Der Ehemann und Vater

  • Autor: Beecher Stowe, Harriet

Mrs. Shelby war ausgefahren, und Elisa stand ein wenig niedergeschlagen auf der Veranda und sah dem Wagen nach, als eine Hand sich auf ihrer Schulter legte. Sie drehte sich um und ihre schönen Augen begannen zu leuchten.

"Ach, Georg, du bist es! Du hast mich erschreckt, aber ich bin froh, dass du da bist. Die gnädige Frau ist ausgefahren. Komm mit in mein Zimmer. Dort sind wir ungestört."

Sie zog ihren Mann in ihr hübsch eingerichtetes Zimmer. Es ging auf die Veranda hinaus, damit sie immer in Hörweite ihrer Herrin war, die für gewöhnlich auf der Veranda saß und stickte.

"Wie schön, dass du da bist. Aber lach' doch ein bisschen. Sieh dir Harry an. Ist er nicht schon groß geworden?" Sie strich ihrem Sohn die Locken aus dem Gesicht und küsste ihn. Aber Georg sah gar nicht in das pausbäckige Kindergesicht. Er starrte finster vor sich hin und sagte bitter: "Ich wünschte, er wäre nie geboren. Ich wünschte, ich wäre nie geboren." Elisa sah ihren Mann erschrocken an und brach in Tränen aus. Sie lehnte sich an Georg und weinte. Georg sah seine Frau liebevoll an. "Ach, Elisa, es tut mir leid, dir so weh zu tun. Hätten wir uns doch nie kennen gelernt. Dann könntest du jetzt glücklich sein." Elisa fuhr auf. "Georg, was redest du da? Was ist denn nur geschehen? Wir waren so glücklich miteinander."

Georg zog Harry auf seinen Schoß und betrachtete ihn nachdenklich. "Es stimmt, Elisa. Wir waren sehr glücklich. Schau ihn an. Er ist genau wie du. Du bist die hübscheste Frau, die ich je gesehen habe und die Beste, die mir je begegnet ist und trotzdem wünschte ich, wir hätten uns nie kennen gelernt. Elisa, mich hat aller Mut verlassen. Sieh mich an. Ich bin nur noch ein elender Arbeitsgaul. Warum habe ich mich so gemüht? Wozu wollte ich lernen und vorankommen? Wozu leben wir überhaupt? Ich wollte, ich wäre tot!" Elisa sah ihren Mann unglücklich an. "Georg, ich habe gehört, dass du deine Arbeit in der Fabrik verloren hast. Ich weiß, dass dein Herr sehr grausam ist. Aber trotzdem darfst du dich nicht versündigen. Hab' ein wenig Geduld."

Er unterbrach sie barsch. "Geduld? Ich habe Geduld gehabt. Ich habe geschwiegen, als er mich aus der Fabrik fortholte, einfach so und obwohl ich jeden Pfennig bei ihm abgeliefert habe. Ich war fleißig und treu." "Aber er ist nun einmal dein Herr.", warf Elisa ein. "Wer hat ihn denn zu meinem Herren gemacht? Das ist es, worüber ich die ganze Zeit nachdenke. Welches Recht hat er, mein Herr zu sein? Er ist ein Mensch wie ich. Ich bin sogar ein besserer Mensch als er. Ich verstehe mehr vom Geschäft und ich bin ein besserer Verwalter. Ich kann besser lesen als er und meine Handschrift ist besser als seine. Ich habe mir alles selbst beigebracht, es ist nicht sein Verdienst. Wer also gibt ihm jetzt das Recht, aus mir einen Packesel zu machen? Warum darf er mir die Arbeit nehmen, die ich gut verstehe, besser als er und mir Arbeiten aufhalsen, die jedes Tier machen kann? Das Ganze hat nur einen Sinn: er will mich erniedrigen, er will mich klein kriegen. Er sagt es sogar. Deshalb muss ich die niedrigsten und schmutzigsten Arbeiten verrichten. Er tut es mit Absicht!"

