Er, sie oder ich - wer erzählt?

Schreibst du am liebsten in der Ich-Form? Oder gefällt dir eine Erzählsituation, bei der der Erzähler über dem Geschehen schwebt, besser?

Du kannst zwischen drei Erzählsituationen wählen, der auktorialen Erzählsituation, dem personalen und dem Ich-Erzähler. Dem Ich-Erzähler und dem personalen Erzähler ist gemeinsam, dass sie zu den Figuren der Handlung gehören. Anders ist es bei der auktorialen Erzählsituation - hier berichtet der Erzähler aus der Vogelperspektive.

Der auktoriale Erzähler
Er ist die Instanz, die von Anfang an Bescheid weiß, wie die Geschichte ausgeht. Er kann sie deshalb gut kommentieren. Dazu kann er Rückblenden auf das, was vorher passiert ist, und Vorausdeutungen auf zukünftige Ereignisse einstreuen. Oft gibt der auktoriale Erzähler nicht preis, wer er ist und was er mit der Geschichte zu tun hat.

Beispiel: "Das Mädchen, von dem hier berichtet werden soll, hieß Mellvil. Nein, eigentlich hieß sie ja gar nicht Mellvil. Mellvil ist ihr Spitzname. Ihr richtiger Name ist Melanie. Wie es dazu kam, dass sie von allen nur "Mellvil" genannt wird, ist eine andere Geschichte, die lange zurückliegt. Mellvil lebte…"

Der personale Erzähler
Der personale Erzähler nimmt an der Handlung teil und berichtet über das, was er tut, sieht und fühlt. Der Leser befindet sich am Schauplatz des Geschehens und erfährt alles aus der Perspektive des Erzählers.

Beispiel: "Mellvil schlenderte über den Schulhof. Dort drüben, in der Ecke, sah sie ein paar Mädchen eng beieinander stehen. Eine blickte sich immer wieder um. Fast so, als wollte sie sichergehen, dass niemand sie beobachtete. Mellvil blieb einen Moment stehen und neigte den Kopf ein wenig zur Seite. Was machen die hier, fragte sie sich. Dann schüttelte sie den Kopf und ging mit entschlossenen Schritten auf die Gruppe zu. Plötzlich drehte sich das Mädchen, das sich vorhin immer wieder umgewandt hatte, um…"

Der Ich-Erzähler
Der Ich-Erzähler berichtet in der Ich-Form über das, was er tut, fühlt, überlegt und beobachtet. Diese Erzählperspektive macht es dem Leser besonders leicht, sich mit der Hauptfigur zu identifizieren. Wenn der Ich-Erzähler in der Gegenwart erzählt, erlebt der Leser wie in einem Film alles aus nächster Nähe. In einen Text aus der Ich-Perspektive kannst du innere Monologe, also die Gedanken des Ich-Erzählers, sehr gut einflechten.

Beispiel: "Dort hinten in der Ecke stehen ein paar Mädchen. Wieso schaut sich eine immer wieder um? Passt die auf, dass niemand mitkriegt, was passiert? Was ist los? Soll ich hingehen oder so tun, als würde mich das nicht interessieren? Mir kommt die Sache komisch vor. Ich gehe auf die Mädchen zu. Plötzlich dreht sich das Mädchen, das sich umgewandt hatte, um…"

Was ist, wenn das, was der Ich-Erzähler erzählt, schon länger zurückliegt? Dann erzählt er aus der Erinnerung; die Handlung steht in der Vergangenheit. Wie in der auktorialen Erzählsituation weiß das "Ich" von Anfang an, wie alles ausgeht. Ich-Erzähler, die von vergangenen Erlebnissen berichten, erzählen oft von Ereignissen, ihr Leben verändert haben.

Beispiel: "Damals wusste ich nicht, wie es ist, wenn man allein einer Gruppe gegenübersteht. Zum Glück habe ich es früh genug begriffen. Das war, als ich einmal vor einer Mädchen-Clique davonlaufen musste - ganz schön peinlich im Nachhinein. Es war so: Ich ging über den Schulhof und sah mehrere Mädchen im Kreis stehen. Ich wusste nicht, was die machten und war wahrscheinlich ein bisschen zu neugierig. Jedenfalls ging ich auf sie zu. Da drehte sich zuerst nur ein Mädchen nach mir um, dann immer mehr. Schließlich ging das Mädchen auf mich zu. Sie pfiff und plötzlich rannten alle los. Ich konnte nur noch loslaufen. Heute weiß ich Bescheid und gehe solchen Situationen aus dem Weg."