Der Wind in den Weiden

  • Autor: Grahame, Kenneth

Kapitel 1 - Der Fluss

Den ganzen Vormittag hatte der Maulwurf in seinem kleinen Heim schwer geschuftet. Zuerst hat er mit Besen und Staubwedel seinen Frühjahrsputz erledigt. Danach war er mit einem Pinsel und einem Eimer weißer Farbe auf Leitern und Stühlen hin und her geklettert, um die Wände zu tünchen. Seine Kehle war verstaubt und in seinem schwarzen Pelz trockneten weiße Farbreste, der Rücken schmerzte und seine Arme waren schwer wie Blei. Der Frühling rumorte in der Luft und in der Erde und er rückte bis in sein dunkles genügsames Heim vor.

So war es nicht weiter verwunderlich, dass er plötzlich den Pinsel auf den Boden schleuderte und "So ein Schwachsinn!" rief, und danach: "Zum Henker mit dem Frühjahrsputz!" Der Maulwurf rannte aus dem Haus, ohne an einen warmen Mantel zu denken.

Etwas da oben verlangte nach ihm und er rannte durch den steilen, engen Tunnel. Er musste kratzen und scharren, kriechen und graben, sich drehen und wenden und kratzte mit seinen kleinen Klauen so lange, bis seine Schnauze in den Sonnenschein ragte. Und schon wälzte der Maulwurf sich im lauen Gras einer großartigen Wiese.

Das ist sehr gut, überlegte der Maulwurf. Es ist jedenfalls besser, als Tünchen. Die Sonne brannte ihm auf den Pelz, laue Frühlingsluft wedelte um seine glühende Stirn und nachdem er so lange Zeit unter der Erde verbracht hatte, mutete ihm das lustige Gezwitscher der Vögel fast wie Geschrei an, in seinen empfindlichen Ohren.

Voller Lebenslust, und weil ein Frühling ohne Hausputz noch viel amüsanter schien, sprang der Maulwurf mit allen vier Beinen gleichzeitig in die Luft. Dann kobolzte er quer über die Wiese, bis zur Hecke am anderen Ende.

Ein nicht mehr ganz junges Kaninchen rief: "Keinen Schritt weiter!" Es stand an der Heckenlücke und verlangte tatsächlich sechs Cent für das Begehen dieser Privatstraße. Doch der ungeduldige Maulwurf hatte es schon über den Haufen gerannt. Er lief an der Hecke entlang weiter und verscheuchte die anderen Karnickel, die aus ihren Löchern lugten, um zu sehen, welchen Grund es für diesen Wirrwarr gäbe.

"Quark mit Soße!", rief er vergnügt und war an ihnen vorbeigerannt, ohne dass einer von ihnen ihn hätte belehren können. Deshalb stritten sie miteinander. "Du bist so blöde! Weshalb hast du ihm nicht gleich gesagt …!"

"Na und? Weshalb hast du nicht …?"

"Du hättest ihn wirklich festhalten können …!" So machten sie sich gegenseitig Vorwürfe, die - wie es in solchen Fällen üblich ist - natürlich zu spät kamen. Der Maulwurf war nämlich bereits über alle Berge.

Er fühlte sich ungeheuerlich gut, streifte vor Glück über die Wiesen und unter den Hecken entlang, durchs Unterholz und erblickte überall Vögel beim Nestbau, junge Blütentriebe und grüne Büsche, deren Blätter sich sanft im Wind bewegten - alle hatten viel zu tun, damit aus ihnen was wurde.

Doch statt dass ihm sein schlechtes Gewissen "Wände tünchen" zugerufen hätte, frohlockte er, der einzige Faulpelz zwischen diesen fleißigen Tieren zu sein. Vermutlich ist während der Ferien nicht das Nichtstun der größte Spaß, nein, das anderen Leuten beim Schuften zusehen mag noch viel spaßiger sein.

Sein Glück schien vollkommen, als er nach einer Weile ziellosen Umherstreifens plötzlich vor einem Fluss stand, der reichlich Wasser führte. Der Maulwurf hatte noch nie zuvor einen Fluss gesehen - so ein glattes, gebogenes, starkes Geschöpf, das zischelte und tuschelte, das Dinge kichernd ergriff, um sie lachend wieder loszulassen, das sich auf neue Gebilde stürzte, die sich freischüttelten, um wieder gefangen zu werden. Alles plätscherte, floss, gurgelte und schäumte. Der Maulwurf war bezaubert und völlig angetan. Er bummelte entlang des Flusses, bis er müde wurde. Erschöpft setzte er sich nieder, während der Fluss weiterblubberte.


Kapitel 2 - Die Ratte

Der Maulwurf saß im Grase und blickte über den Fluss. Da fiel sein Blick auf ein dunkles Loch am anderen Ufer, gerade oberhalb der Wasserfläche. Er verweilte in Träumen über ein behagliches Leben mit genügsamen Ansprüchen, einem Dasein in einem Haus am Fluss, gerade weit genug von der Hochwassergrenze entfernt und fern ab von Abfall und Getöse.

Während er auf das dunkle Loch starrte, blitzte etwas Helles auf, verschwand wieder, um noch einmal aufzufunkeln, wie ein kleiner Stern. Allerdings war es undenkbar, an einem solchen Ort einen Stern anzutreffen, jedoch war das glitzernde Etwas zu klein für ein Glühwürmchen. Er blickte noch einmal zu dem Loch, das ihm erstaunlicherweise zuzwinkerte und er glaubte, ein Auge erkennen zu können. Mehr noch, um das Auge herum formte sich nach und nach ein Gesicht, wie ein Rahmen um ein Bild.

Ihm stand ein braunes, kleines Gesicht mit einem Schnurrbart gegenüber, das ihm mit ernsthaftem Blick entgegenzwinkerte. Es hatte putzige hübsche Ohren und einen dichten Pelz. Eine Wasserratte!

Die beiden Tiere standen sich gegenüber und beäugten sich neugierig.

"Hallo Maulwurf!", sagte die Wasserratte.

"Hallo Ratte", entgegnete der Maulwurf.

"Möchtest du zu mir herüberkommen?", fragte die Ratte.

"Och, reden wir erst einmal miteinander", erwiderte der Maulwurf ein wenig unsicher. Ihm war das alles nicht ganz geheuer, weil er den Fluss nicht kannte und nicht wusste, wie man sich dort benimmt.

Die Ratte antwortete nicht, beugte sich lediglich nach vorne und entknotete ein Seil, um es einzuholen. Leichtfüßig bestieg es daraufhin ein kleines Boot, das der Maulwurf bisher noch nicht entdeckt hatte. Es war außen blau und innen weiß und hatte gerade genug Platz für zwei Tiere. Der Maulwurf war sofort vernarrt in das Boot, obwohl er gar nicht genau wusste, wozu so ein Ding diente.

Geschickt ruderte die Ratte herüber und band das Boot fest. Der Maulwurf trippelte nervös die Uferböschung hinunter. Die Ratte hielt ihm ihre ausgestreckte Vorderpfote entgegen und sagte: "Stütz dich drauf!" Begeistert saß der Maulwurf kurz darauf auf der Hinterbank eines echten Bootes.

"Dies war ein himmlischer Tag!", erzählte er. Die Ratte stieß das Boot ab und begann zu rudern. "Ich hab noch nie in einem Boot gesessen."

"Was?!", rief die Ratte und starrte den Maulwurf mit geöffnetem Mund an. "Du hast noch nie …, du bist noch nie in einem … - aber was hast du dann immer gemacht?"

"Ist alles so schön wie das hier?", fragte der Maulwurf schüchtern, obgleich er es nur zu gern glauben wollte, während er sich auf der Hinterbank zurücklehnte und die Kissen beäugte, die Ruder und das interessante Zubehör und wie er dabei spürte, dass das Boot sich unter ihm schaukelnd bewegte.

"Schön? Es gibt nichts Besseres", antwortete die Wasserratte bedeutungsvoll und ruderte weiter. "Du kannst mir glauben, mein lieber Freund, nichts auf der Welt ist auch nur halb so abenteuerlich, wie mit Booten herumzugondeln", fuhr die Ratte schwärmerisch fort.

"Achtung, Ratte!", schrie der Maulwurf auf. Doch es war bereits zu spät und das Boot prallte voll ans Ufer. Der Träumer, der fidele Paddler, lag rücklings auf dem Bootsboden und streckte alle vier Beine gen Himmel.

"Im Boot oder mit dem Boot", plapperte die Ratte weiter, während sie sich aufrappelte und lachte. "Ob drinnen oder draußen, das ist egal - oder vielleicht besser: reizvoll. Ob du dich treiben lässt und dein Ziel erreichst, auch wenn du es nicht erreichst und ganz woanders ankommst, oder wenn du nirgends ankommst - du bist immer beschäftigt ohne je etwas Besonderes zu tun. Und wenn du Lust hast, gehst du weiter, manchmal lässt du es bleiben - gerade wie es dir beliebt. Und wenn du heute nichts Besseres zu tun hast, dann lassen wir uns den Fluss runtertreiben, paddeln ein wenig und genießen diesen schönen Tag. Magst du?"

Glücklich wackelte der Maulwurf mit den Zehen. Er atmete tief ein, lehnte sich genüsslich in die kuschligen Kissen und sagte zufrieden: "Oh doch. Es ist ein herrlicher Tag. Wir wollen gleich losfahren!"

"Einen Moment noch", sagte die Ratte und kletterte in ihr Loch. Kurze Zeit später tauchte sie, schwankend unter einem lecker gefüllten Picknickkorb, wieder auf. "Schieb den unter die Bank", befahl sie dem Maulwurf, entknotete die Leine und ergriff die Ruder.

