Die Geschichte vom buckeligen Zwerg

  • Autor: Autor Unbekannt

Vor langer Zeit lebte ein Schneider in einer Stadt des Morgenlandes. Er war ein freigiebiger und fröhlicher Mann und liebte das Leben. Gerne ging er mit seiner Frau durch die Stadt spazieren. Dabei freute er sich an den schönen Gärten und Straßen der Stadt.

Als er eines Tages von einem Spaziergang zurückkam, traf er einen kleinen, buckligen Mann. Es war ein Spaßmacher, und er war lustig und vergnügt, allerdings auch nicht mehr ganz nüchtern. Mit vielen Späßen brachte er die Menschen zum Lachen und vertrieb Kummer und schlechte Laune.

Der Schneider und seine Frau hatten Spaß an seinen Scherzen und lachten über ihn. Dann luden sie ihn ein, mit ihnen zu kommen und bei ihnen in ihrem Haus die Nacht zu verbringen. Der kleine zwergenhafte Mann freute sich über die Einladung und kam mit ihnen.

Da der Schneider nicht viel zu essen zu Hause hatte, ging er schnell noch einmal auf den Markt, um etwas zum Abendessen zu kaufen. Die Läden hatten noch nicht geschlossen, und er kaufte gerösteten Fisch, weiße Brötchen, schöne Zitronen und leckeres Zuckerwerk zum Nachtisch. Damit kehrte er nach Hause zurück und breitete es von seinem Gast aus.

In seinem Übermut steckte der Schneider dem Buckligen einen großen Bissen Fisch in den Mund, hielt dann seinen Mund zu und sagte zu ihm in seinem Übermut: „Bei Allah, diesen Bissen musst du herunter schlucken, und zwar ohne zu kauen. Eher lasse ich deinen Mund nicht wieder los.“

Da begann der Bucklige, zu würden und versuchte, den Bissen herunter zu schlucken. Er zog allerlei Grimassen, und schließlich schaffte er es. Doch in diesem großen Bissen befand sich eine Gräte. Der bucklige Zwerg verschluckte sich daran, begann zu würgen und starb.

Als der Schneider den leblosen Körper vor sich liegen sah, begann er laut zu weinen. „Wehe, was bin ich für ein Narr“, rief er aus. „Wegen mir musste dieser arme Mann auf so unnötige Weise sterben.“ „Es ist nicht zu ändern“, sagte seine Frau. „Rede nicht so viel Unsinn, sondern tue etwas.“

„Was soll ich denn tun?“, fragte der Schneider verzweifelt. „Wickele ihn in ein Tuch und nimm ihn in deine Arme. Ich werde voran gehen in die Nacht. Wenn wir gefragt werden, wohin wir gehen, so sage, dass wir mit diesem Mann zu einem Arzt gehen.“

Und so taten sie es. Der Schneider trug den buckligen Mann auf den Armen durch die Stadt. Seine Frau eilte weinend voran und rief: „Ach, mein armer Sohn, möge Allah dich gegen diese schrecklichen Pocken schützen.“

Während sie so entlang gingen, fragten sie immer wieder nach einem Arzt, bis sie wirklich vor der Tür eines jüdischen Gelehrten und Arztes anhielten. Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als hier anzuklopfen und zu warten. Eine Dienerin öffnete die Tür.

„Was wünscht ihr?“, fragte sie. Die Frau des Schneiders antwortete: „Unser Kind ist krank. Nimm diesen Vierteldinar und bitte deinen Gebieter, zu uns heraus zu kommen und unseren Sohn zu untersuchen.“ Da stieg die Dienerin zu ihrem Herrn die Treppe hinauf.

In der Zwischenzeit traten der Schneider und seine Frau in den Vorraum des Hauses. „Leg ihn schnell hier hin und lass uns dann verschwinden“, sagte die Frau. Da legte der Schneider die Leiche des Buckligen auf die untere Stufe der Treppe und eilte mit seiner Frau davon.

In der Zwischenzeit stieg die Dienerin in das Gemach des Arztes und sprach zu ihm: „O Herr, dort unten stehen ein Mann und eine Frau mit ihrem Kind und bitten dich, ihr Kind zu behandeln. Sie lassen dir einen Vierteldinar geben. Es scheint also schlecht um ihn zu stehen.“

Da beeilte sich der Arzt, die Treppe hinunter zu gehen. In seiner Eile nahm er aber kein Licht mit. So kam es, dass er am unteren Ende der Treppe gegen den Körper des Buckligen stieß, der die Stufe hinunter fiel.

