Die Blume verblüht

  • Autor: Beecher Stowe, Harriet

Tom hatte Georgs Brief erhalten, der erfrischende Neuigkeiten von zu Hause brachte. Tom wurde nicht müde, den Brief zu lesen, immer und immer wieder. Aber die Tage gingen ins Land und es waren nun schon zwei Jahre vergangen. Tom und Eva verband eine tiefe Freundschaft. Tom liebte das zarte Mädchen und sie sah zu ihm auf. Während er ihr Blumen vom Markt mitbrachte, las sie Tom aus der Bibel vor, wie er es noch nie erlebt hatte.

In der Hitze des Sommers war der Haushalt St. Clares in die Villa am See Pontchartrain verlegt worden. Das ostindische Sommerhaus war mit Bambusveranden umgeben und hatte einen großen Garten. Über geschwungene Pfade konnte man den See erreichen. Und so saßen Tom und Eva in einer Laube unten im Garten. Eva las Tom aus der Bibel vor und sie las: "Und ich sehe einen See aus Glas, gemischt mit Feuer." Nachdenklich sah Eva auf den See hinaus. "Was glaubst du, Tom, wo ist der Himmel?" "Vielleicht dort oben, über den Wolken, Miss Eva.", antwortete Tom vorsichtig. Eva schaute in den Himmel. "Oh ja, und es gibt ein schimmerndes Tor und Engel. Weißt du, manchmal besuchen mich die Engel im Schlaf. Ich kann sie sehen." Tom war keineswegs erstaunt. Nach einer Pause sagte Eva: "Onkel Tom, dorthin werde ich bald gehen. Zu den Engeln, Tom. Es dauert gar nicht mehr lange." Tom durchfuhr ein eisiger Schreck. Er dachte daran, wie oft er in letzter Zeit bemerkt hatte, dass Eva immer blasser und dünner wurde. Das Spielen im Garten ermüdete sie rasch. Sie hustete und Miss Ophelia konnte nichts gegen den Husten ausrichten. Auch jetzt glühten ihre Wangen im Fieber, aber nie hatte er daran gedacht, dass Eva sterben könnte. Ein Ruf unterbrach Toms dunkle Gedanken. "Eva. Komm herein. Der Tau fällt schon. Du darfst nicht länger draußen bleiben." Tom und Eva eilten ins Haus.

Miss Ophelia machte sich Sorgen um Eva und versuchte, St. Clare ihre Befürchtungen mitzuteilen. St. Clare aber wies darauf hin, dass Eva im Wachstum sei. "Sie hat den Husten.", meinte Miss Ophelia. "Ach, was, den Husten. Sie hat sich vielleicht erkältet. Warum musst du immer so schwarzsehen? Sie hustet ein bisschen, na und?" Damit ließ er Miss Ophelia stehen. Im Geheimen aber begann er, Eva zu beobachten. Er blieb oft an Evas Seite und brachte ihr alle paar Tage ein neues Stärkungsmittel.

Neben Evas Husten besorgte ihn ihre zunehmende geistige Reife am allermeisten, wusste er doch, dass diese Art der Reife oft mit zunehmender Schwäche des Körpers einherging.

"Mama.", fragte sie eines Tages ihre Mutter, "Warum bringen wir unseren Leuten eigentlich nicht das Lesen bei? Sie müssten die Bibel lesen können, um etwas von Gott zu erfahren. Zum Beispiel die arme Mammy; sie liebt die Bibel so sehr und wünscht sich, sie könnte lesen. Was soll sie machen, wenn ich ihr nicht mehr aus der Bibel vorlesen kann?" Ihre Mutter schüttelte unwillig den Kopf. "Niemand bringt den Sklaven lesen bei. Und du hast auch andere Dinge zu tun, als ihnen aus der Bibel vorzulesen. Du wirst später schöne Kleider tragen und diese Juwelen." Sie öffnete ein kleines Kästchen und hob den Brillantschmuck in die Höhe. "Ich habe ihn selbst damals getragen und großes Aufsehen erregt." Eva musterte den Schmuck. "Ist er viel Geld wert?" Ihre Mutter nickte. "Dann wünschte ich, es wäre schon jetzt meiner. Ich würde ihn verkaufen und in den freien Staaten ein Gut kaufen. Dort könnte man eine große Schule einrichten, damit auch unsere Leute lesen und schreiben lernen." Evas Mutter brach in helles Gelächter aus. "Du willst ihnen eine Schule einrichten?" Eva nickte ernsthaft. "Sie könnten dann auch Briefe schreiben und Bücher lesen. Tom leidet darunter, dass er's nicht kann und Mammy auch." Evas Mutter wandte sich ab. "Ach, Eva. Du bist nur ein Kind. Ich bekomme Kopfweh, wenn du so viel sprichst." Evas Mutter bekam oft Kopfweh, wenn das Gespräch sie zu langweilen begann.