Der Maulwurf zappelte rum und fragte neugierig, was denn in dem Korb drin sei. Die Ratte antwortete kurz angebunden: "Kaltes Huhn, Kaltesalamikalterbratengürkchensandwichbrötcheneingelegtesfleischkirschsaftzitronenlimonadesprudelwasser …"

"Stopp. Das ist doch viel zu viel!", rief der Maulwurf inbrünstig.

"Denkst du?", wunderte sich die Ratte. "Es ist nicht mehr, als ich sonst auf solch kleine Vergnügungsreisen mitnehme. Und die anderen Tiere werfen mir jedesmal vor, ich sei ein Geizkragen …"

Der Maulwurf hörte nicht mehr zu. Die Eindrücke dieses neuen Lebensgefühls ließen ihn in eine andere Welt abtauchen. Betört und aufgewühlt nahm er das Glitzern und Rauschen des Wassers in sich auf, die Gerüche, die Klänge und das Sonnenlicht. In liebliche Tagträume versunken, ließ er eine Pfote ins Wasser baumeln.

Und weil die Wasserratte ein feinfühliges Tier war, paddelte sie weiter und störte ihren Fahrgast nicht. "Dein Anzug gefällt mir, guter Freund", sagte sie nach ungefähr einer halben Stunde, "so einen schwarzen Frack werde ich mir auch nähen lassen, wenn mein Geld dazu ausreicht."

"Entschuldige", sagte der Maulwurf, "du musst mich für mehr als unhöflich halten, doch hier ist alles so neu für mich. Dies ist also ein Fluss!"

"Der Fluss", berichtigte die Ratte.

"Du lebst wirklich hier am Fluss? Welch amüsantes Dasein!"

"Ja! Ich lebe an ihm und mit ihm und auf ihm und in ihm", erwiderte die Ratte, "der Fluss ist mir Bruder und Schwester, Tante und Gesellschaft, Essen und Trinken und natürlich meine Waschgelegenheit. Ich wünsche mir nichts anderes. Was er mir nicht bieten kann, das will ich nicht haben. Und was er nicht weiß, das muss ich auch nicht wissen. Oh Gott! Was wir schon zusammen überstanden haben! Zu jeder Jahreszeit sorgt er für Wonne und Spaß.

Im Februar, wenn die Flut kommt und meine Keller zum Überlaufen bringt, mit einem Nass, das so braun ist, dass ich es nicht trinken kann. Und wenn diese braune Brühe an meinem edlen Schlafgemach vorbeiblubbert oder wenn es wieder sinkt und Lehmklumpen zurücklässt, die wie Pflaumenpudding riechen, und wenn die Gräser und Kräuter alle Gräben überwuchern, so dass ich beinahe trockenen Fußes über die Polster gehen kann, um mir Frischfutter zu holen - all die Dinge, die achtlose Leute aus ihren Booten fallen lassen!"

"Ist das nicht manchmal langweilig", warf der Maulwurf ein, "nur du, der Fluss und niemand sonst mit dem man Reden könnte!"

"Niemand - na ja, du hast ja wirklich keine Ahnung", meinte die Ratte geduldig. "Man lebt hier so gedrängt beieinander, dass manche von ihnen schon wieder ans wegziehen denken. Es ist nicht mehr so wie früher. Wirklich nicht. Fischotter, Reiher, Enten, Moorhühner und wie sie alle heißen, sind den ganzen Tag unterwegs und immer bestrebt, dass man selbst etwas unternimmt - als ob man nicht so schon genug zu tun hätte."

"Und was ist dort drüben?", fragte der Maulwurf und zeigte mit seiner Pfote dahin, wo ein bewaldeter Hintergrund die sumpfigen Wiesen auf der anderen Flussseite einrahmte."

"Das? Och, das ist der Wilde Wald", antwortete die Ratte knapp, "das ist keine gute Gegend für uns Uferbewohner."

"Weshalb - wohnen dort keine netten Leute?", fragte der Maulwurf unsicher.

"Tja", überlegte die Ratte laut, "die Eichhörnchen sind eigentlich ganz nett. Und die Karnickel eigentlich auch, zumindest manche, Kaninchen sind ziemlich verschieden. Und dann wohnt mittendrin auch noch der Dachs. Den lassen alle in Ruhe; was auch ratsam ist", fügte die Ratte noch bedeutungsvoll hinzu.

"Weshalb? Wer sollte mit ihm was anfangen?", fragte der Maulwurf verwundert.

"Nun ja, es leben ja noch andere Tiere im Wald. Wiesel, Hermeline und Füchse und so weiter. Die sind eigentlich schon in Ordnung … Mit den meisten bin ich ganz gut befreundet - dennoch werden sie manchmal ein wenig komisch und dann - na ja, wirklich trauen würde ich ihnen dann nicht. So ist das nun mal.", erklärte die Ratte.

"Und was liegt hinter dem Wilden Wald?", fragte der Maulwurf wissensdurstig.

"Da - ja, da liegt die weite Welt", erwiderte die Ratte, "und die geht uns nichts an. Dich nicht und mich nicht. Da war ich noch nie, da will ich auch nicht hin und wenn du einigermaßen bei Verstand bist, dann willst du da auch nicht hin. Sprich bitte nie mehr davon. So! Hier ist endlich unser kleiner Stausee. Jetzt gibt es gleich Mittagessen."

Sie trieben aus der Strömung heraus in ein stilles Wasser, das ein kleiner künstlicher See zu sein schien. Die grüne Uferböschung neigte sich ihm zu, glänzende Baumwurzeln fanden sich dicht unter der Wasseroberfläche, vor ihnen erfüllte das Rauschen eines Wasserfalls die Stille. Am Rande stand ein Mühlenhaus mit einem klappernden Mühlenrad, das die Luft mit eintönigem Tropfgeräusch erfüllte. Überwältigt streckte der Maulwurf seine Vorderpfoten in die Höhe und rief: "Oh mein Gott!"



Kapitel 3 - Ein Picknick

Die Ratte legte am Ufer an, vertäute das Boot und half dem ungelenken Maulwurf an Land. Auch den Picknickkorb vergaßen sie nicht mitzunehmen. Der Maulwurf bat, ihn alleine auspacken zu dürfen. Die Wasserratte erlaubte ihm das gnädiger weise und ruhte sich sogleich auf dem Gras aus.

Sein aufgeregter Begleiter breitete die Decke aus, holte ein rätselhaftes Paket nach dem anderen aus dem Korb, stellte es in fachmännischer Anordnung auf und rief begeistert: "Du meine Güte! Meine Güte!", wenn er wieder etwas Neues entdeckt hatte.

Als alles aufgetischt war, sagte die Wasserratte: "So, alter Freund, greif zu!"

Das tat der Maulwurf nur zu gerne, denn er hatte an diesem Tage schon zeitig mit seinem Hausputz begonnen und noch keine Zeit gehabt, ein ordentliches Frühstück zu sich zu nehmen. Außerdem war der Tag bis zum jetzigen Zeitpunkt recht aufregend gewesen.

Als sie den ersten Hunger gestillt hatten, fragte die Ratte: "Was starrst du denn so aufs Wasser?"

"Siehst du dort die Luftblasen, eine ganze Kette davon bewegt sich übers Wasser. Das kommt mir so seltsam vor", erwiderte der Maulwurf.

"Luftblasen? Oho!", antwortete die Wasserratte erheitert und schnalzte mit der Zunge. Und schon spitzte eine breite, glänzende Schnauze über die Böschung und der Fischotter hievte sich auf die Wiese und schüttelte seinen Pelz vom Wasser frei.

"Fressgierige Geizhälse!", maulte er, und fiel übers Picknick her. "Weshalb hast du mich nicht eingeladen, mein Rattenschätzchen?"

"Oh, das hier war kein geplanter Ausflug", rechtfertigte sich die Wasserratte, "und übrigens, darf ich vorstellen - mein Freund, Herr Maulwurf."

"Hm, sehr schön, sehr schön", meinte der Otter und von dieser Stunde an waren sie die innigsten Freunde.

"Überall ist so ein Gedränge!", erklärte der Otter, "heute scheint aber auch jeder unterwegs zu sein. So bin ich hierher zum See gekommen, um mir ein wenig Ruhe zu gönnen … und wen treffe ich - euch! Entschuldigt, das meine ich nicht so, ihr wisst schon!"

Hinter ihnen zischelte etwas und dann stieß aus der Hecke, in der noch das welke Blattwerk vom Vorjahr hing, ein gestreifter Kopf, der auf massigen Schultern saß, zu ihnen. "Komm heraus, du alter Dachs!", rief die Wasserratte.

Der Dachs trat ihnen ein oder zwei Schritte entgegen und grunzte: Hm, hm! Eine Gesellschaft!" Damit drehte er sich um und verschwand wieder in der Hecke.

"Typisch", maulte die Ratte enttäuscht, "er mag Gesellschaften nicht leiden. Für heute kommt er nicht mehr raus. Aber erzähl doch mal, wer alles auf dem Fluss weilt?"

Der Otter erzählte schmunzelnd den neuesten Tratsch. "Also, da ist zuerst mal der Kröterich mit seinem nagelneuen Rennboot, seinen neuen Ruderklamotten - total geschniegelt!"

Die beiden Tiere sahen sich an und lachten herzhaft. "Früher dachte er nur ans Segeln", erzählte die Ratte, "dann, kaufte er ein Kanu und er tat nichts anderes mehr, als Tag und Nacht zu rudern. Und angegeben hat er, dass es kaum auszuhalten war. Im letzten Jahr kaufte er ein Hausboot und wir mussten ihm alle einen Besuch abstatten und so tun, als ob wir total begeistert wären. Damals - da wollte er sein restliches Leben auf jeden Fall in einem Hausboot verbringen. Es ist immer das gleiche mit ihm … Er beginnt etwas, und wenn es ihn langweilt, dann hechtet er in neue Ideen und Abenteuer."