"Georg, du machst mir Angst, wenn du so redest. Du hast Recht, aber du musst vorsichtig sein, sonst geschieht etwas Schreckliches. Sei bitte vorsichtig, wenigstens um Harrys Willen." "Ach, Elisa. Ich bin immer vorsichtig gewesen. Und geduldig. Aber es wird immer schlimmer. Er lässt keine Gelegenheit aus, um mich zu quälen und zu schikanieren. Ich kann es einfach nicht länger ertragen. Ich dachte, wenn ich gehorsam und folgsam bin, bleibt mir nach der Arbeit Zeit zu Lesen und zu lernen. Aber er sieht, dass ich arbeite und klaglos alle Aufgaben erledige, also bürdet er mir immer mehr und noch mehr auf. Er sagt, dass er mir den Teufel austreiben will, den ich im Leib hätte. Oh, Elisa, eines Tages treibt er ihn hinaus und dann wird er sein blaues Wunder erleben!" Elisa rief: "Was sollen wir denn bloß tun?" "Erst gestern musste ich Steine in einen Wagen laden.", erzählte Georg. "Der junge Herr stand daneben und knallte mit der Peitsche. Das Pferd wurde immer unruhiger und ich bat den jungen Herren, die Peitsche still zu halten. Der Junge grinste frech und knallte erst recht mit der Peitsche. Ich hielt seine Hand fest und er fing an zu schreien und nach mir zu treten. Schließlich rannte er zu seinem Vater und sagte, ich hätte ihm wehgetan. Mein Herr kam wutentbrannt aus dem Haus gerannt und schrie, er wolle mich lehren, wer mein Herr sei. Er band mich an einen Baum und schnitt für den jungen Herrn frische Ruten ab. Er durfte mich schlagen, bis er müde war. Wie soll ich da geduldig sein? Eines Tages zahle ich ihm alles heim. Sag mir, wer hat diesen Mann zu meinem Herren gemacht?" In Georgs Augen brannte ein wildes Feuer.

"Ach.", sagte Elisa traurig, "Ich habe immer gedacht, ich müsste meinem Herrn und meiner Herrin gehorchen, sonst wäre ich keine gute Christin."

"Du hast ja auch manchen Grund dazu. Sie haben dich aufgezogen, als wärst du ihr eigenes Kind. Sie haben dich ernährt und gekleidet, dich unterrichtet und gepflegt. Du bekamst eine gute Erziehung. Sie haben ein Recht auf dich. Aber ich dagegen wurde geschlagen und getreten. Wenn ich Glück hatte, beachteten sie mich nicht. Haben sie also ein Recht auf mich? Ich bin ihnen nichts schuldig. Meinen Unterhalt habe ich mehr als hundert Mal bezahlt. Ich ertrage es nicht länger. Nicht einen einzigen Tag!" Und er ballte zornig die Fäuste. Elisa hatte ihren Mann noch nie so verzweifelt gesehen. Sie zitterte und schwieg.

"Elisa, du erinnerst dich an den kleinen Hund, den du mir geschenkt hast. Carlo. Er war mein einziger Trost. Er schlief bei mir und folgte mir am Tage auf Schritt und Tritt. Der Herr war der Meinung, der Hund lebe auf seine Kosten. Er befahl mir, einen Stein an seinen Hals zu binden und ihn im Teich zu ertränken." "Oh, Georg. Hast du es etwa getan?", weinte Elisa. "Nein. Aber der Herr und sein Sohn. Sie warfen sogar noch mit Steinen nach ihm, als er im Wasser um sein Leben kämpfte. Er sah mich so traurig an und verstand nicht, warum ich ihm nicht half. Es tat so weh. Weil ich mich geweigert hatte, Carlo selbst zu ertränken, wurde ich ausgepeitscht. Aber mit Prügeln bekommt man mich nicht klein. Der Herr wird schon merken, wenn meine Stunde gekommen ist."

