2. KapitelIn dem Don Quichotte Prügel bekommt

  • Autor: Cervantes, Miguel de

Don Quichotte war sehr zufrieden mit sich, als er das Dorf verließ. Dass die Feierlichkeit in aller Hast vonstatten gegangen war, kümmerte ihn nicht. Nun fühlte er sich als echter Ritter. Als er an eine Kreuzung kam, gab er seinem Gaul Rosinante die Zügel frei. Er wollte sehen, wohin ihn das Schicksal trieb. Das ausgezehrte Ross schlug natürlich den kürzesten Weg nach Hause zu seiner vollen Haferkrippe ein.

Nach kurzer Zeit stießen sie auf eine Reisegesellschaft. Es waren Händler auf dem Weg in die nächste große Stadt, wo sie Seide kaufen wollten. Die wunderten sich sehr, als sie die traurige Gestalt auf dem jämmerlichen Reittier erblickten. Vor allem, als diese auf sie zupreschte, mit der Lanze in der Luft herumfuchtelte und schrie: „Gesteht, dass Dulzinea von Toboso die Kaiserin von ganz Spanien ist.“ Von einer Kaiserin Dulzinea hatte freilich noch keiner der Kaufleute etwas gehört.

Einer von ihnen war ein rechtes Schlitzohr und begann den verliebten Narren zu necken. „Sagt doch, auf welchem Schloss lebt denn Euer Liebchen? Natürlich glauben wir, dass ihr sie für die Allerschönste haltet - selbst, wenn sie auf einem Auge schielen und aus dem Mund sabbern sollte.“

So was ließ sich Don Quichotte nicht zweimal sagen. Er packte seine Lanze und ging auf den Kaufmann los. Ein unglücklicher Zufall aber wollte, dass Rosinante mit dem Huf an einer Wurzel hängen blieb und stolperte. Don Quichotte machte einen Salto vom Pferderücken, schlug ein paar Purzelbäume und blieb mitten auf dem Weg liegen. Gleich war einer der Knechte über ihm, schnappte sich die Lanze, brach sie in Stücke und hieb mit aller Kraft auf den Gefallenen ein. Als dieser grün und blau gedroschen war, zogen die Reisegefährten den wütenden Knecht von dem wehrlos am Boden Liegenden.

Don Quichotte aber blieb wund und zerschlagen auf der staubigen Landstraße liegen. So sehr er sich auch mühte, wieder auf die Füße zu kommen, er schaffte es nicht. Da lag er in seiner Rüstung und zappelte mit den Beinen wie ein auf den Rücken gefallener Käfer. Als er schließlich einsah, dass er sich aus eigener Kraft nicht hochrappeln konnte, begann er sich Heldengedichte vorzusagen, um neuen Mut zu schöpfen.

Er hatte Glück im Unglück. Denn nach einer Weile kam ein Bauer aus seinem Heimatdorf des Wegs. Der staunte nicht schlecht, als er den Mann in der zerbeulten Rüstung am Boden entdeckte, nicht weit davon das klapperdürre Pferd, das in aller Ruhe ein paar Gräslein fraß. „Edler Graf, mein Onkel!“, schrie Don Quichotte. Dies kam dem Bauern höchst sonderbar vor. Vorsichtig näherte er sich dem Unglückswurm; voll Angst, dies sei eine Falle von Wegelagerern. Der Mund blieb ihm vor Überraschung offen stehen, als er unter dem blechernen Panzer seinen Nachbarn, den Landedelmann, erkannte. Schnell packte er die wild zeternde Gestalt und warf sie kurzerhand über den Rücken seines Esels. So führte er Ross und Reiter nach Hause.

Dort war bereits alles in Aufruhr. Don Quichottes Nichte, die Haushälterin und der Knecht hatten entdeckt, dass ihr Herr verschwunden war ohne zu sagen wohin. In ihrer Not hatten sie nach dem Pfarrer gerufen. Nun saßen alle beisammen und grübelten, wo sie zuerst suchen sollten. Da ertönte auf dem Hof Hufgeklapper. Alle stürzten nach draußen, hoben den Verwundeten vorsichtig aus dem Sattel und trugen ihn zu Bett. Der aber rief: „Bleibt mir des Leibes Leute, ich habe mit zehn gewaltigen Riesen gekämpft und nur wegen der Ungeschicklichkeit meines Pferdes den Kampf verloren.“ Mit diesen Worten schlief er ein.

„Schuld an allem sind nur die Bücher“, klagte die Haushälterin. „Herr Pfarrer, ich bitte Euch, treibt meinem Herrn die Narrheiten aus.“ Die ganze Gruppe begab sich in das kleine Kämmerchen, wo Don Quichotte seine Bücher hortete. Sie richteten im Hof einen großen Scheiterhaufen auf und warfen die Bücher mitten ins prasselnde Feuer. Zuvor allerdings pickte sich der Pfarrer die besten Stücke heraus, um sie mit nach Hause zu nehmen.

Plötzlich hörten sie ein gewaltiges Gebrüll. Alle stürzten in Don Quichottes Schlafgemach. Da stand er wie rasend auf seinem Bett, fuchtelte mit den Armen und keuchte: „Zu mir, ihr Ritter, zu mir, ich werde euch zeigen, wer der Beste im Turnier ist.“ Als sie ihn beruhigt und wieder nieder gelegt hatten, verlangte er zu essen. Nachdem er einen Teller Linseneintopf geleert hatte, schnarchte er bald wieder in aller Seelenruhe.

Am nächsten Morgen stand er auf und wollte natürlich sofort zu seinen Büchern. Doch er fand nicht einmal mehr die Kammer mit dem zerschlissenen alten Sofa unter den schwer beladenen Regalen. Die Haushälterin und der Pfarrer hatten nämlich nicht nur alle Bücher vernichtet, sondern in weiser Voraussicht auch die Tür zugemauert. Als Don Quichotte durch die Gänge seines Hauses irrte, raunte ihm die Haushälterin zu: „Sucht nicht weiter, der Teufel hat all eure Bücher geholt.“ „Nein“, widersprach die Nichte, „ein böser Zauberer war’s. Er kam auf einer Schlange geritten, und als er mit Donnerhall zum Dach hinausflog, war Eure Bibliothek verschwunden.“

Dies glaubte Don Quichotte sofort. 14 Tage verlor er kein Wort mehr über Ritter und Heldentaten. Doch insgeheim schwor er dem hinterhältigen Zauberer Rache.