"Dabei ist er ein netter Kerl", sagte der Fischotter gedankenvoll, "doch nie in Harmonie mit sich - schon gar nicht in einem Boot." Sie blickten über die Landzunge auf den Fluss hinaus. Just in diesem Moment kam ein Rennboot in Sicht. Der Ruderer war von gedrungener, kleiner Statur und spritzte wild um sich, schwankte bedenklich, paddelte aber mit aller Kraft.

Die Ratte erhob sich und rief auf den Fluss hinaus, doch der Kröterich, denn es war niemand anderer als er, schüttelte verbissen den Kopf, um sich weiter abzumühen. "Wenn er so weiterrudert, wird er kentern", murmelte die Ratte, während sie sich wieder setzte.

"Und ob", kicherte der Otter, "kennt Ihr schon die unterhaltsame Geschichte vom Kröterich und dem Schleusenwärter? Also, die Kröte …"

Über der Strömung schwirrte eine Eintagsfliege … ein Wasserwirbel, ein Schnappen und die Eintagsfliege war weg. Der Otter auch.

Verdattert blickte der Maulwurf nach unten. Der Platz, von dem er bis vor wenigen Sekunden noch die Stimme gehört hatte, war leer. Und weit und breit war kein Fischotter mehr zu sehen. Lediglich die Luftblasenkette bewegte sich wieder auf der Oberfläche des Wassers.

Die Ratte summte ein Lied und der Maulwurf, der nicht unhöflich sein wollte, schwieg sich über das unerwartete Entschwinden seines neuen Freundes aus.

"Nun ja", sagte die Wasserratte, "ich denke, wir sollten ebenfalls aufbrechen. Gerade habe ich überlegt, wer von uns nun alles einpacken soll?" Er stellte diese Frage genau so, dass der Maulwurf merken musste, dass er eigentlich keine Lust hatte, aufzuräumen.

"Bitte, lass mich das machen", bat der Maulwurf inständig, was die Ratte natürlich nur zu gerne erlaubte. Nun ja, einen Picknickkorb einzupacken ist nicht so kurzweilig, wie ihn auszupacken - das ist wohl normal. Doch der Maulwurf war fest entschlossen, alles toll zu finden.

Als er den Korb fest verschnürt hatte, blinkte ihm aus dem Gras noch ein Teller entgegen. Als er diesen endlich eingepackt hatte, zeigte die Ratte auf eine Gabel, die eigentlich ein Blinder hätte erkennen müssen, und - oh je! - der Senftopf, der ihm als Sitzgelegenheit gedient hatte, stand auch noch da. Aber er verlor kaum die Geduld und schaffte es irgendwie, doch noch alles in den Korb zu stopfen.



Kapitel 4 - Der Maulwurf lernt schwimmen

Als die Ratte heimwärts ruderte, stand die Nachmittagssonne bereits ziemlich tief. In Träume versunken murmelte sie selbstverfasste Gedichte vor sich hin, wobei sie den Maulwurf kaum beachtete.

Doch der Maulwurf fühlte sich satt vom üppigen Essen, stolz und selbstzufrieden und fühlte sich auf dem Boot bereits wie zu Hause. Nach einer Weile wurde er zappelig und fragte: "Bitte, liebe Ratte, lass mich auch einmal rudern!"

Die Wasserratte schüttelte mild lächelnd den Kopf. "Nein, nicht jetzt, Kumpel", antwortete er, "vorher musst du einige Unterrichtsstunden nehmen. Rudern ist nicht so einfach wie man glaubt."

Die nächsten Minuten war der Maulwurf zwar still, doch sein Neid auf die Ratte und ihre Ruderkünste wurde immer größer. Plötzlich holte ihn Selbstgefälligkeit ein und er sprang ruckartig auf, um die Ruder an sich zu nehmen. Die Ratte, die immer noch Gedichte summend vor sich hingeträumt hatte, kippte überrascht vom Sitz und blieb auf dem Rücken liegen, alle Viere in die Luft streckend.

Der siegessichere Maulwurf nahm zuversichtlich ihren Platz ein und griff noch zuversichtlicher an die Ruder.

"Du Blödmann!", schimpfte die Ratte vom Bootsboden herauf. "Du kannst doch noch gar nicht richtig rudern. Wir werden kentern!"

Triumphierend schwang der Maulwurf die Ruder ruckartig nach hinten, um sie tief ins Wasser zu graben. Doch er verfehlte die Wasseroberfläche um Längen, der Schwung ließ ihn das Gleichgewicht verlieren, und er kippte rücklings auf die wehrlose Ratte. Der Maulwurf erschrak zu Tode, versuchte noch, sich am Bootsrand festzuklammern, doch im nächsten Moment - Schwupps!

Das Boot kenterte und er fand sich im Fluss wieder. Das Wasser war eiskalt und fühlte sich widerlich nass an. Es blubberte in seinen Ohren, als er immer weiter abwärts sank … immer weiter abwärts! Als er wieder an die Oberfläche schnellte, fiel greller Sonnenschein auf sein Haupt und er hustete und prustete und keuchte.

Verzweifelt spürte er, dass er wieder unterging. Just in diesem Moment packte ihn eine energische Pfote am Nacken. Es war die Wasserratte - und sie lachte. Nicht dass der Maulwurf es hören konnte, nein, aber das Gelächter vibrierte über ihre Pfote entlang zu den Krallen, bis es den Maulwurf im Genick kribbelte.

Die Ratte nahm ein Ruder, schob es dem Maulwurf unter den Arm, dasselbe machte er auf der anderen Seite. Hinter ihm herschwimmend schob sie den hilflosen Maulwurf in Richtung Ufer, und zog ihn an Land. Wie ein modriges Häuflein Elend ließ sich der Maulwurf ins Gras plumpsen.

Nachdem die Wasserratte ihn ein wenig trockengerubbelt hatte, sagte sie: "Los, alter Kumpel! Lauf den Pfad auf und ab, so schnell du kannst. Dann fühlst du dich bald wieder trocken und warm. Ich selbst will währenddessen nach dem Picknickkorb tauchen."

Der Maulwurf watete patschnass, traurig und zutiefst beschämt hin und her, bis sein Fell beinahe trocken war. Die Ratte stürzte sich inzwischen ins Wasser, zog das Boot an Land, vertäute es, fischte die herumtreibenden Besitztümer heraus und tauchte schlussendlich nach dem Picknickkorb, um ihn mit größter Anstrengung ans Ufer zu hieven.

Als wieder alles zum Aufbruch bereit war, begab sich der Maulwurf betreten und kleinlaut auf seine hintere Sitzbank und flüsterte mit fast gebrochenem Stimmchen: "Rattenschätzchen, mein lieber Freund! Mein törichtes und undankbares Benehmen tut mir wirklich leid. Vor Beschämung möchte ich am liebsten im Boden versinken; und hätten wir den wundervollen Picknickkorb verloren, dann wäre mir das Herz gebrochen. Ich war wirklich ein Dummkopf, ja, das weiß ich jetzt. Kannst du mir noch einmal verzeihen, damit wir noch einmal neu anfangen können?"

"Ach je, das geht schon in Ordnung. Gott segne dich", antwortete die Ratte fidel. "Was ist schon so ein bisschen Nässe für eine Wasserratte. Ich verbringe sowieso die meiste Zeit im Wasser und nicht draußen. Denk nicht mehr dran! Und jetzt, kommst du am besten mit zu mir. Bei mir ist es zwar einfach - nicht so pompös wie beim Kröterich - aber es ist gemütlich. Und ich kann dich das Paddeln und das Schwimmen lehren, und bald wird dir das Wasser bald ebenso alltäglich erscheinen wie uns anderen."

Von diesem freundlichen Angebot war der Maulwurf so gerührt, dass er keinen Ton mehr herausbrachte und er sich mit der Pfote sogar einige Tränen abwischen musste, die ihm übers Gesicht kullerten. Feinfühlig blickte die Ratte zur Seite, bis nach einem Weilchen die Lebensgeister des Maulwurfs wieder erwachten und er beherzt genug eine Schar Moorhühner zurechtwies, die ihm wegen seines verstrubbelten Aussehens einige Widerworte entgegenriefen.

Zuhause angekommen, schürte die Ratte ein ordentliches Feuer im Wohnraum. Dem Maulwurf legte sie Pyjama und Hausschuhe an und setzte ihn in einen Sessel vor dem Kamin. Bis die Zeit fürs Abendbrot gekommen war, erzählte die Ratte Geschichten vom Fluss, denen der Maulwurf gespannt lauschte.

In den Geschichten kamen Dämme vor und unerwartete Springfluten; sie handelten von Hechten, die springen konnten, von Fischreihern, die eingebildet waren und von Begebenheiten in Abflussrohren und von nächtlichen Streifzügen mit Fischottern oder Forschungsreisen mit dem Dachs in Feld, Wald und Wiesen.

Es war ein vergnügliches Abendessen, doch kurz danach musste der freundliche Hausherr den völlig übermüdeten Maulwurf die Stiege hinaufbringen. In der behaglichen Schlafstube ließ der Maulwurf seinen Kopf sogleich aufs Kissen sinken. Er wusste ja, dass der Fluss, sein neuer Freund, vor dem Fenster vorbeiplätscherte und über ihn wachte.

Auf diesen ersten Tag folgte noch eine Reihe ähnlicher Tage für den Maulwurf. Einer unterhaltsamer und spannender als der andere, denn der Sommer ging langsam seinem Höhepunkt entgegen. Tatsächlich lernte der Maulwurf rudern und schwimmen und all die anderen Dinge, die einen das Wasser genießen lassen. Und manchmal, wenn er sein Ohr an die Schilfrohre legte, konnte er verstehen, was der Wind ihnen zuflüsterte, wenn er sie rascheln ließ.



