen positiv über ein Produkt oder Firma berichtet. Solche Berichte sind einseitig und verstoßen damit gegen die Regel, dass ein Journalist unparteiisch berichten soll.

Wie kannst du vermeiden, dass du einseitig berichtest und Werbung für eine Firma machst? Indem du deine Texte kritisch liest und hinterfragst.

Dennoch kann es vorkommen, dass eine Firma positiv von sich reden macht. Ist es in Ordnung, wenn du darüber schreibst? Wenn ja, wie kannst du darüber berichten? In einer Vereinszeitung hat z.B. die Meldung, dass der Klamottenladen hinter dem Vereinsheim tolle T-Shirts hat, nichts zu suchen. Etwas anders ist es, wenn die Bäckerei vom Pausenverkauf deiner Schule von der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft eine Auszeichnung erhalten hat - das dürfen und sollten die Schüler vielleicht sogar wissen.

Warum? Die Auszeichnung wurde von Fachleuten verliehen. Wenn du darüber berichtest, dann gibst du damit nur die Meinung der Fachleute, die die Auszeichnung vergeben haben, wieder und nicht deine eigene.

Denke daran, dass…

… einseitig positive Berichte über Firmen und ihre Produkte Werbung sind. Werbung ist nie unparteiisch und unabhängig. Aus diesem Grund darfst du nicht ohne äußeren Anlass positiv über Firmen und Produkte berichten.



Urheberrecht

"Nicht abschreiben, sonst gibt´s eine Sechs!" Das kennt jeder aus der Schule. Dass man sich in Prüfungen nur auf seinen eigenen Kopf und eine eigenen zugelassenen Materialien verlassen darf, hat einen einfachen Grund: du sollst dein Wissen und nicht das deines Nachbarn wiedergeben.

Im Journalismus gilt nahezu dasselbe: Du darfst nicht einfach einen Text, den du in einem Buch gefunden hast, abdrucken und deinen Namen darunter setzen. Wenn du etwas abdruckst, und das gilt auch für Bilder, Zeichnungen, Songtexte usw., brauchst du immer die Erlaubnis dessen, von dem der Text oder das Kunstwerk stammt, wenn du es in deiner Zeitung verwenden willst. Er ist Autor bzw. der Künstler ist der Urheber. Wenn du dich nicht an diese Regel hältst, verstößt du gegen das Urheberrecht.

Denke daran, dass …

… jeder Text, jedes Bild, egal ob Foto, Zeichnung, Landkarte oder Stadtplan, eine geistige Leistung einer Person ist. Diese geistige Leistung hat einen Wert, der gesetzlich geschützt ist.

… wenn du ohne Erlaubnis des Urhebers Textteile übernimmst, einen geistigen Diebstahl begehst.

… die übliche Strafe bei einer Verletzung des Urheberrechts die Bezahlung eines hohen Honorars ist.

… der Urheber eine Unterlassungserklärung verlangen kann. Die Zeitung muss sich darin verpflichten, denselben Fehler nicht noch einmal zu begehen. Als Sicherheit wird ein Geldbetrag festgelegt, der zu zahlen ist, wenn sie dennoch dagegen verstößt.

… du bei Fotos besonders vorsichtig bist. Verwende nur solche Fotos, für die du die Rechte hast, also selbst aufgenommene Fotos .

… achte bei selbst aufgenommenen Fotos auf das Persönlichkeitsrecht der Menschen, die darauf abgebildet sind. Unproblematisch sind Aufnahmen, bei denen Menschen in einer großen Gruppe zu sehen sind, also z.B. Aufnahmen vom Schulhof, bei denen die einzelnen Personen kaum zu identifizieren sind.

… bei der Veröffentlichung von Fotos von Kindern und Jugendlichen die Eltern zustimmen müssen.

… Personen, die ohne ihre Zustimmung in der Zeitung abgebildet werden, ein Recht auf Schadensersatz haben.