Flohzirkus

“Jeder ordentliche Zirkus hat natürlich auch wilde Tiere”, erzähle ich dem Publikum. “Sie sehen heute den berühmten Dompteur Michael Green, mit einer sehr schwierigen Dressurnummer. Da diese Nummer nicht nur schwierig, sondern zudem noch sehr gefährlich ist, muss ich die Zuschauer aus der ersten Reihe bitten, einen Meter nach hinten zu treten.”

Der Dompteur Michael Green betritt die Bühne. Er schaut das Publikum warnend an und holt dann ganz vorsichtig eine kleine Streichholzschachtel aus seiner Jackentasche. “Verehrtes Publikum, mir ist etwas gelungen, was bisher noch niemand geschafft hat. Ich habe eines der wildesten und bedrohlichsten Tiere gezähmt. Bei dieser Bestie handelt es sich um ... Flip, den Floh!” Ganz langsam zieht er die Schachtel auf.

Vorsichtig, damit der Floh nicht wegspringt, nimmt der Dompteur das winzige Tierchen zwischen Zeigefinger und Daumen und setzt es auf die Spitze des linken Zeigefingers. “So, Flip, jetzt springst du von diesem Finger zum Zeigefinger der rechten Hand. Eins, zwei, drei – und hopp!” Und in einem schönen Bogen folgen seine Augen dem Sprung des Flohs. “Gut gemacht, das war ein fantastischer Sprung! Und nun zurück.” Jetzt wandern die Augen des Tierzähmers auf die andere Seite. Beim nächsten Flug macht Flip sogar einen Salto in der Luft, und auch Michael Greens Kopf kreist in der Luft.

“Verehrtes Publikum, nun kommt ein besonders schwieriges und gefährliches Kunststück. Flip ist der einzige Floh, der es sicher beherrscht. Es ist ein doppelter Salto rückwärts, den wir lange Zeit üben mussten, bevor Flip ihn konnte.”

Der Dompteur atmet noch einmal tief durch. “Flip, Salto rückwärts, hopp!” – Nichts passiert. “Flip, komm schon, du darfst unser Publikum nicht enttäuschen.” Aber Flip weigert sich. “Er hat immer etwas Angst, weil er weiß, wie gefährlich der Sprung ist. Also Flip, nun mach schon, Salto rückwärts, hopp!”

Und wieder folgt Michael Green Flips waghalsigem Sprung mit den Augen. Eine Umdrehung, die zweite Umdrehung, und Landung... Doch Halt, wo ist Flip? Er ist nicht wieder auf dem Finger gelandet! “Flip, wo bist du?”, ruft der Tiertrainer aufgeregt. “Verehrtes Publikum, bitte rühren Sie sich nicht vom Fleck, bis ich ihn gefunden habe!” Der Dompteur sucht und sucht, und schließlich: “Ah, hier auf dem Kopf dieser Dame sitzt er ja!” Er platziert Flip wieder auf seinem Finger. “Los, Flip, zum Abschluss noch einen schönen Salto vorwärts.” Nichts passiert. “Flip, warum springst du nicht?” Michael Green nimmt eine Lupe zur Hand. “Aber das ist ja gar nicht Flip! Verehrte Dame, bitte entschuldigen Sie, dass ich Ihren Floh entwendet habe. Hier haben Sie ihn zurück!” Er setzt ihn zurück auf den Kopf. Der Dompteur verbeugt sich, das Publikum lacht und klatscht vor Begeisterung, und Michael Green verlässt, immer noch seinen Floh rufend, die Bühne.

Flöhe sind ja so klein, dass man sie mit bloßem Auge kaum sehen kann. In diesem Fall ist es besonders schwierig, da es nämlich in Wirklichkeit überhaupt keinen Floh gibt! Aber dadurch, dass der Dompteur den Bewegungen des Tieres mit den Augen und mit dem Kopf folgt, meint das Publikum, da würde tatsächlich ein kleiner Floh durch die Luft springen.