Die schlimme Nachtwache

Es war einmal eine Gastwirtin, die taugte nicht viel. Sie benutzte falsche Maße und war für einen kleinen Betrug allzeit bereit. Wer in ihr Haus einkehrte, kam nicht ungerupft wieder heraus. Geld, das war ihr einziger Sinn, und für Geld hätte sie auch dem Teufel ihre Seele verkauft, wenn dieser sie nur gewollt hätte. Es geschah also manche Untat im Hause der Wirtin, die nicht ans Tageslicht kam. Doch dann war das Maß ihrer Sünden endlich voll.

Ein vornehmer Herr kam gereist, der über Nacht wohl bleiben wollte. Er aß und trank ein wenig und sagte der Kellnerin vor dem Schlafengehen: "Es muss jemand vor meiner Türe wachen. Dafür zahle ich hundert Gulden und mehr. Magst du dieses Geld verdienen, Kellnerin?" "Nein, nein!", antwortete sie. "In der Nacht schlafe ich, am Tage wache ich, und des Abends bin ich furchtbar müde. Ich will's aber der Frau Wirtin sagen, dass sie dem Herrn die Nachtwache beschafft."

Die Kellnerin ging also zur Wirtin und sagte: "Der fremde Herr will hundert Gulden und mehr zahlen, wenn jemand vor seiner Türe wacht. Ich habe mich nur bedankt, denn der meint es bestimmt nicht ernst." "So?", sagte die Wirtin, "dann gehe du nur schlafen. Ich will mich der Sache annehmen und vorsichtshalber jemand beschaffen."

Die Wirtin gönnte aber das viele Geld niemand anders als sich selbst. Sie ging zu dem Fremden und sagte: "Es ist niemand da, der euch Wache stehen will. Ich muss es schon selbst tun. Dafür müsst Ihr aber noch etwas darauf legen." "Schon recht, Frau Wirtin! Ich lege noch etwas darauf. Wachet nur fein", antwortete der Herr. Dann verschloss er sein Zimmer, und die Wirtin blieb draußen auf dem Flur als Wache zurück.

Doch um Mitternacht war es der Kellnerin so, als höre sie ein winselndes Gestöhne im Wirthaussaale. Da lief ihr der Schauder über den Rücken, und sie blieb tief vergraben unter ihrer Bettdecke.

Als es dann wieder Tag war, saß die Frau Wirtin vor der Türe des Fremden und hatte einen Beutel voller Geld in der Hand. Sie sah jämmerlich aus, und mit Entsetzen erkannte das Gesinde jetzt, dass nur die Kleider und die Haut der Wirtin noch da waren. Das andere hatte sich der Teufel geholt.