Erschrocken bückte sich der Arzt, um ihn zu untersuchen und erkannte sofort, dass er tot war. Da dachte er bei sich, dass er es selbst gewesen war, der den Kleinen getötet hatte. „Bei Allah“, rief er. „Ich bin im Dunklen gegen einen schwerkranken Menschen gestoßen und habe ihn dadurch getötet. Was soll ich nun tun? Wie bringe ich den Toten aus meinem Haus?“

Und in seinem Schrecken lief er zu seiner Frau und erzählte ihr, was sich zugetragen hatte. „Was stehst du hier herum?“, rief seine Frau. „Willst du ihn hier liegen lassen, bis der Tag anbricht? Sie werden dich verhaften, und behaupten, du bist kein Arzt, sondern ein Mörder. Lass uns die Leiche auf das flache Dach bringen, damit die Katzen, Hunde und Geier den Leichnam vertilgen.“

Der Nachbar des Arztes war nämlich Koch, und da er viele Vorräte, wie Öl und Fett auf seinem Dach lagerte, streunten hier viele wilde Tiere herum. Hungrige Geier kreisten auch immer wieder um das Dach.

Der Arzt schüttelte über die Idee seiner Frau den Kopf, doch es fiel ihm auch nichts Besseres ein. Er hatte nur den Wunsch, die Leiche so schnell wie möglich los zu werden. So gingen sie auf das Dach und ließen die Leiche vorsichtig herunter, bis sie schließlich an eine Mauer gelehnt liegen blieb.

Gerade hatten sie dies getan, da kehrte der Koch heim. Er ging über den dunklen Hofplatz. Da sah er an der Ecke eine dunkle Gestalt stehen. „Bei Allah, es sind nicht die Hunde und die Katzen, die meine Vorräte stehlen“, rief er wütend. „Es ist ein Mensch. Na warte, dir werde ich es zeigen.“

Und er nahm einen Stock und schlug damit auf den schweigenden Unbekannten ein, bis er auf den Boden fiel. Dann bückte er sich nach ihm und fasste ihn an. „Bei Allah“, rief er dann. „Er ist tot, und ich habe ihn umgebracht.“ Entsetzt fasste er sich an den Kopf. „Ich bin ein Mörder!“, rief er erschüttert. „Obwohl dich gar nicht so fest geschlagen habe.“

Und als er dann auch noch sah, dass der Tote ein kleiner buckliger Mann war, wurde er noch trauriger. „Verflucht bin ich“, rief er. „Oh, wenn doch die Hunde und Katzen meine Vorräte gefressen hätten. So bin ich, ein ehrbarer Koch, zum Mörder geworden. Weh mir, die Sterne stehen schlecht für mich diese Nacht.“

Und mit Tränen in den Augen betrachtete er den Buckligen. „Schlimm schon, dass du ein kleiner und buckliger Mann sein musstest“, sagte er. „Aber musstest du unbedingt ein Dieb werden? Und musstest du unbedingt mich bestehlen? Du Unglücklicher!“

Er überlegte eine Weile, dann beschloss er, die Leiche zu beseitigen. Er lud sie auf seine Schulter und trug sie zum Bazar hinunter in die Stadt. Dort lehnte er sie aufrecht gegen die Wand eines Parfümerieladens an der Ecke einer dunklen Straße und machte sich, so schnell er konnte davon.

Nach kurzer Zeit kam ein Kaufmann des Weges. Er kam aus einem anderen Land und hatte in dieser Stadt die Nacht über ausgiebig gefeiert. Zunächst hatte er recht viel des guten Weines getrunken, anschließend war er ins Badehaus gegangen, um ein Bad zu nehmen.

Als er so von einer Seite zur anderen taumelte, stieß er gegen den Buckligen. Da aber ausgerechnet in dieser Nacht sein Turban gestohlen worden war, glaubte er in seiner Trunkenheit in dem Buckligen den Dieb wieder erkannt zu haben.

„Gib mir meinen Turban wieder, du Galgenvogel“, rief er aus. Da aber der Bucklige nicht antwortete, versetzte er ihm einen heftigen Schlag. Der Leichnam fiel um. Das machte den Kaufmann nur noch wütender. „Sag etwas, du besoffener Turbandieb!“, rief er voller Wut. Und als der immer noch nicht antwortete, schlug er noch einmal zu.