Kapitel 5 - Die Landstraße

"Rattenschätzchen", sagte der Maulwurf an einem schönen Sommermorgen, "darf ich dich um einen Gefallen bitten?"

Ein kleines Liedchen pfeifend, saß die Ratte am Flussufer. Er hatte es gerade komponiert und war so damit beschäftigt, dass er sich weder um den Maulwurf noch um sonst jemanden kümmern konnte. Seit dem Morgengrauen war er in Gesellschaft der Enten im Fluss geschwommen. Wenn sie, wie sie es häufig machen, ihre Köpfe ins Wasser streckten, tauchte er unter und kitzelte seine Freunde am Hals; gerade unterhalb des Kinns. Jedoch kann man bei Enten nicht von einem Kinn sprechen. Dann tauchten sie sofort wieder auf, schnatternd und prustend jagten sie ihm nach, schlugen mit ihren Flügeln nach ihm, denn unter Wasser können sie ja unmöglich sagen, was sie fühlen. Sie flehten ihn an, abzuhauen, sich um seine eigenen Angelegenheiten zu kümmern und sie in Ruhe zu lassen. Da war die Ratte davon geschwommen. Sie hatte sich am Flussufer in die Sonne gelegt und ein geringschätziges Lied über die Enten erfunden. Er nannte es einfach Entengesang.

Der Maulwurf hörte sich dieses kleine Lied kritisch an und meinte dann vorsichtig: "Hmm, ich weiß nicht, ob mir das gefallen soll, Ratte". Natürlich war er selbst kein Dichter und sagte das auch. "Die Enten mögen mein Lied auch nicht leiden", sagte die Ratte verschmitzt. "Warum Leute wie ich am Ufer hocken und sie beobachten und Gedichte darüber machen, fragten sie. Dies sei ja glatter Unsinn! Das behaupten die Enten."

"Da haben sie wohl Recht", sagte der Maulwurf überzeugt.

"Gar nicht", rief die Ratte entsetzt.

Der Maulwurf lenkte schnell ein. "Wollten wir nicht Herrn Kröte einen Besuch abstatten?", fragte er. "Nun habe ich schon so viel von ihm gehört, dass ich ihn endlich gerne kennen lernen wollte."

Die sanftmütige Ratte hüpfte auf, rief "ja klar", und nahm für heute Abschied von der hohen Kunst der Dichtung. Sie holten das Boot und paddelten sofort hinüber. Den Kröterich könne man zu jeder Zeit besuchen, wusste die Ratte. "Ob morgens oder abends, der Kröterich ist immer gut gelaunt, fröhlich wenn man kommt und traurig, wenn man wieder geht", sagte sie.

"Ein nettes Tier", bemerkte der Maulwurf. Dann stieg er ins Boot, nahm die Ruder, wartete bis die Ratte auf dem Gästesitz saß und ruderte los. "Herr Kröte ist wirklich der Beste aller Tiere", entgegnete die Ratte, "lieb und sensibel. Na ja, er ist nicht der Gescheiteste, aber es kann ja nicht nur Genies geben. Ein wenig großspurig ist er manchmal. Aber er hat wirklich viele gute Seiten."

Als sie um die Flussbiegung kamen, ruderten sie einem würdigen alten Haus entgegen. Errichtet aus verwitterten roten Ziegelsteinen und umgeben von sauber gepflegten Rasenflächen, bis hin zum Ufer.

"Hier siehst du Krötenhall", sagte die Ratte, "wir müssen den Bach entlang, an dem Schild PRIVAT, ANLEGEN VERBOTEN vorbei. So kommen wir zum Bootshaus, wo wir auch festmachen. Rechts liegen die Stallungen. Und hier siehst du den Festsaal; der ist sehr alt. Herr Kröte ist ziemlich reich. Er besitzt eines der schönsten Landhäuser dieser Gegend. Das würden wir vor ihm niemals zugeben, versteht sich.

Sie glitten also in die Bachmündung, der Maulwurf zog die Ruder ein, damit sie unter dem großen Bootshaus anlegen konnten. Innen lagen viele Boote, die entweder festgebunden waren oder an Land lagen. Im Wasser war kein Einziges; der Ort wirkte verlassen.

Die Ratte blickte sich um. "Ah, ich verstehe, Boote sind nicht mehr in Mode", sagte sie, "bin mal gespannt, was sich Kröterich jetzt zugelegt hat. Doch wir werden von der neuen Verrücktheit bald genug erfahren."

Maulwurf und Ratte stiegen aus und machten sich auf den Weg, Kröterich zu suchen. Sie gingen über den farbenfrohen, mit Blumen übersäten Rasen. Bald schon entdeckten sie Herrn Kröte im Korbstuhl, ganz in die Betrachtung einer großen Landkarte versunken.

Mit einem freudigen "Hurra" begrüßte er seine Gäste. Er sprang auf und rief überschwänglich: "Das ist ja super!" Kröterich schüttelte Beiden die Pfote, ohne darauf zu warten, dem Maulwurf vorgestellt zu werden. "Gerade wollte ich euch eine Nachricht schicken lassen, dass ihr mich besucht. Ich brauche euch dringend", rief Kröterich aufgeregt. "Ihr ahnt ja nicht, was es mir bedeutet, dass ihr hier seid. Darf ich euch etwas anbieten?", fragte er und ging den Gästen voran ins Haus.

"Nun lass uns doch erst einmal gemütlich sitzen, Kröterich", verlangte die Ratte. Sie plumpste in den Lehnstuhl, während der Maulwurf eine höfliche Bemerkung über den "wundervollen Landsitz" machte und sich ebenfalls in einen Lehnstuhl setzte.

Kröterich konnte es sich nicht verkneifen, einige angeberische Sprüche loszulassen. "Es ist das tollste Haus am Flussufer", prahlte er, "oder vielleicht überhaupt das schönste Anwesen weit und breit!"

Die Ratte kniff den Maulwurf in die Hüften. Just in diesem Moment blickte Kröterich auf. Ein kurzer Augenblick des Schweigens - dann brachen alle in lautes Gelächter aus.

"Nun wollen wir aber vernünftig miteinander reden", sagte Kröterich. "Ihr seid genau die Richtigen für mich. Ihr müsst mir unbedingt helfen." Die Ratte fragte, ob es wieder mal ums Rudern ginge. Sie riet dem Kröterich, noch ein wenig zu üben, damit er nicht so viel Wasser mit dem Ruder schaufelte, dann würde das schon gut werden.

"Aber nein, Rudern!", rief Kröterich, "das mache ich schon lange nicht mehr. Ich halte das für blanke Zeitverschwendung. Wie könnt Ihr Burschen nur eure ganze Kraft in diese nutzlose Beschäftigung stecken. Ich habe das einzig Richtige entdeckt … eine Arbeit fürs Leben. Ihr will ich den Rest meiner Tage widmen. Schluss mit der Zeitvergeudung!", rief er aus. "Komm mit mir, Ratte und du auch lieber Freund", sagte er, "im Hof werdet ihr die Neuigkeit sehen".



Kapitel 6 - Sattelplatz

Der Kröterich führte seine Gäste zum Hof. Misstrauisch folgte die Ratte ihm. Zwischen den Stallungen sahen sie einen Zigeunerwagen. Er war kanariengelb angepinselt, grün abgesetzt und hatte knallrote Räder. Mit stolzgeschwellter Brust stand Kröterich mit gespreizten Beinen vor ihnen. "Das ist das wahre Leben, Freunde. Mit diesem Karren auf offener Landstraße unterwegs über die Heide, die Gemeindewiese, Zeltlager, Dörfer bis in die Großstädte! Heute hier, morgen woanders! Aufregung, Abenteuer, Reise… Die Welt liegt euch zu Füßen", rief er begeistert. "Ihr seht hier ausnahmslos den besten Wagen, der je gebaut wurde. Kommt herein und seht. Alles selbst entworfen, ehrlich!"

Voller Begeisterung folgte der Maulwurf dem Kröterich die schmalen Treppen hinauf ins Wageninnere. Die Ratte hingegen schnaubte nur, blieb bockig stehen und steckte ihre Pfoten in die Jackentasche.

Der Karren war gemütlich eingerichtet. Kleine Schlafplätze, ein winziger Klapptisch, ein Ofen, Bücherregale, ein Vogel in einem Käfig und Töpfe, Pfannen, Gläser und verschiedene Kessel. Es war alles da, Kekse, Hummer, Sardinen, Wasser und Tabak, Briefpapier, Marmelade, Spiele … "Ihr werdet sehen, ich habe nichts vergessen", sagte Kröterich stolz, "wir können getrost heute Mittag losfahren."

"Wie war das", fragte die Ratte nach. Sie kaute gerade an einem Strohhalm. "Habe ich da richtig gehört - du hast heute Nachmittag gesagt?"

"Aber Ratte, guter alter Freund", sagte Kröterich vorwurfsvoll, "du willst doch nicht kleinlich werden, oder? Ihr müsst einfach mitkommen; ohne euch schaffe ich es nicht. Also gut, dann wäre das jetzt geregelt. Streit könnte ich nämlich nicht ertragen. Außerdem wirst du wohl nicht den Rest deines Lebens an diesem jämmerlich stinkenden Flussufer zubringen wollen oder gar in deinem Boot. Ich werde dir die Welt zeigen. Aus dir soll ein richtiges Tier werden, alter Junge!"

"Ist mir doch egal", maulte die Ratte, "ich komme jedenfalls nicht mit. Mein Leben ist schön so wie es ist. Und dem Maulwurf gefällt es auch so, stimmt es nicht, Maulwurf?"

