Wahrheitsgemäß berichten: Sorgfältig und selbstkritisch arbeiten

Sorgfältig vorgehen

Wer schon einmal Flüsterpost gespielt hat, weiß, worum es geht: Je mehr Leute eine Information weitergeben, umso mehr wird sie verändert. Egal, ob es absichtlich geschieht oder nicht - jeder fügt etwas hinzu oder lässt etwas weg. Warum? Für den einen ist dieser Aspekt wichtig, für den anderen jener.

Was heißt das für dich als Journalist? Versuche immer von den Leuten Informationen zu bekommen, die das Geschehen aus nächster Nähe verfolgt haben. Es geht also darum, möglichst "nah an der Wahrheit" zu berichten.

Wie gehst du dabei vor? Angenommen, du berichtest über einen Unfall. Sprich zu erst mit den Personen, die darin verwickelt waren. Was ist aus ihrer Sicht passiert? Sprich dann mit Leuten, die das Geschehen aus nächster Nähe verfolgt haben.

Allgemein gilt: Je näher du an der Ursprungsquelle bist, umso wahrscheinlicher ist es, dass du die Wahrheit erfährst. Am besten ist es natürlich, wenn du mehrere, voneinander unabhängige Quellen zur Verfügung hast.

Apropos näher. Das gilt auch für die Zeitspanne, die zwischen dem Ereignis und deinen Recherchen verstreicht: Je schneller du mit Leuten nach einem Ereignis sprichst, umso besser haben sie das, was passiert ist, in Erinnerung.

Denke daran, dass…

… versuchen musst, möglichst schnell nach einem Geschehnis mit den Leuten zu sprechen. Denn dann ist ihr Eindruck noch frisch und unverfälscht.

… immer versuchen musst, Informationen von der Ursprungsquelle zu erhalten. Übernehme nicht diese Informationen unreflektiert, sondern prüfe sie, indem du andere Personen unabhängig voneinander dazu befragst.

Selbstkritisch arbeiten

Missstände aufdecken und grundsätzlich nur die Wahrheit schreiben - das ist die Aufgabe von Journalisten. Doch das ist oft leichter gesagt als getan, selbst wenn man die besten Vorsätze hat.

Wie kann es passieren, dass Journalisten an der Nase herumgeführt werden?

Grund 1: Journalisten sind empfänglich für außergewöhnliche Storys.

Stell dir nur einmal folgende Situation vor: Du sitzt an deinem Schreibtisch. Dir fällt nichts ein, worüber du schreiben könntest. Doch schon bald ist Redaktionsschluss; du musst unbedingt etwas beisteuern… da klingelt plötzlich das Telefon. Jemand ruft dich an und erzählt dir etwas ganz Unglaubliches… Was glaubst du, wie du reagierst? Bewahrst du kühlen Kopf und nimmst dir die Zeit, um selbst in der Sache gründlich zu recherchieren? Diese Frage gar nicht so leicht zu beantworten!

Grund 2: Journalisten sind ein Teil der Gesellschaft.

Als Journalist gehörst du dazu - z.B. zu der Mannschaft, in der ein Mitspieler gemobbt wird. Oder zu der Band, die an einem wichtigen Wettbewerb teilnimmt. Was tun? Überlasse Themen, bei denen du persönlich betroffen bist, lieber anderen! Du bist nämlich viel zu nah dran, um unabhängig darüber berichten zu können.

Denke daran, dass…

… du dich nicht unter Druck setzen lässt und jede Information kritisch hinterfragst und nachrecherchierst, bevor du etwas schreibst.

… du nicht über Dinge berichtest, die dich oder deine Familie persönlich betreffen.



Glaubwürdigkeit prüfen

Die wichtigste Regel lautet: Schau dir die Leute, die dir berichten, genau an und denke darüber nach, mit wem du sprichst. Ist der Informant glaubwürdig?