Da aber kam die Wache. Sie sahen, wie der ausländische Kaufmann, ein ungläubiger Mensch, einen offenbar rechtgläubigen Mohammedaner prügelte. Das entsetze sie. „Lass diesen Mann sofort los, du wütender Bulle!“, riefen die Wachleute. Schwankend drehte sich der Kaufmann zu ihnen um.

Die Wachen machten sich sofort daran, den Buckligen zu untersuchen. Dabei stellten sie fest, dass er tot war. „Bei Allah“, riefen sie. „Das ist ja nicht zu fassen. Ein ungläubiger Ausländer tötet einen rechtschaffenen Muselmann. Das soll er büßen!“

Und sie fesselten ihn und schleppten ihn zum Haus des Statthalters. Unterwegs jammerte und klagte der Kaufmann die ganze Zeit über: „Aber ich habe ihn doch nur ein bisschen verprügelt. Davon kann man doch nicht sterben. Wie konnte ich nur ahnen, dass er so zart ist? Und mein Turban ist auch gestohlen worden. Welch ein unglücklicher Tag für mich.“

Der Kaufmann und die Leiche wurden im Haus des Statthalters eingeschlossen, bis es Morgen wurde, und sich der Statthalter erhob. Dann wurden die beiden vor den Statthalter gebracht. Er verhörte den Kaufmann, und dieser konnte die Tat nicht leugnen.

So verurteilte der Statthalter den Kaufmann zur Todesstrafe und gab den Befehl, ihn zu hängen. Das Urteil wurde in der ganzen Stadt bekannt gemacht. Dann errichtete man einen Galgen, und der Henker legte dem Kaufmann den Strick um den Hals.

Doch in dem Moment, als der Kaufmann gehängt werden sollte, kam der Koch vorüber und sah und hörte, was dort geschehen sollte. Er drängte sich erschrocken durch das Volk, das sich dort versammelt hatte und rief: „Halt, halt, wen hängt ihr denn da? Tut das nicht! Ich bin es doch, der diesen Buckligen getötet hat.“

„Warum tatest du das?“, wollte der Statthalter wissen und er Koch erzählte ihm, wie er nach Hause gekommen sei und den Buckligen vorgefunden hatte, der die Vorräte stehlen wollte. „Ich schlug mit einem Stock auf ihn ein, und als er tot war, nahm ich ihn und trug ihn auf den Bazar. Dort ließ ich ihn vor einem Geschäft nieder.“

Und als der Statthalter ihn verwundert anschaute, fügte er hinzu: „Es ist schlimm genug, dass ich einen Muselmann getötet habe, aber ich will nicht auch noch Schuld daran sein, dass ein Unschuldiger wegen mir gehängt wird.“

Da sagte der Stadthalter zum Henker: „Nun gut, lass den Kaufmann frei und hänge dafür diesen Mann.“ Da ließ der Henker den Kaufmann laufen und bat den Koch, unter den Galgen zu treten. Ihm legte er nun den Strick um den Hals.

Doch genau in diesem Moment drängte sich der jüdische Arzt durch die Menge. „Haltet inne!“, rief er dem Henker zu. „Du hängst den Falschen. Ich bin es, der diesen Buckligen getötet hat. In der vergangenen Nacht kam ein Ehepaar in unser Haus. Sie trugen den Buckligen bei sich und gaben der Dienerin einen Vierteldinar, damit ich ihn gesund machen sollte.

Als ich aber eilends die Treppe hinunter lief, sah ich den Kranken nicht und stieß gegen ihn. Er fiel hin und starb im selben Augenblick. Da nahmen meine Frau und ich die Leiche, und ließen sie auf das Dach des Kochs herab, damit die Geier die Leiche holen könnten.

Jetzt habe ich große Angst vor dem Sterben, aber was hilft es. Ich hätte noch mehr Angst, wenn ein Unschuldiger durch mich sterben würde. Denn der Koch ist wirklich unschuldig.“

Der Satthalter wandte sich dem Henker zu. „Dann hänge eben den Arzt“, sagte er. Und der Henker legte ihm die Schlinge um den Hals.

Doch genau in diesem Moment bahnte sich der Schneider seinen Weg durch die Menge. „Haltet ein!“, rief er, so laut er konnte. „Dieser gute Arzt hat gar nichts mit der Sache zu tun. Niemand anderes als ich tötete diesen Buckligen. Ich traf ihn auf der Straße und weil er so lustig war und so viele Späße machte, lud ich ihn in mein Haus ein.