Der Maulwurf stimmte halbherzig zu. "Natürlich," sagt er, "was immer du möchtest wird geschehen, Rattenschätzchen. Dennoch, das Abenteuer hätte schon Spaß machen können", sagte er mit sehnsuchtsvoller Stimme. Armer Maulwurf. Es war alles noch so neu für ihn und dieses abenteuerliche Leben klang so verlockend und nun machte ihm die Ratte einen Strich durch die Rechnung. Und das, wo er sich doch sogleich in den wunderhübschen kanariengelben Karren verliebt hatte.

Die Ratte hörte die Enttäuschung heraus und zögerte. Sie mochte den Maulwurf. Kröterich beobachtete seine Gäste genau.

"Esst mit mir zu Mittag", lud er die Beiden diplomatisch ein, "dann können wir noch über dieses Abenteuer sprechen. Es eilt ja nicht. Ich wollte euch eigentlich nur eine Freude machen. Immer zuerst an andere denken, das ist mein Lebensmotto!"

Während des Mittagessens legte Kröterich dann richtig los. Er schwärmte in den höchsten Tönen von dem zu erwartenden Abenteuer, dem ungebundenen Leben in höchster Freiheit, einem Leben auf der staubigen Landstraße. Den Maulwurf hielt auf seinem Stuhl nichts mehr. Nach einer Weile war die bevorstehende Reise beschlossene Sache. Auch wenn die Ratte noch nicht ganz überzeugt war, sein gutmütiges Herz ließ ihn nachgeben. Seine Freunde planten bereits die nächsten Wochen aufs Genaueste.

Später führte Kröterich sie auf die Weide, den alten Hengst einzufangen. Er war vorher nicht gefragt worden und zeigte sich empört, dass ihm die staubigste Arbeit zukommen sollte. Zuerst wollte er nicht mitkommen und es dauerte eine Weile, bis die drei ihn überredet hatten. In der Zwischenzeit hatte Kröterich die Schubladen im Karren mit Unentbehrlichem und Notwendigkeiten gefüllt.

Aber dann sollte es bald losgehen, das Abenteuer. Aufgeregt plapperten sie durcheinander, sie liefen neben dem Wagen her, setzten sich gelegentlich auf die Deichsel - gerade wie es ihnen gefiel. Es war ein herrlicher Nachmittag, die Vögel zwitscherten, selbst der Staub duftete befriedigend, fröhliche Wanderer riefen ihnen einen Gruß zu oder blieben gar stehen, einige Schmeicheleien über den tollen Wagen auszutauschen. Die Karnickel vor ihren Häusern schlugen die Pfoten vors Gesicht und riefen: "Oh weia, oh weia!"

Nachmittags machten sie müde und glücklich auf einer Gemeindewiese Halt. Sie waren zwischenzeitlich kilometerweit von zuhause weg. Den Hengst ließen sie grasen, sie selbst setzten sich neben dem Karren ins Gras und nahmen ein einfaches Abendbrot zu sich. Kröterich prahlte bereits im Voraus, welche Abenteuer er in den kommenden Tagen bestreiten würde. In seinen Schwärmereien wurden die Sterne heller und der gelbe Mond, der inzwischen über sie wachte, lauschte andächtig.

Nachts legten sie sich in ihre Kojen im Karren. Kröterich brachte gerade noch ein müdes "Gute Nacht, liebe Freunde!" heraus, "dies ist doch das wahre Leben für uns bessere Leute. Aber ihr, redet nur weiter über euren Fluss", setzte er noch hinzu, bevor er in tiefe Träume verfiel.

"Wir schwatzen gar nicht vom Fluss", setzte sich die Ratte zur Wehr, "ich denke halt an ihn." Er war eben eine sehr gefühlvolle Ratte. Der Maulwurf legte sich ganz nah zur Ratte, tastete in der Dunkelheit nach dessen Pfote. "Rattenschätzchen, ich mache alles was du willst. Sollen wir morgen früh wieder zurück zum Fluss gehen?", fragte er freundschaftlich.

"Aber nein, wir müssen das jetzt durchhalten", flüsterte die Ratte. Sie bedankte sich, ließ aber keinen Zweifel daran, dass der Kröterich sie beide jetzt brauche. "Es wäre zu gefährlich, wenn er auf sich alleine gestellt wäre. So lange wird seine neue Verrücktheit wahrscheinlich nicht dauern. Das tun sie normalerweise nie. Und jetzt - gute Nacht!"



Kapitel 7 - Schreck der Landstraße

Und das Ende sollte schneller kommen als die Ratte vermutete.

Der Kröterich schlief tief und fest, was nicht zuletzt an der vielen Frischluft lag und natürlich an der Aufregung. So musste er am nächsten Morgen wachgerüttelt werden. Maulwurf und Ratte erledigten gewissenhaft ihre Arbeit, kümmerten sich um das Pferd, machten Feuer, wuschen das Geschirr ab und machten schließlich das Frühstück. Dazu wanderte der Maulwurf ins nahe liegende Dorf, besorgte Milch, Eier und was man sonst so für ein nahrhaftes Frühstück brauchte - der Kröterich hatte nämlich vergessen einzukaufen.

Nach diesem anstrengenden Tagesbeginn, mussten die Tiere sich erst einmal ausruhen. Just in diesem Moment erschien der Kröterich, frisch ausgeruht und voller Abenteuerlust. "Was für ein angenehmes und leichtes Leben wir doch jetzt führen", rief er begeistert aus. Weder Hausarbeit noch andere Pflichten und Plagen, setzte er noch hinzu.

Gemütlich holperten sie an diesem Tag über Feldwege, grasbewachsene Hügel und übernachteten wieder auf einer Wiese. Diesmal achteten die beiden Gäste aber peinlichst genau darauf, dass der Kröterich ordentlich mitarbeitete. Bereits am nächsten Morgen war er nicht mehr so angetan vom einfachen Leben in der Natur. Sie mussten ihn regelrecht aus der Koje zerren. Später legten sie wieder genauso abgelegene Wege zurück wie am Vortag. Erst am Nachmittag kamen sie auf eine Landstraße. Hier sollte das Verhängnis auf sie warten, das auf Kröterichs Zukunft gehörige Auswirkungen hatte.

Sie bewegten sich geruhsam die Landstraße entlang, der Maulwurf redete dem Pferd gut zu und lief neben ihm her; es hatte sich zuvor bitterlich beklagt, dass es nie nach seiner Meinung gefragt wurde. Kröte und Ratte marschierten hinter dem Karren her, nebenher redete die Kröte ständig auf die Ratte ein. Die Ratte hörte gar nicht richtig zu und ließ nur ein gelegentliches "ach ja" hören. Da ertönte hinter ihnen ein leises, dennoch warnendes brummen.

Sie blickten zurück und erkannten eine kleine Staubwolke, deren Mittelpunkt dunkel war. Das ganze Gebilde näherte sich in rasender Geschwindigkeit, aus der Staubwolke erklang ein schwaches "hup, hup". Die beiden setzten ihr Gespräch fort. Im nächsten Moment verwandelte sich der morgendliche Frieden durch einen Windstoß, begleitet von ohrenbetäubendem Lärm, in ein Fiasko.

Sie konnten sich gerade noch in den Graben werfen, da war das "hup, hup" auf ihrer Höhe und aus dem Graben erkannten sie einen Schimmer von Lederpolstern, Glasscheiben und schon war das gewaltige Automobil rücksichtslos an ihnen vorbeigerauscht. Sekunden später war der Spuk vorbei, die drei Abenteurer waren voller Staubpuder von Kopf bis Fuß. Dann war da nur noch ein schwarzer Fleck in der Ferne zu sehen, der immer kleiner wurde.

Der alte Hengst war so erschrocken, dass er sich lediglich aufbäumte, mit den Hufen auskeilte und zurückwich. Obwohl der Maulwurf mit Engelszungen auf ihn einredete, drückte das Pferd den Wagen bis zum Rand des Grabens. Einen Moment hing er in der Luft, dann krachte die wunderschöne kanariengelbe Karre den Graben hinunter. Nichts als ein Wrack.

Rasend vor Wut tanzte die Ratte die Straße auf und ab. "Ihr Halunken", rief sie mit geballten Fäusten hinterher, "ihr Umweltverschmutzer, Gauner, ich werde euch vor Gericht bringen!" Just in dem Moment schien ihr Heimweh wie weggeblasen.

Nur einer saß breitbeinig mitten im Staub der Landstraße: Kröterich. Sein Gesicht leuchtete und zeigte einen erstaunlich friedlichen Ausdruck. In regelmäßigen Abständen brummelte er: "Tut, tut!"


Kapitel 8: Ein neues Auto

Es dauerte eine Weile, bis der Maulwurf das Pferd beruhigt hatte. Danach untersuchte er den Wagen, der auf der Seite im Graben lag. Ein beklagenswerter Anblick. Zwischen den herumliegenden Teilen piepte der Vogel verdrießlich und wollte aus dem Käfig freigelassen werden. Die Ratte half sogleich mit, doch der Wagen war zu schwer. "Kröterich, hey Kröterich", riefen sie, "fass mal mit an!"

Der Kröterich saß immer noch geistesabwesend auf der Landstraße. Mit verzückter Miene blickte er der Staubwolke des Zerstörers nach und murmelte: "Tut, tut!" Die Ratte schüttelte ihn heftig an der Schulter. Doch der sagte nur verzückt: "Ein prächtiger Anblick! Wie erregend." Dabei bewegte er sich nicht von der Stelle. "Dies ist die einzige Art zu reisen", schwärmte er, "Im Sauseschritt vorbei an Dörfern und Städten. Heute hier, morgen dort! Oh - tut, tut!"

Der Maulwurf machte kein Geheimnis daraus, dass er Kröterich für einen hoffnungslosen Spinner hielt. Doch der Kröterich bereute wieder einmal all seine vorangegangenen Ideen. "Ich hatte ja keine Ahnung!", rief er enthusiastisch, "aber jetzt ist mir alles klar. In Zukunft werden auch Staubwolken hinter mir aufwirbeln und die kleinen ekligen kanariengelben Karren hinter mir lassen."

