Fippchen Fäppchen

Eine Mutter hatte zwei Töchter, eine rechte Tochter und eine Stieftochter. Die letztere wurde von der Frau sehr schlecht behandelt, sodass sie es nicht aushalten konnte. Eines Tages nahm sie sich ein Töpfchen, etwas Mehl und einen Löffel in ihr Körbchen und ging davon. Sie kam in einen finsteren Wald und lief darin so lange herum, bis sie vor Hunger und Müdigkeit nicht weitergehen konnte. Da ruhte sie nun aus, schürte ein Feuerchen und kochte sich einen Brei.

Plötzlich kam ein kleines, graues Männlein hinter einem dichten Busch hervor und fragte: "Was kochst du da?" "Einen Brei", sagte sie. "Ach, lass mich doch deinen Löffel abschlecken, bettelte das graue Männlein. Sie sprach freundlich: "Du kannst auch ordentlich mit mir essen." Da hüpfte das Männlein vor Freude um das Feuer herum, und wartete ganz ungeduldig, bis der Brei fertig war. Darauf aßen die beiden miteinander und ließen sich's gut schmecken.

"Weißt du, wie ich heiße?", sprach das Männlein. "Ich heiße Fippchen Fäppchen. Komm mit mir, du sollst es gut bei mir haben!" Da gingen sie zusammen weit, weit fort und kamen endlich an ein Schloss. Die Tore öffneten sich wie von Geisterhand, und beide spazierten unverdrossen hinein. Das ganze Schloss war prachtvoll ausgeschmückt, und es gab einfach alles, was man sich nur wünschen mochte. Dieses Zauberschloss gehörte Fippchen Fäppchen.

Die Stiefmutter des Mädchens aber hatte sich mit einem tüchtigen Prügel aufgemacht. Sie wollte nach der entflohenen Tochter suchen. Windelweich wollte sie das Mädchen schlagen, weil sie einfach weggelaufen war. Nach einigen Tagen kam die Stiefmutter auch zum Zauberschloss und klopfte an. Kaum war sie eingetreten, wäre sie beinahe an Herzschlag gestorben. Denn sie war nicht darauf vorbereitet, dass ihr ungeliebtes Töchterlein in so prachtvoller Umgebung und in schönsten Kleidern vor sie trat.

Da verbarg die Stiefmutter den Prügel in einer Rockfalte und ließ ihn heimlich zu Boden sinken. Die Tochter aber nahm ihre Stiefmutter sehr freundlich auf und bewirtete sie auch gut. Und kaum war die Stiefmutter wieder daheim, lobte sie ihre Stieftochter jetzt über alle Maßen.

Das nahm sich die rechte Tochter sehr zu Herzen. Auch hatte die Mutter erzählt, wie die Stiefschwester zu ihrem Glück gekommen war. Da beschloss die rechte Tochter, jetzt auch wegzulaufen. Als sie in denselben Wald kam, ruhte sie sich aus und kochte einen Brei. Da kam das graue Männlein wieder und fragte: "Was kochst du da?" "Einen Brei", sagte sie.

Darauf sprach das Männlein: "Lass mich deinen Löffel abschlecken."

"Nein", sagte das Mädchen trotzig, "ich will ihn selbst ablecken." Dann setzte sie sich hin und aß den Brei ganz allein. Das Männlein setzte sich auch ans Feuer und sah ihr mürrisch zu. Als sie dann aber fertig war, packte das Männlein das Mädchen und zerriss sie in tausend Stücke. Dann nahm er alle Stücke und hängte sie in die Bäume.

Es war schon eine Zeit vergangen, da machte sich die Mutter wieder auf die Suche, um jetzt nach ihrer rechten Tochter zu suchen. Und sie glaubte fest daran, dass auch diese ihr Glück gefunden hätte. Als die Mutter aber zu der Stelle kam, wo ihre Tochter in Fetzen hing, dachte sie zunächst, die Tochter habe dort nur Wäsche aufgehängt. Doch was für ein Schrecken und welch ein Jammer trat ihr ins Gesicht, als sie das Geschehen erkannte. Die Mutter fiel ohnmächtig zu Boden, und niemand weiß, ob sie je wieder aufgestanden ist.