Als wir dann zusammen zu Abend aßen, nahm ich ein Stück Fisch und stopfte es ihm in den Mund. Aber wie das Schicksal es wollte, geriet es ihm in den Schlund und er erstickte daran. Dann nahmen meine Frau und ich den Toten und trugen ihn zum Haus des Arztes. Als er dann zu uns kommen wollte, liefen meine Frau und ich davon. Also, nicht der Arzt ist zu hängen, sondern ich.“

„Nun gut“, sagte der Statthalter. „Dann hängen wir eben den!“ Der Henker seufzte tief, nahm die Schlinge vom Hals des Arztes und legte sie dem Schneider um den Hals. „Jetzt reicht es mir aber!“, schimpfte er dabei. „Immer wenn ich gerade jemanden hängen will, wird er ausgewechselt. Das ist jetzt schon der Vierte. Ich kann mir schon vorstellen, wie das ausgeht: Es wird am Ende niemand gehängt.“

Der Bucklige aber war Hofnarr am Hofe des Königs gewesen. Der König war sehr unruhig, weil er ihn nun schon lange nicht mehr gesehen hatte. Und da er wusste, dass er sich sehr betrunken hatte und am nächsten und am übernächsten Tag nicht erschienen war, fragte er den Kammerherren nach ihm.

„Oh König der Zeiten“, erwiderte der Kammerherr. „Wir haben den Buckligen gefunden. Er ist leider tot. Und wir sind gerade dabei, den Mörder zu hängen. Immer aber, wenn wir einen am Strick haben, meldet sich ein anderer, der seinen Mord begangen haben will. Jetzt haben wir einen Arzt an der Schlinge.

Er gibt auch eine genaue Beschreibung, auf welche Art er zu Tode kam, so dass man ihm Glauben schenken muss. Jetzt frage ich mich nur, wie viele Täter sich noch melden. Es ist noch gar nicht abzusehen, ob nicht wieder und wieder einer kommt, der am Tod des Zwergen Schuld ist.“

Da rief der König: „Oh, du Esel merkst du denn gar nicht, was hier passiert? Laufe schnell zum Statthalter und lass das Gericht unterbrechen. Bringe mir alle Leute, die sich darum gedrängt haben, gehängt zu werden – aber lass sie lebendig!“

Da beeilte sich der Kammerherr, zum Henker zu laufen. Er kam gerade in dem Moment, als der Henker den Strick hinauf ziehen wollte. „Halt! Aufhören!“, rief er. Und er teilte dem Statthalter den Befehl des Königs mit, niemanden zu hängen, sondern sie dem König lebendig vorzuführen.

„Auch gut, dann wird eben niemand gehängt“, rief der Statthalter. Und er ließ den Schneider, den Arzt, den Koch und den Kaufmann mitsamt der Leiche zu König bringen. „Es sind vier“, meldete er dem König. „Mehr haben sich bisher nicht gemeldet.

Der König ließ sich die ganze Geschichte in Ruhe erzählen. „Wer von den Vieren soll denn nun gehängt werden?“ erkundigte sich der Kammerherr. „Schweig!“, befahl der König. „Störe mich nicht. Ich muss nachdenken.“

Und als er lange genug nachgedacht hatte, gab er den Befehl, niemanden zu hängen. Er wollte im Gegenteil diese wunderliche Geschichte in Goldbuchstaben aufgeschrieben wissen. „Noch nie habe ich eine Geschichte gehört, die merkwürdiger als diese ist“, fügte er hinzu.

Als nun der Kaufmann wieder nüchtern war, trat er zum König, verneigte sich und sprach: „Oh König aller Zeiten, ich will euch einen Barbier nennen, von dem erzählt wird, er könne Tote wieder lebendig machen. Jedenfalls schafft er es in dem Falle, wenn jemand unter seltsamen Umständen gestorben ist, so wie unser Hofnarr.“

„Lasst mir diesen Wundermann bringen“, befahl der König. Kurze Zeit später traf der Kaufmann mit dem Barbier zusammen bei König ein. Der König betrachtete ihn interessiert. Es war ein alter Mann, bestimmt neunzig Jahre mit gebräunter Haut, weißen Haaren und Augenbraun und einer riesengroßen Nase. Selbstsicher lachte er den König an.