Der Ratte war gleich klar, dass hier nichts mehr zu machen war. "Jetzt hat er eine neue Macke, das ist am Anfang immer so. Dann träumt er einige Tage seinen seligen Traum und ist für nichts und niemanden ansprechbar", erklärte er dem Maulwurf. Dann sahen sie nach, ob am Karren noch was zu retten war.

Der Wagen war nicht mehr zu reparieren. Darüber waren sie sich nach gründlicher Untersuchung einig. Sie nahmen das Pferd an die Zügel, den Vogelkäfig in die Hand und gingen in Richtung der nächsten Stadt. "Das dürften noch fünf oder sechs Meilen sein, die wir zu laufen haben", sagte die Ratte. "Wir sollten bald losgehen."

"Und Kröterich?", fragte der Maulwurf. Er sorgte sich um den immer noch fasziniert herumsitzenden Freund. Doch die Ratte wollte nichts mehr mit ihm zu tun haben. "Mit dem bin ich fertig", sagte er. Sie waren allerdings noch nicht weit gekommen, als Kröterich von sich aus den Weg aufgenommen hatte. Allerdings hatte er immer noch diesen verzückten Gesichtsausdruck.

"Jetzt hör zu, Kröterich", wies die Ratte mit herbem Tonfall an. "In der Stadt musst du zuerst zur Polizei und dich über diesen Raser erkundigen und ihn anzeigen. Danach musst du zum Hufschmied und den Wagner aufsuchen, um den Karren abzuschleppen und zu reparieren. Das wird zwar einige Zeit in Anspruch nehmen, aber wir könnten so lange im Gasthaus wohnen. Da können sich auch deine Nerven beruhigen."

Kröterich blickte immer noch umher, als hätte er eine himmlische Erscheinung gehabt. Und anstatt sich den vernünftigen Vorschlägen der Ratte anzugleichen, schwärmte der Kröterich: "Oh Rattenschätzchen, ich bin so froh, dass du mich auf diese Reise begleitet hast. Ohne dich hätte ich diese unglaubliche Erscheinung nie gehabt. Niemals hätte ich diesen Geruch vernommen, den eigentümlichen Ton gehört!"

Die Ratte drehte sich um und rief zum Maulwurf: "Es ist hoffnungslos mit ihm. Wenn wir Glück haben, erreichen wir in der Stadt gleich einen passenden Zug. Dann sind wir heute Abend schon wieder an unserem Flussufer!", rief er schnaubend. Danach sprach er nicht mehr viel und wenn, dann nur mit dem Maulwurf.

In der Stadt angekommen, brachten sie das Pferd in den Mietstall und den Wagen zur Reparatur. Mit dem nächsten Bummelzug fuhren sie zur naheliegendsten Haltestelle bei Krötenhall. Den immer noch verzückten Kröterich brachten sie nach Hause. Seiner Haushälterin gaben sie den Rat, ihn zu füttern und möglichst bald zu Bett zu bringen.

Sie schnappten ihr Boot und ruderten den Fluss hinunter nach Hause. In ihrer Wasserstube nahmen sie gemeinsam Abendbrot ein und waren überaus zufrieden.

Den nächsten Tag verspürte der Maulwurf eine gewisse Leichtigkeit. Er schlief aus und den Rest des Tages fischte er am Uferrand. Die Ratte hatte währenddessen sämtliche Freunde besucht und herumgequasselt und brachte am Abend natürlich Neuigkeiten mit. "Stell dir vor", rief er, "Kröterich hat heute Morgen den ersten Zug in die Stadt genommen. Und du wirst mir nicht glauben, was er dort gemacht hat. Er hat sich ein großes und unglaublich teures Auto bestellt."



Kapitel 9: Der wilde Wald

Der Maulwurf wollte schon lange die Bekanntschaft vom Dachs machen. Diese bedeutende Persönlichkeit schien ihm interessant. Denn, obwohl er selten zu sehen war, war sein Einfluss in der Gegend unverkennbar. Doch stets fand die Ratte einen Grund, dem Maulwurf diesen Wunsch abspenstig zu machen.

"Wenn der Dachs einmal zufällig des Weges kommt, werde ich dich schon vorstellen", sagte er. "Der Dachs ist der Beste und wenn man ihn trifft, kann man sich glücklich schätzen. Du musst ihn allerdings auch so annehmen wie er ist."

"Könnten wir ihn nicht einladen?", frage der Maulwurf hoffnungsvoll.

"Er würde gar nicht kommen", antwortete die Ratte, "Einladungen und Gesellschaften hasst der Dachs ebenso wie das ganze andere Gedöns."

Der Maulwurf bettelte noch eine ganze Weile, schlug vor, den Dachs zu besuchen. Doch Ratte konnte den kleinen Freund davon überzeugen, wie wenig passend das alles wäre. "Du musst warten. Eines Tages führt sein Weg sicher hier vorbei", vertröstete Ratte den Maulwurf.

Doch der Maulwurf wartete vergebens. Der Dachs kam nie vorbei und Maulwurf vergaß im Laufe des Sommers, dass ihm die Bekanntschaft des Dachses so wichtig war. Als der Sommer vorüber war, kam ihm sein dringlicher Wunsch wieder in den Sinn. Als Frost und Kälte wieder regierten und man nicht mehr Boot fahren konnte, da dachte Maulwurf wieder an den Dachs, der in seinem Bau, mitten im Wald wohnte.

Während des Winters pflegte die Ratte früh zu Bett zu gehen und spät wieder aufzustehen. Die kurzen Tage verwendete sie dazu, Gedichte zu schreiben oder ein wenig Hausarbeit zu verrichten. Auch kamen immer Tiere auf einen kleinen Plausch vorbei. Man scharte sich ums Feuer und besprach die Vorkommnisse des vergangenen Sommers. Trotzdem verfügte der Maulwurf noch über viel Zeit.

Als die Ratte eines Nachmittags seine Dichtkunst wieder an einem neuen Vers versuchte, der sich aber auch gar nicht reimen wollte, beschloss der Maulwurf, einen Ausflug in den wilden Wald zu machen. Womöglich ergab sich gerade heute die lange ersehnte Begegnung mit dem Dachs.

Es war ein unfreundlicher Winternachmittag, an dem der Maulwurf sich in den entlaubten wilden Wald begab. Eben und bedrohlich lag er vor ihm. Zu Beginn durchschritt er das Gelände noch furchtlos. Er entdeckte Vergnügliches und Erregendes. Doch als das Licht weniger wurde, schien ihm der Wald ein dunkleres Grün zu zeichnen. Die Bäume wurden zu gefährlichen Tieren, die aus allen Richtungen ihre grimmigen Mäuler aufsperrten. Tiefes Schweigen begleitete den Maulwurf und innerhalb kürzester Zeit umschloss ihn Dämmerung.

Jetzt schien es ihm, als würden die gefährlichen Fratzen sich bewegen. Ständig drehte er sich um, in der Angst eines dieser Untiere könnte ihn verfolgen. Doch stets waren sie wieder weg. Tapfer beschleunigte er seinen Schritt und beschloss, diese Einbildungen nicht weiter zu beachten. Doch je länger er mutig weiter marschierte, desto gefährlicher erschienen ihm die grimmigen Gesichter. Durchbohrende Augen verfolgten ihn und mit rasender Geschwindigkeit sprangen ihm hasserfüllte und durchdringende Blicke entgegen. Als dann aus dem Wald noch ein Pfeifen drang, das er nicht einordnen konnte, glaubte er, die Angst nicht mehr aushalten zu können.

Aber es sollte noch schlimmer kommen. Ein Klopfen durchbrach die nächtliche Geräuschkulisse von herabfallenden Blättern. In gleichmäßigem Rhythmus erkannte er das Trappeln von Füßen, die nicht sehr groß sein konnten. Und da streifte tatsächlich ein Tier hautnah an ihm vorbei, dass er noch mehr erschrak. Wie ein gehetztes Kaninchen suchte er schließlich Schutz in der Wurzelhöhle einer alten Buche.

Völlig erschöpft ließ er sich nieder. Der Maulwurf konnte nur hoffen, hier in Sicherheit ein wenig ausruhen zu können. Keuchend lauschte er dem Pfeifen und Trappeln draußen im gefährlichen Wald. Ja, das musste das Schreckliche sein, vor was die Ratte ihn hatte warnen wollen. Der Maulwurf hatte die Angst im wilden Wald unterschätzt.



Kapitel 10: Die Rettung

Während der Maulwurf verängstigt durch den wilden Wald irrte, döste die Ratte gemütlich vor ihrem Kamin. Mit nach hinten gelehntem Kopf und aufgeklapptem Mund verweilte sie gerade im Land der Träume. Die Papiere mit den begonnenen Reimen waren auf den Boden gerutscht. Das laute Knistern des Kamins ließ die Ratte aufschrecken.

Als sie die auf dem Boden herumliegenden Blätter sah, erinnerte sie sich wieder daran, dass sie vergeblich nach dem richtigen Reim gesucht hatte, bevor sie eingeschlafen war. Sie blickte durch den Raum, um den Maulwurf nach einer guten Reimidee zu fragen. Aber sie konnte ihn nicht erkennen.

Die Ratte rieb die Augen und spitzte ihre Ohren. Doch im Haus war es still. Auch auf die liebevollen Rufe nach dem Freund kam keine Antwort. Die Mütze des Maulwurfs war weg und die Gummistiefel fehlten ebenfalls. Da wagte die Ratte einen Blick vor die Haustür und tatsächlich ... Spuren waren im Schlamm zu erkennen. Sie stammten eindeutig von den neuen Gummistiefeln des Maulwurfs.