Ist die Quelle echt?
Hier ein Beispiel: Angenommen, ein Junge ruft dich an, stellt sich als Hans Müller vor und erzählt dir, dass die Jugendlichen, die häufig im Jugendzentrum sind, eine Protestaktion gegen den Umbau des Hauses planen. Die erste Frage, die du dir stellen musst, ist: Wer spricht hier? Ist es wirklich Hans Müller? Wenn du mit ihm schon gesprochen hast, dann kennst du seine Stimme.

Doch was ist, wenn nicht Hans Müller, sondern ein anderer Junge am Telefon ist? Dann kannst du ziemlich sicher davon ausgehen, dass die Information, die er dir zustecken möchte, auch falsch ist.

Hat der Informant Vorteile, wenn er die Unwahrheit sagt?
Denke mal kurz nach. Was bringt es, wenn man lügt? Die Antwort lautet: Weil man sich mit einer Lüge entweder wichtig machen oder Vorteile verschaffen will.

Wenn du der Ansicht bist, dass dein Informant vielleicht einen Vorteil davon hat, wenn er in einer Sache nicht die Wahrheit sagt, dann solltest du das, was er sagt, besonders genau und kritisch unter die Lupe nehmen.

Denke daran, dass…

… du manche Leute bewusst falsche Informationen streuen, weil sie sich mit einer entsprechenden Meldung wichtig machen oder Vorteile verschaffen wollen.

… du den Hintergrund einer Person, die dir Informationen gibt, genau kontrollierst. Hat er oder sie einen Vorteil, wenn seine bzw. ihre Information in der Zeitung steht?



Informanten befragen

Als Journalist musst du unabhängig berichten. Und das, was du schreibst und wie du die Dinge darstellst, muss der Wahrheit entsprechen. Journalisten sind, so das oberste Gericht in Deutschland, zur "wahrheitsgemäßen Berichterstattung verpflichtet". Doch was ist genau wahr? Als Journalist bist du nicht immer vor Ort, wenn etwas Wichtiges, über das du berichten möchtest, passiert. Du musst also Leuten, die in einem Vorfall beteiligt sind oder ihn beobachtet haben, fragen. Dein Ziel muss es also sein, der Wahrheit auf die Spur zu kommen und die Dinge so darzustellen, wie sie deinen Recherchen nach passiert sind. Recherchieren heißt Leute, die mit dem Geschehen etwas zu tun haben, zu befragen.

Doch wie weißt du, ob sie dir die Wahrheit erzählen?

Hier ein Beispiel: Angenommen, deine beste Freundin erzählt dir von ihrem Gespräch mit dem Trainer. Der Trainer, so die Freundin, habe ihr verraten, dass es diesmal auf der Vereinsfeier eine besondere Auszeichnung für eure Mannschaft geben wird.

Kannst du deiner Freundin glauben und ihren Bericht als Meldung in die Vereinszeitung setzen?

Wohl eher nicht. Vielleicht will sie dir einen Streich spielen, vielleicht will sie sich auch nur wichtig machen.

Als Journalist stößt du auf jede Menge Unwahrheiten. Du darfst dich niemals blind auf deine Quellen - so nennt man Leute, die Journalisten Informationen geben - verlassen. Im Folgenden erfährst du, wie du mit Informationen anderer am besten umgehst.

Denke daran, dass…

… du als Journalist zur wahrheitsgemäßen Berichterstattung verpflichtet bist. Sprich immer mit mehreren Beteiligten und prüfe ihre Angaben genau, bevor du eine Meldung schreibst.



Infos hinterfragen

Stimmt´s oder stimmt´s nicht? Lügt der Informant, verdreht er die Wahrheit nur ein wenig oder sagt er tatsächlich, wie es ist? Wenn du dich vor falschen Informationen schützen willst, dann hilft dir eine einfache Frage weiter: Ist die Information glaubwürdig?

Sei immer kritisch, egal wer dir was berichtet. Doch auch wenn du noch so vorsichtig bist, wirst du nur offensichtliche Lügen als solche enttarnen können. Gut getarnte und geschickte Lügen sind nur sehr schwer aufzudecken.

