Das Protokoll

  • Autor: Dumas, Alexander

Die Marquise von Saint-Meran wurde mit allem Pomp, der einer solchen Persönlichkeit zustand, im Friedhof Père-Lachaise beigesetzt. Halb Paris erwies ihr die letzte Ehre. Auch Franz d'Epinay, der vom letzten Wunsch der Marquise, ihre Enkelin rasch mit ihm zu vermählen, unterrichtet war, befand sich unter den Trauergästen.

Herr von Villefort hatte es denn auch mehr als eilig, fast unschicklich eilig, den Ehevertrag unterzeichnen zu lassen. Man fand sich in einem üppig ausgestatteten Salon zusammen. Franz hatte Einwände, dass die Trauerzeit doch eingehalten werden sollte. Er hoffte noch, sich vor der Heirat zu drücken.

Er hielt bereits die Feder in der Hand, um zu unterschreiben. Valentine schaut ihn, ihren zukünftigen Gemahl, mit einem Ausdruck an, der ebenso viel Schrecken wie Ergebenheit in das Unabwendbare erkennen ließ. In diesem Augenblick unterbrach der Kammerdiner die Handlung: "Herr von Noirtier wünscht Herrn Franz d'Epinay zu sprechen. Es dulde keinen Aufschub."

"Antworten Sie Herrn von Noirtier, dass das, was er verlangt, nicht sein kann", sagte Villefort.

"Dann lässt Herr Noirtier die Herren benachrichtigen, dass er sich in diesen Salon tragen lassen werde", sprach der Diener.

Das Erstaunen war groß. Ein Lächeln trat auf das Gesicht von Frau von Villefort. Valentine schlug unwillkürlich die Augen zur Decke, um dem Himmel zu danken.

Obwohl Herr von Villefort mit den Zähnen knirschte, musste der Wunsch des Großvaters erfüllt werden. Man begab sich also in die Stube. Noirtier wartete, schwarz gekleidet, in seinem Lehnstuhl. Als Franz, Valentine und Herr von Villefort eingetreten waren, schloss sein Kammerdiener sofort wieder die Tür.

Der Greis bedeutete Valentine, sie möge zum Schreibtisch gehen und dort ein Geheimfach öffnen. Valentine gehorchte. Danach sollte sie das Schriftstück Franz übergeben, der es auf der Stelle lesen sollte.

Umsonst versuchte Herr von Villefort, an allen Gliedern zitternd, dies zu verhindern. Der eiserne Wille seines Vaters, trotz der Lähmung, oder vielleicht gerade deswegen, war stärker.

Franz d'Epinay erbrach das Siegel. Der Greis bedeutete ihn zu lesen und in die tiefe Stille hinein begann er: "Auszug aus der Sitzung des bonapartistischen Klubs vom 5. Februar 1815."

Franz unterbrach. "Am 5. Februar 1815 ist mein Vater ermordet worden!", sagte er.

Die Augen des Greises sagten klar: "Fahren Sie fort."

Er fand eine genaue Schilderung der Umstände, denen sein Vater vor über zwanzig Jahren zum Opfer gefallen war. Dieser war ein treuer Anhänger des Königs gewesen und in den Besitz der geheimen Nachricht gekommen, dass eine Gruppe von Verschwörern für die Rückkehr Napoleons aus Elba kämpfte. Der Vater von Franz kannte diese Männer, und um ihn zum Schwiegen zu bringen, tötete ihn der größte Anhänger von Napoleon im Duell.

"Welch ein grauenvolles Protokoll. Ich bitte Sie nun Herr Noirtier, nennen Sie mir den Namen desjenigen, der meinen armen Vater getötet hat."

Noirtier schaute das Wörterbuch an. Franz nahm es zitternd und begann das Alphabet aufzusagen. Beim Buchstaben "I" nickte der Greis. Franz nannte einige Wörter, die mit diesem Buchstaben begannen, der Greis verneinte. Bald gelangte er zu einem Wort. "Ich."

"Ja!", machte der Greis.

"Sie?", rief Franz, dessen Haare sich auf seinem Kopf sträubten. "Sie, Herr Noirtier, Sie haben meinen Vater getötet?"

"Ja", antwortete Noirtier und warf einen blitzenden Blick auf den jungen Mann.

Nach einer Pause, in der die Atemzüge des Gelähmten wir triumphierend klangen, erklärte Franz: "Herr von Villefort, Sie werden verstehen, dass es mir unmöglich ist, die Enkelin eines Mannes zu heiraten, der den Tode meines Vaters auf dem Gewissen hat!"

Valentine - von der Dramatik dieser Szene erschüttert, aber gleichzeitig auf wunderbare Weise befreit - dankte ihrem Großvater mit einem Blick inniger Liebe.