Nachdenklich stand die Ratte einige Minuten an der Garderobe. Dann holte sie ihre Ausrüstung, die im wilden Wald unerlässlich war. Sie schnallte einige Pistolen um, einen Knüppel und eine Laterne. Es war bereits dunkel, als die Ratte den Waldrand erreichte. Trotzdem durchbrach sie zielstrebig das Dickicht.

Aufmerksam suchte sie nach Spuren des Maulwurfs. Immer wieder begegneten der Ratte hässliche Fratzen, bei deren Anblick sie sofort nach den Pistolen griff. Doch die hässlichen Gesichter verschwanden immer ganz von alleine. Die Ratte hörte auch das Pfeifen und Klopfen. Dennoch marschierte sie mutig durch den ganzen Wald. Keinen Weg ließ sie aus. Mit kräftiger Stimme rief sie nach dem verschollenen Freund. "Maulwurf! Wo bist du? Ich bin es, dein Rattenfreund!"

Als keine Antwort folgte, durchforstete Ratte den Wald kreuz und quer. Bis sie einen schwachen Ruf vernahm. Sie hielt sofort inne, rief zurück und freute sich nicht schlecht, als eine leise Antwort folgte. Die schwache Stimme kam aus Richtung der alten Buche und fragte: "Rattenschätzchen, bist du es tatsächlich?"

Als die Ratte in die Kuhle bei der Buch kroch, erblickte sie einen völlig erschöpften, zitternden Maulwurf. "Mein Rattenschätzchen", rief er, "so sehr habe ich mich in meinem ganzen Leben noch nicht gefürchtet!"

"Das kann ich mir denken", tröstete ihn die Ratte, "du hättest auf mich hören sollen." Immerhin hatte er ja alles versucht, den Maulwurf von diesem unliebsamen Abenteuer abzuhalten. "Hör mal, selbst wir Leute vom Flussufer wagen uns kaum in diese gefährliche Gegend. Und alleine schon gar nicht. Und wenn eine Gruppe diesen Ausflug dann doch einmal wagt, gilt es, einige Tricks für den Notfall zu kennen. Die sind nicht wirklich schwer, aber wissen sollte man sie schon," belehrte die Ratte ihren Freund.

"Aber dem Kröterich würde ein Ausflug in den Wald sicher nicht schrecken", fragte der Maulwurf hoffnungsvoll.

"Ha!", lachte da die Ratte, "nicht mal die Nasenspitze würde er in den Wald stecken." Das herzliche Lachen der Ratte beruhigte den Maulwurf. Inzwischen zitterte er deutlich weniger und sein Selbstvertrauen kam zurück. Doch als die Ratte zum Aufbruch mahnte, schüttelte der Maulwurf den Kopf. "Rattenschätzelchen, dazu bin ich zu müde. Auch wenn es bald dunkel wird. Ich muss erst wieder zu Kräften gelangen", sagte er.

Die gutmütige Ratte ließ sich darauf ein und hoffte später auf das Licht des Mondes. Der Maulwurf kuschelte sich in das trockene Blätterlager und schlief kurz darauf ein. Als Träume ihn einholten, wälzte er sich aber unruhig hin und her. Die Ratte suchte sich ebenfalls ein gemütliches Plätzchen in der Höhle und legte sich auf die Lauer, stets die Hand an der Pistole.

Als der Maulwurf endlich ausgeschlafen hatte, wagte die Ratte einen Blick aus der Höhle und erschrak. "Es schneit", sagte sie knapp. Der Maulwurf blickte ebenfalls neugierig hinaus und fand den ehemals dunkelgrünen Wald in neuem Licht. Der Schneeteppich glitzerte, wo vorher Schwärze herrschte. Den feinen Puderteppich wollte man am liebsten gar nicht betreten. Doch die Ratte drängte: "Wir probieren es trotzdem. Es wird schon gut gehen."

Jedoch zeigte es sich in dem neuen Landschaftsbild äußerst schwierig, den alten Weg zu finden. Weder Ratte noch Maulwurf wussten noch, an welcher Stelle sie sich befanden. Sie marschierten los und erkannten schnell, dass die Bäume ob der weißen Schneedecke allesamt gleich aussahen. Der Wald schien kein Ende zu nehmen und keine Unterschiede mehr aufzuweisen.

Die Freunde ruhten sich kurz aus, doch es war zu kalt, um länger zu verweilen. Sie stießen auf ein Gelände, das Hoffnung auf einen Unterschlupf oder eine Höhle machte. "Wenn wir uns durcharbeiten, könnten wir uns richtig ausruhen", sagte die Ratte, die inzwischen auch recht erschöpft war. Irgendwann müsse der Schnee ja wieder verschwinden, hoffte sie. Da stolperte der Maulwurf plötzlich und fiel auf die Nase. "Mein Bein, oh weh, mein Bein", jammerte er sogleich. Er saß im Schnee und hielt sein Schienbein fest.

"Oh du Armer", sagte die Ratte, "heute ist wahrlich nicht dein Glückstag." Sie kniete nieder, untersuchte das Bein und erkannte die Schnittwunde. Mit einem Taschentuchverband linderte die Ratte die erste Not. "Ich muss über einen Zweig gestolpert sein", jammerte der Maulwurf. "So ein Pech."

Doch die Ratte sah, dass der Schnitt glatt war. Er konnte nicht von einem Zweig stammen. "Das sieht eher nach einer Metallkante aus oder so", sagte sie zum Maulwurf. Nachdem die Wunde verbunden war, ging die Ratte los und suchte, die Stelle an der der Unfall passiert war genauer. Plötzlich rief er: "Ja, hurra!" und vollführte einen Freudentanz, obwohl der Schnee das kaum zuließ.

Der Maulwurf humpelte verwundert zu seinem Freund, der den Tanz nicht unterbrechen wollte. "Hmm", sagte er nachdenklich, "soll das ein Stiefelabkratzer sein, der dir so viel Freude bereitet?" Die Ratte stieß ihren Knüppel in den Schneeberg, der neben dem Stiefelabkratzer aufgetürmt war. Bald schon legte er einen Fußabstreifer frei. Maulwurf nörgelte herum. "Was soll das. Dies ist nichts anderes als Müll", rief er entnervt.

"Bist du dickfellig", rief die Ratte fast schon böse, ob der ignoranten Art des Freundes. "Hilf gefälligst mit", sagte er energisch. Der Maulwurf schloss sich dem Kraftakt an und begann ebenfalls, an dem Schneeberg zu kratzen. Nach zehnminütiger Schwerstarbeit stieß die Ratte mit der Knüppelspitze gegen etwas, das hohl klang. In atemloser Freude arbeiteten sie mit vereinten Kräften weiter, bis sie auf eine dunkelgrüne kleine Tür stießen. Im Mondlicht konnten sie ein Messingschild mit der Aufschrift: D A C H S lesen. Verblüfft wäre der Maulwurf beinahe noch einmal gestolpert. "Du bist ein Wunder", rief er enthusiastisch in die vom Mondlicht durchbrochene Dunkelheit des wilden Waldes. Der Maulwurf konnte sich ob der Schlauheit seines Begleiters nicht mehr beruhigen. Darauf reagierte die Ratte eher genervt. "Willst du die ganze Nacht im Schnee hocken?", fragte sie. "Häng dich an den Klingelzug und zieh mit all deiner Kraft daran, während ich klopfe!", forderte die Ratte.

Die Ratte donnerte mit dem Knüppel an die kleine grüne Tür. Der Maulwurf packte den Klingelzug und hängte sich mit seinem gesamten Gewicht an die Kette. In der Ferne hörten sie eine dunkle Glocke läuten.



Kapitel 11: Meister Dachs

Maulwurf und Ratte warteten geduldig, obwohl der Schnee ihnen die Füße recht schnell kalt werden ließ. Da wurde die Zeit schnell lang. Sie waren froh, als sie endlich von drinnen die gemütlich schlürfenden Schritte hörten. Es hörte sich an, als würde jemand in zu großen Hausschuhen latschen. Und tatsächlich, genau so war es.

Der Riegel öffnete sich mit dem dafür typischen Geräusch und aus dem schmalen Spalt, der sich öffnete, lugte eine spitze Schnauze und zwei müde Augen zwinkerten heraus. "Ich werde gleich sauer", brummte eine schroffe Stimme. "Wer wagt es, mich in meiner Nachtruhe zu stören? Antworte!"

"Oh, lieber Dachs", rief die Ratte, "bitte gewähr uns Zutritt zu deinem Haus! Die Ratte ist es, und mein Freund der Maulwurf. Wir haben uns im verschneiten Wald verlaufen."

Der Dachs wurde sogleich freundlicher. "Du, lieber Rattenfreund!", rief er mit veränderter Stimme. "Ihr müsst total unterkühlt sein. Kommt herein, schnell!" Erleichtert folgten die beiden schlotternden Tiere der Einladung und wären im Eifer fast übereinander gestolpert.

Und obwohl der Dachs bereits im Schlafrock war, lud er die Beiden ein, ihm in seine Küche zu folgen. In seiner Pfote einen flachen Kerzenständer, schlurfte er den beiden durchgefrorenen Freunden voran. Während Maulwurf und Ratte ihm folgten, schubsten sie sich gegenseitig vor Aufregung. Sie bewegten sich durch einen finsteren, ehrlich gesagt auch recht schäbigen Flur, bis zur Haupthalle. Von hier aus führten mehrere Gänge weg. Aber es gab auch große stabile Türen aus Eichenholz. Eine davon führte in die Küche, aus der eine wohlige Wärme entgegenströmte, als sie alle eintraten.

Der Fußboden aus Ziegelsteinen mutete rustikal an, ein Feuer loderte im Kamin und knisterte behaglich. Zwei Ohrensessel mit hohen Lehnen standen gegenüber des Kamins und luden ein, sich gemütlich zu setzen. Außerdem befanden sich inmitten des Raumes ein langer Tisch und zwei einfache Bänke. An der Stirnseite des Tisches standen noch Reste des einfachen Abendessens von Meister Dachs. Insgesamt sah die Küche blitzsauber aus.