Denke daran, dass…

… du jede Information auf ihre Glaubwürdigkeit hinterfragst und kritisch mit allem, was dir berichtet wird, umgehst.



Einfluss berücksichtigen

Stell dir vor, du sollst einen Vereinskameraden interviewen. Der der Vereinskamerad wird, so sagte er dir vor dem Interview, von seinem Trainer ständig benachteiligt. Was glaubst du, sagt der Spieler, wenn der Trainer, über den er sich beklagt, neben ihm steht?

Du kannst davon ausgehen, dass er nun plötzlich kaum mehr etwas über seinen Trainer sagen möchte. Warum? Ist eigentlich klar: Der Junge steht unter dem Einfluss des Trainers. Wenn er sich über ihn beklagt, muss er damit rechnen, dass er hinterher noch mehr Nachteile erleidet.

Wie stark und in welche Richtung jemand beeinflusst wird, ist nicht immer so offensichtlich. Wenn du z.B. einen bekannten Autor über sein neuestes Buch befragst, dann wird er ebenfalls positiv darüber berichten. Genauso ist es, wenn du Orchester-Musiker über ihren neuen Dirigenten interviewst. Klar, dass sie immer nur das Beste erzählen. Im ersten Fall will der Autor, dass sich sein Buch möglichst oft verkauft, im zweiten Fall will der Musiker Ärger mit dem Dirigenten vermeiden.

Der Wahrheit auf der Spur
Um herauszufinden, wie die Dinge nun tatsächlich liegen, solltest du mehrere Personen befragen.

Doch wer kommt dafür in Frage? Es ist vor allem wichtig, dass die Leute unabhängig voneinander berichten können. Wie gehst du dabei vor? Um herauszufinden, ob der Junge tatsächlich vom Trainer benachteiligt wird, musst du mit seinen Mannschaftskameraden sprechen. Wenn jedoch ein Mannschaftskamerad mit dem Trainer verwandt, z.B. sein Neffe ist, dann kannst du fast davon ausgehen, dass er nicht unabhängig urteilt - wahrscheinlich hält er lieber zu seinem Onkel.

Angenommen, du hast mehrere Leute befragt und dir selbst ein Bild gemacht. Jetzt möchtest du in der Zeitung berichten. Um zu zeigen, dass du dich um eine unabhängige, wahrheitsgemäße Berichterstattung bemühst, solltest du folgende Formulierung wählen: "Wie aus mehreren, voneinander unabhängigen Quellen zu erfahren war…". So schreibt man, wenn man stark davon ausgeht, dass die Quellen voneinander unabhängig sind. Wenn jedoch sonnenklar ist, was passiert ist, dann reicht es, wenn man z.B. schreibt: "Ende April wurde mit dem Umbau des Jugendzentrums begonnen."

Denke daran, dass…

… Personen sich nicht nur Vorteile verschaffen, sondern oft auch Nachteile vermeiden wollen, wenn etwas berichten. Sie sind also nicht unabhängig.

… du mit mehreren Personen, die unabhängig voneinander sind, über einen Vorfall sprichst, bevor du darüber berichtest. Nur so kannst du der Wahrheit möglichst nah kommen.


Risiken abwägen

Was steht auf dem Spiel? Je wichtiger eine Meldung ist, umso mehr musst du versuchen, dich vor Falschinformationen zu schützen!

Stelle dir vor, du schreibst in der Vereinszeitung, dass das Vereinsheim für eine eilige Renovierung mehrere Wochen geschlossen werden soll. Doch dann stellt sich heraus, dass das gar nicht stimmt! Herrje - das war ein Riesenfehler, alle im Verein sind in Aufruhr.

Was gilt es also zu beachten? Je mehr Leute von einer Meldung betroffen sind, umso wichtiger ist es, dass die Meldung auch tatsächlich stimmt.

Denke daran, dass…

… du umso achtsamer und genauer recherchieren musst, je mehr Menschen von einer Meldung betroffen sind.