Es liegt ein Schloss in Österreich



1.
Es liegt ein Schloss in Österreich,
das ist gar wohl erbauet
von Silber und von rotem Gold,
mit Marmorstein gemauert.

2.
Darinnen lag ein junger Knab
auf seinen Hals gefangen,
wohl vierzig Klaftern unter der Erd
bei Ottern und bei Schlangen.

3.
Sein Vater kam von Rosenberg
wohl vor den Turm gegangen.
"Ach Sohn, herzallerliebster Sohn,
wie hart liegst du gefangen!"

4.
"Ach Vater, liebster Vater mein,
so hart lieg ich gefangen,
wohl vierzig Klaftern unter der Erd
bei Ottern und bei Schlangen."

5.
Der Vater vor die Herren ging,
bat um des Sohnes Leben:
"Dreihundert Taler geb ich euch,
schenkt meinem Sohn das Leben!"

6.
"Dreihundert Taler helfen nicht,
ob Ihr sie schon wollt geben;
euer Sohn trägt eine güld'ne Kett,
die bringt ihn um sein Leben."

7.
"Und trägt er eine güld'ne Kett,
ist sie doch nicht gestohlen.
Ein Jungfräulein hat's ihm verehrt
und teuer anbefohlen."

8.
Man brachte den Knaben aus dem Turm,
gab ihm die Sakramente.
"Hilf, reicher Christ, vom Himmel hoch!
Es geht mit mir zu Ende."

9.
Man brachte den Knaben vors Gericht
in gar geschwinder Eile:
"Ach Meister, lieber Meister mein,
lasst mir eine kleine Weile!"

10.
"Eine kleine Weile lass ich dir nicht,
du möchtest mir entrinne.
Reicht mir ein seiden Tüchlein her,
dass ich ihm die Augen verbinde."

11.
Es stund kaum an den dritten Tag,
die Engel Gottes winken:
"So grabt dem Knaben doch ein Grab,
sonst muss die Stadt versinken!"

12.
Wer hat uns denn dies Lied gemacht
und auch gesungen zugleiche?
Drei schöne Jungfräulein zu Wien,
einer Stadt in Österreiche.