14. KapitelIn dem Don Quichotte die Ritterrüstung auszieht

  • Autor: Cervantes, Miguel de

Dem Herzog und der Herzogin machte es großen Spaß, sich jeden Tag neue Streiche für den verrückten Ritter und seinen einfältigen Diener auszudenken. Sie gingen sogar so weit, den Bauern spaßeshalber zum Bürgermeister zu machen. Sancho Pansa sagten sie, die Stadt sei eine Insel namens Barataria, das heißt übersetzt so was Ähnliches wie Billighausen. Dort musste Sancho vor allem Streit zwischen den Bürgern schlichten. Er machte seine Sache so gut, dass alle ganz verblüfft waren.

Nach kurzer Zeit allerdings hatte der kleine Dicke das Bürgermeisterleben gründlich satt. Was ihm die Sache am meisten vermieste, war sein Leibarzt, der sich Doktor Peter Stark von Deutungen aus Machdichfort nannte.

Dieser setzte ihn doch tatsächlich auf strenge Diät. Und das gefiel unserem Sancho natürlich gar nicht. Schon nach zehn Tagen machte er sich tatsächlich fort. Unterwegs fiel er mit seinem Esel in ein tiefes Loch. Nur durch Zufall fand ihn Don Quichotte, sonst wären der Dicke und sein Grautier elendiglich verhungert.

In der Zwischenzeit hatten die Herrschaften Don Quichotte nicht wenig getriezt. Unter anderem schickten sie ihm eines Nachts einen ganzen Sack voll junger Katzen, alle mit kleinen Glöckchen an den Schwänzen, aufs Zimmer. Die Katzen machten einen Heidenlärm und kratzten Don Quichotte so fürchterlich die Nase auf, dass er eine ganze Woche das Bett hüten musste.

Kein Wunder also, dass es Herrn und Diener schließlich zu dumm wurde. Die Herzogin und der Herzog flehten sie an, zu bleiben, aber die beiden hatten genug von dem unwirtlichen Schloss.

Unterwegs fielen sie einem Räuberhauptmann in die Hände. Aber dieser war ein netter Mensch. Er ließ ihnen nicht nur das Leben und alles, was Sancho Pansa aus dem Schloss mitgenommen hatte – darunter drei Nachthäubchen eines Edelfräuleins –, sondern schenkte dem Bauern sogar noch zehn Goldtaler. Dann schrieb er einen Brief an einen Freund in der großen Stadt Barcelona, er solle Don Quichotte gut bei sich aufnehmen, weil dieser der närrischste und zugleich der gescheiteste Mann sein, den man sich nur vorstellen könne. Schließlich umarmten sich der nette Räuberhauptmann und der eingebildete Ritter und nahmen Abschied.

In Barcelona wurde Don Quichotte aufs Herzlichste empfangen. Sein Gastgeber hatte ihm nämlich hinten ein Schildchen an den Kragen gehängt. Darauf stand:

„Ich bin Don Quichotte von der Mancha, der tapferste Ritter weit und breit.“

Überall in Barcelona jubelten die Fischweiber und die Gassenjungen:

„Hoch, Don Quichotte von der Mancha, du tapferer Ritter!“

Darüber war der Junker natürlich sehr stolz.

Eines Tages aber begegnete ihm ein zweiter Ritter. Dieser trug als Wappen einen Mond. Der Mondritter forderte Don Quichotte hinter geschlossenem Visier zum Zweikampf auf und sagte, seine Geliebte sei viel schöner als Dulzinea.

Die beiden machten aus: Wenn Don Quichotte gewinne, dürfe der Mondritter nie mehr etwas Nachteiliges über Dulzinea sagen. Wenn aber der Mondritter gewinne, müsse Don Quichotte seine Ritterrüstung ausziehen und nach Hause reiten.

So rannten sie gegeneinander an. Don Quichotte auf dem mageren, müden Rosinante; der Mondritter auf einem edlen, hochbeinigen Ross. Der fremde Ritter musste nicht einmal seinen Speer heben - „Rumms!“ warf sein Pferd den Rosinante einfach um.

Geknickt stand Don Quichotte auf, zog die Rüstung aus, hängte die rostigen Blechteile über Rosinantes Rücken und ging den langen Weg nach Hause. Der Mondritter aber schob das Visier hoch – und, siehe da, es war ein Freund Don Quichottes. Diesen Trick hatte er sich ausgedacht, um den Junker zur Besinnung zu bringen.

Doch da hatte er die Rechnung ohne Don Quichotte gemachte. Denn dieser wollte nur als Ritter leben – oder sterben. Zu Hause legte er sich ins Bett, seufzte „Was war ich nur für ein Narr!“ und tat seinen letzten Atemzug.

Sancho Pansa weinte bitterlich. Am Ende aber tröstete er sich mit den Goldtalern, die ihm Don Quichotte hinterlassen hatte, ließ sich eine Kalbshaxe kochen und erklärte mit vollem Mund:

„Wenn ich einmal sterben soll, will ich mich vorher noch tüchtig satt essen. Es gibt doch keine größere Dummheit als freiwillig auf die Freuden des Lebens zu verzichten.“