"Was hast du vor? Ach Georg, versündige dich nicht. Wenn du nur Gott vertraust und auf dem rechten Weg bleibst, wird er dich erlösen." "Ich bin kein Christ wie du, Elisa; mein Herz ist voller Hass und Bitterkeit; ich kann nicht auf Gott vertrauen. Warum lässt er all diese Dinge zu?" "Wir müssen glauben und vertrauen, Georg! Meine Herrin sagt, auch wenn es uns schlecht geht, so müssen wir glauben, dass Gott alles zum Besten wendet." "Diese Leute haben gut reden. Sie sitzen auf dem Sofa und fahren in feinen Wagen. Wären sie an unserer Stelle, würden sie auch anders reden. Verzeih mir meine Härte, aber es geht nicht anders. Alles in mir lehnt sich gegen diese Ungerechtigkeit auf. Ich bin sicher, du würdest an meiner Stelle genauso empfinden. Aber da ist noch etwas, das ich dir erzählen muss." "Ist es schlimm?", fragte Elisa bang. Georg nickte. "Mein Herr bereut, dass er mir erlaubte, dich zu heiraten. Er mag Mr. Shelby nicht mehr. Deshalb soll ich mir nun dort eine Frau suchen und eine Familie gründen. Er befahl mir, in Minnas Hütte zu ziehen. Er verkauft mich flussaufwärts, wenn ich mich weigere."

"Aber Georg, wir sind verheiratet. Ein Priester hat uns getraut.", sagte Elisa naiv. "Weißt du denn nicht, dass Sklaven nicht heiraten können? Es gibt kein Gesetz, das uns die Ehe garantiert. Wenn dein Herr dich verkaufen möchte, dann darf er uns trennen. Wenn ich verkauft werde, darf ich dich nicht mitnehmen. Darum wünschte ich, wir hätten uns nie kennen gelernt. Ich wünschte auch, Harry wäre nie geboren. Was mag ihm noch alles bevorstehen?" "Aber mein Herr ist gut.", rief Elisa verzweifelt. "Das mag sein.", versetzte Georg. "Aber er kann sterben. Dann wird Harry an einen Wildfremden verkauft. Was nützt es uns, dass er ein außergewöhnlich hübsches, anmutiges und liebenswertes Kind ist? Er ist zu wertvoll, als dass du ihn behalten dürftest." Elisa rang nach Luft. Das Bild des Händlers stieg in ihr auf und legte sich wie ein Schatten auf ihr Herz. Sollte sie Georg von ihren Ängsten erzählen? Nein - er hatte schon genug zu tragen, also schwieg Elisa.

Georg sah seine Frau an. "Elisa, ich muss nun fort. Sei tapfer. Lebe wohl." "Georg, wo willst du denn hin?" "Ich gehe nach Kanada.", sagte Georg bestimmt und richtete sich auf. "Wenn ich dort bin, werde ich dich freikaufen. Uns bleibt nur diese Hoffnung. Dein Herr wird sich sicher nicht weigern, wenn ich dich freikaufen will. Dich und Harry." "Georg. Tu das nicht. Was wird, wenn sie dich erwischen?" "Das wird nicht passieren. Entweder gehe ich nach Kanada oder ich sterbe." "Du darfst dich nicht umbringen.", beschwor Elisa ihn. "Keine Sorge, sie sind mit dem Totschlagen schneller als du denkst. Aber auf dem Fluss werden sie mich nicht lebendig fangen. Niemals! Und nun hör meine Pläne. Ich musste heute einen Brief zu Mr. Symmes bringen. Er wohnt eine Meile von hier. Mein Herr vermutet natürlich, dass ich bei dir vorbeikomme, um mein Herz auszuschütten. Er freut sich, denn er will die Shelby-Leute gern ärgern. Ich werde also ganz resigniert nach Hause gehen und so tun, als wäre ich ein gebrochener Mann. Aber ich habe Vorbereitungen getroffen. Ich habe Leute, die mir helfen werden. Im Laufe der Woche werde ich dann zu den Vermissten zählen. Bete für mich, meine liebste Elisa. Vielleicht hört der Herrgott auf dich!" "Oh, Georg, tu, was du tun musst und flieh. Aber sei vorsichtig. Und lege nicht Hand an, weder bei dir noch bei einem anderen. Und bete! Du musst vertrauen."

Georg ergriff ihre Hände. Beide standen in tiefem Schweigen. Schließlich sagten sie sich letzte Worte des Abschieds, eine letzte Umarmung - dann riss er sich los. Elisa blieb weinend zurück.