Der Kredit

  • Autor: Dumas, Alexander

Am Nachmittag suchte Monte Christo den Bankier Danglars auf. Ein Schreiben von Thomson und French aus Rom, hatte den Grafen bereits angekündigt. Er wurde in den weißgoldenen Salon gebracht. Danglars wollte auf seinen Gast Eindruck machen.

"Ich habe die Ehre, mit dem Grafen von Monte Christo zu sprechen?"

Die Begrüßung fiel kühl und reserviert aus. Der Bankiers war unruhig, weil in dem Schreiben des römischen Bankhauses von einem unbegrenzten Kredit die Rede war.

"Was stört Sie an diesem Brief?", wollte der Graf wissen.

"Nichts, mein Herr, außer dem Wort "unbegrenzt"."

"Erscheint Ihnen das Haus Thomson und French nicht vollkommen sicher, Herr Baron?", fragte der Graf mit dem naivsten Gesichtsausdruck der Welt. "Nun, hier habe ich noch zwei Briefe. Sie sind an Bankhäuser in Wien und London adressiert. Wenn Ihr Haus nicht zahlungsfähig sein sollte, wende ich mich an eines der beiden Institute."

Es war geschehen. Danglars war besiegt. "Sprechen Sie Graf, ich bin zu Ihren Diensten!"

"Nun, da wir uns verstehen, möchte ich eine Summe für das Jahr, das ich in Paris bleiben möchte festsetzen. Ein Kredit über sechs Millionen."

"Sechs Millionen, so sei es!", erwiderte Danglars wie betäubt.

"Falls ich mehr brauche, erhöhen wir die Summe. Fürs Erste schicken Sie mir morgen bitte eine Summe von 500 000 Francs; ich werde bis Mittag zu Hause sein."

Auf Drängen des Bankiers, wurde der Graf der Baronin vorgestellt. Auch sie erlag der Ausstrahlung von Monte Christo. Als sie während des Gespräches zum Fenster hinausblickte, erkannte sie ihre wunderschönen Apfelschimmel vor der Kutsche des Grafen gespannt. Der Baron versicherte ihr, dass am Morgen ein Verwalter bei ihm war und die Pferde zu einer geradezu astronomischen Summe abgekauft hätte. Der Graf mimte den Unschuldigen und zog sich mit einem raschen Abgang aus der Affäre.

Sein Plan, Unfrieden in die Ehe zu bringen ging auf. Nur zwei Stunden später erhielt die Baronin einen Brief von ihm, worin er schrieb, dass er eine solch schöne Frau nicht verzweifelt sehen möchte. Er hätte ins Geschirr der Pferde je einen Diamanten nähen lassen und bitte die Baronin nun, sein Geschenk anzunehmen und die Apfelschimmel zurückzunehmen.

Am nächsten Tag machte Helène von Villefort mit ihren Sohn Eduard eine Ausfahrt mit eben diesem Gespann. Ihre Freundin, die Baronin hatte in den höchsten Tönen von Monte Christo geschwärmt, und ihr die Pferde für einen Mittag überlassen.

Der Graf, wie immer genau über alles informiert, wusste, dass diese Pferde nichts für Frauenhände waren. Sein Diener Ali, rettete die beiden, als die Pferde mit ihnen durchgingen. Er nahm Frau von Villefort und den sieben jährigen schwächlich wirkenden Jungen mit in sein Haus und kümmerte sich um sie.

Auch auf sie machte er großen Eindruck und Helène von Villefort drängte ihre Freundin in einem Brief, sie auf irgendeine Art wieder mit dem Grafen zusammentreffen zu lassen.

Die junge Griechin Haydee wartete in ihren Gemächern auf Monte Christo. War der Graf sonst kalt und gleichmütig, bei Haydee konnte man an ihm eine Zärtlichkeit erkennen, die keiner für möglich hielt.

"Du weißt, dass wir in Frankreich sind, mein schönes Kind", flüsterte er ihr liebevoll ins Ohr. "Hier gibt es keine Sklaven, ich gebe dich also frei!"

"Frei, wozu?", fragte das Mädchen.

"Frei dorthin zu gehen, wohin du willst."

"Ich werde dich nie verlassen. In meinem Leben habe ich nur zwei Männer geliebt. Meinen Vater und dich. Ich liebe dich, und könnte ohne dich nicht leben."

Er streichelte ihren Scheitel und meinte: "Bei allem was du tust, habe ich nur eine Bitte: sage gegenüber keinem Menschen etwas über deinen Vater und deine arme Mutter!"