„Mein lieber Barbier, was für eine ungewöhnlich große Nase du hast“, sprach der König und lachte. „Nun, man hat mir ungewöhnliche Dinge über dich berichtet, ungewöhnlichere noch als deine Nase. Wie steht es damit?“

„Oh König“, rief der Barbier nun. „Gestattet mir zunächst die Frage, was es mit den vier Personen, dem Schneider, dem Arzt, dem Koch und dem Kaufmann auf sich hat. Und warum liegt dieser buckelige Zwerg hier auf dem Boden. Ich bin ganz gewiss nicht neugierig, aber die Geschichte interessiert mich schon.“

„Erzähle sie ihm“, befahl der König dem Kammerherrn. „Aber fasse dich kurz.“ Und so berichtete der Kammerherr die ganze Geschichte, die sich zugetragen hatte. Staunend hörte der Barbier zu. Dann beugte er sich zu dem Buckligen hinunter. „Ich werde ihn einmal genauer untersuchen“, sagte er. Aufmerksam schaute er in das Gesicht des Buckligen. Dann begann er, laut zu lachen. Er lachte so laut, dass er auf sein Hinterteil fiel.

„Wahrhaftig“, sagte er dann. „Dieser Tod ist es wert, aufgeschrieben zu werden, mit flüssigem Golde, wie es unser König gesagt hat. Dabei konnte unser König noch überhaupt nicht wissen, was noch so alles geschehen kann.“

Alle Umstehenden schüttelten verwundert den Kopf. „Rede!“, befahl der König. Doch der Barbier redete nicht, sondern sagte nur „Psst“, und begann mit seiner Arbeit.

Er zog eine Dose Creme aus seinem Gürtel und rieb die Schlagadern und den Nacken des Buckligen damit ein. Dann nahm er eine Zange zur Hand, öffnete den Mund des Buckligen, steckte die Zange dort hinein und zog mit einer geschickten Bewegung ein Stückchen Fisch wieder hinaus.

Dann sprach er: „So tot, wie ihr angenommen habt, ist der Tote gar nicht. Ich sage euch nämlich…“ Was er sagen wollte, erfuhren die Umstehenden nicht mehr. Denn der Bucklige schnaufte plötzlich wie ein Nilpferd. Dann öffnete er die Augen, strich mit den Händen durch sein Gesicht und sprang auf seine Füße.

„Allah ist groߓ, sagte er. „Beinahe wäre ich an dem Bissen erstickt.“ Und dann blickte er sich erstaunt um, und auch die Anwesenden waren erstaunt. Auch der König blickte verblüfft von einem zum anderen und brach schließlich in ein lautes Lachen aus. Er lachte so laut, dass Tränen über sein Gesicht liefen. Da lachten auch die anderen. Und sie alle bewunderten die Arbeit des Barbiers und freuten sich mit ihm.

Der König erklärte auf`s Neue, dass man die ganze Geschichte mit goldenen Buchstaben aufschreiben und sie im Stadtarchiv sorgfältig aufbewahren sollte. Dann beschenkte er alle Verurteilten, den Schneider, den Arzt, den Koch und den Kaufmann mit wunderschönen Kleidern, den Barbier aber ernannte er zu seinem Leibarzt.

Sein Hofnarr aber wurde sein persönlicher Minister, und er entwickelte sich zu dem besten Minister, den das Land je gesehen hatte. So lebten alle heiter und zufrieden Jahr für Jahr, bis sie von Allah in alle Ewigkeit heimgerufen wurden.

So erzählte Scheherazade und der König lachte und war über die Geschichte höchst zufrieden. Trotzdem war Scheherazade besorgt, der König könne diese Art von Geschichten auf Dauer langweilig finden, und sie überlegte, wie sie eine neue Abwechslung finden konnte. Ihr Blick folgte dem des Königs, und sie sah, wie er zum goldenen Vogelhaus hinüber schaute, das in seinem Gemache stand. Schöne und seltene Vögel waren in diesem Käfig, mit bunten Federn wie ein Feuerwerk.

Da kam ihr eine Idee, und sie lenkte das Gespräch auf die Vögel. Der König sagte, der Mensch sei der Herrscher der Tiere, damit sie ihm dienten und ihn belustigten.

Da wiegte Scheherazade den Kopf hin und her. „Oh König der Zeiten“, sagte sie. „Ich erinnere mich an eine Tiergeschichte, da erzählten sich die Tiere, wie sie den Menschen sehen. Vielleicht ist es gar nicht schlecht, wenn ich ihr davon hört.“ Der König nickte. „Erzähle!“, sprach er.

Und Scheherazade erzählte.