Meister Dachs zeigte sich freundlich und brachte seinen Gästen Wechselkleidung, verpflasterte die Schnittwunde des Maulwurfs und nötigte Ratte wie Maulwurf, in den Ohrensesseln Platz zu nehmen. Umgeben von Wärme und flackerndem Kerzenschein wurde es den Beiden bald warm und die gefahrvollen Erlebnisse im kalten wilden Wald lagen weit hinter ihnen und erschienen ihnen fast wie ein Traum.

Währenddessen bereitete Meister Dachs eine Mahlzeit für sie vor und klapperte beim Auftragen des Gedecks mit den Tellern. Hatten sie vorher einfach nur tierischen Hunger, so lief ihnen beim Anblick der zubereiteten Leckerbissen das Wasser im Munde zusammen. Es war ihnen fast nicht möglich, brav zu warten und die Mahlzeit verlief anfangs dementsprechend schweigsam. Denn mit vollem Munde soll man ja bekanntlich nicht sprechen.

Nach den ersten Bissen erzählten die Tiere dann trotzdem gemütlich ihre Geschichte. Der Dachs hörte zu und weil er kaum was dazu sagte, vor allem nichts Belehrendes oder Besserwisserisches, kam es, dass der Maulwurf ihn immer mehr ins Herz schloss. Als die Teller leer waren, hatten sie über so Manches geschwatzt und der Dachs fragte nach, was es denn Neues in der Gegend gäbe. Vor allem über Neuigkeiten vom Kröterich fragte er interessiert nach.

"Ach je, der ist letzte Woche irgendwo dagegengeknallt. Das war ziemlich schlimm. Dennoch, er will kein erfahrenes Tier als Chauffeur, er besteht darauf, selbst zu fahren", antwortete die Ratte. Der Maulwurf räkelte sich mit hochgelegten Beinen vorm Kaminfeuer und blickte möglichst sorgenvoll in die Runde. "Der Kröterich ist nach wie vor davon überzeugt, der beste Autofahrer der Welt zu sein", erzählte die Ratte weiter, "da war es vorauszusehen, dass ihm irgendwann ein Unfall passieren würde."

Der Dachs zeigte sich besorgt. "Wie viele hat er denn schon gehabt?"

"Was, Autos oder Unfälle?", fragte die Ratte. "Sieben Autos hatte er, und unglaublich viele Teile von Autos, die er überall bei sich gestapelt hat."

"Und schon drei Mal war er im Krankenhaus", mischte sich der Maulwurf ein, "und es ist gar nicht zu glauben, wie viele Strafen er schon bezahlen musste."

"Tja, wenn er so weiterfährt, ohne Rücksicht auf Gesetz und Vorschriften, dann wird der reiche Kröterich bald ruiniert sein", sagte die Ratte. "Oder er fährt sich tot. Eine dieser zwei Möglichkeiten wird ganz sicher eintreten." Er blickte den Dachs an. "Wir als seine Freunde, müssten wir ihm nicht zu Hilfe kommen?"

Nachdenklich verharrte der Dachs eine Weile in seinem Sessel. Er musste gar nicht viel sagen, denn Ratte und Maulwurf wussten auch so, dass in der Winterzeit nicht viel zu machen war. Da ist für die Tiere eine schlafende Zeit, in der man sich weder anstrengt noch sonst irgendwie den Helden mimt. Der Winter ist die Jahreszeit, in der sich die Tiere von der arbeitsreichen Zeit zwischen Frühjahr und Herbst erholen dürfen.

"Gut, wenn die Tage wieder länger werden, ich während den Nächten wieder Unruhe verspüre und möglichst vor dem Aufgang der Sonne schon wieder Lust auf Arbeit verspüre, dann kümmern wir uns um den Kröterich", sagte der Dachs. Diesen Unsinn könne man ja nicht länger mit ansehen, sagte er weiter, und man müsse es endlich schaffen, eine vernünftige Kröte aus ihm zu machen.

Während der Dachs sich so ausgiebig über die Lösung des "Krötenproblems" ausließ, wäre die Ratte beinahe eingeschlafen. Der Maulwurf lachte und sagte: "Ratte ist während des Abends schon zwei Mal eingenickt!"

Dass das Leben im Dachsbau einem Maulwurf eher gegeben war, war klar. Er war das Leben in einem Bau gewohnt. Die Ratte hingegen war es gewohnt, auch während der Nacht die frische Brise des Windes am Fluss zu spüren. Er schlief normalerweise bei geöffneten Schlafzimmerfenstern - das war etwas ganz anders.

Der Dachs zeigte Verständnis und begleitete seine Gäste in ihre Unterkunft. Mit dem Leuchter in der Hand ging er in Richtung Speicher. "Morgen Früh schlaft ihr aus, so lange ihr wollt, Frühstück könnt ihr einnehmen wann es euch beliebt." In einem langen Raum, der halb Speicher und halb Schlafkammer war, konnten Maulwurf und Ratte zuerst nur Vorräte ausmachen. Sie sahen aufgeschüttete Äpfel, Wurzeln und Kartoffeln, Honigtöpfe und Körbe gefüllt mit Nüssen. Dahinter standen zwei kleine Betten, weiß, weich und absolut einladend wirkten sie; bezogen mit Bettwäsche aus Leinen, die grob, dennoch rein anmutete und angenehmen Lavendelduft verbreitete.

In Windeseile hatten sich Maulwurf und Ratte ihrer Kleidung entledigt und räkelten sich glücklich zwischen den Laken. Wie besprochen schliefen sie weit in den nächsten Morgen hinein und fanden sich erst spät am Frühstückstisch ein. Da saßen schon zwei junge Igel am Tisch und aßen aus Holzschüsselchen leckeren Haferbrei. Bei ihrem Eintreten erhoben sich die beiden Igel, ließen dabei den Löffel fallen und verbeugten sich ehrfurchtvoll.

"Esst ruhig weiter", sagte die Ratte gnädig, "wo kommt Ihr denn her. Habt ihr euch im Schnee verlaufen?"

"Gnädiger Herr", sagte der ältere der beiden Igel, "wir wollten zur Schule gehen, weil unsere Mutter uns geschickt hat, und auf der Suche nach dem richtigen Weg haben wir uns verirrt. Mein kleiner Bruder Billy hat vor Angst geweint und weil er noch so klein und ängstlich ist, habe ich es gewagt, an der Tür von Herrn Dachs zu klopfen. Herr Dachs ist bekannt für sein herzliches Wesen…"

Ratte hatte die Not der beiden Igelkinder verstanden und schnitt von dem Speck eine Scheibe ab, Maulwurf schlug einige Eier in der Pfanne auf. Ratte fragte nach dem Wetter.

"Es ist grässlich, gnädiger Herr", antwortete der Igel. "Kein Ausgehwetter für feine Leute."

"Du musst mich nicht immer gnädiger Herr nennen", antwortete Ratte. Der Maulwurf fragte: "Wo ist eigentlich Herr Dachs?"

Da erfuhren sie, dass Meister Dachs in seinem Arbeitszimmer verweile und keinesfalls gestört werden wolle. Er habe gerade an diesem Morgen ausgiebig viel zu tun, lasse der Dachs ausrichten. Natürlich wusste jeder der Anwesenden, wie diese Erklärung zu verstehen war. Der Dachs saß genussvoll in seinem Lehnstuhl im Arbeitszimmer, die Beine hochgelegt und so "beschäftigt", wie es ein Dachs in dieser Jahreszeit war. Nämlich vor sich hin dösend.



Kapitel 12: Ein Suchtrupp

Als es an der Haustür klingelte, musste Billy zur Türe; die Ratte hatte fettige Pfoten vom Buttertoast. Mit einem stampfenden und trampelnden Otter im Schlepptau kam Billy zurück. Aufgeregt schreiend stürzte sich der Otter in die Arme der Ratte.

Ratte schubste ihn von sich und rief mit vollem Mund: "Geh weg!"

"Bin ich froh, euch hier gesund und munter zu sehen", rief der Otter fröhlich. Er erzählte, dass am frühen Morgen am Ufer große Aufregung geherrscht habe. Alle hatten bemerkt, dass Ratte und Maulwurf während der Nacht nicht zuhause waren und haben sich fürchterliche Sorgen gemacht. Und dazu hatte der Schnee noch ihre Spuren zugedeckt.

"Aber mir ist ja bekannt, dass in Not geratene Tiere immer beim Dachs unterkommen. Oder wenigstens weiß Meister Dachs, wo dieselben untergekommen sind", sagte der Otter. "Hach, war das schön, durch den Neuschnee zu stapfen. Überall Schneeberge oder Eishöhlen, die über Nacht die Landschaft bereichern. Ich hätte stundenlang spielen können." Noch eine Weile ließ sich der Otter über die Schönheit des Waldes bei Neuschnee aus.

Er erzählte von Krähen, Wildgänsen und Hasen. Die Letzteren haben dem Otter dann mitgeteilt, dass der Maulwurf in dieser Gegend gesichtet worden war. Und auch vom schlechten Zustand der Freunde konnten die Hasen berichten. "Wir haben den Maulwurf und seinen Freund, das Rattenschätzchen im Ring herumgejagt", berichteten die Karnickel fast schon schadenfroh. Der Otter fragte nach, weshalb denn niemand den beiden in Not geratenen Tieren geholfen habe. "Aber ich habe keine Antwort darauf erhalten", sagte der Otter. Danach sei er weitergegangen.

"Und dir war nicht Angst und Bange", fragte der Maulwurf. Er dachte sogleich an die Furcht, die er selbst gestern Nacht im wilden Wald verspürt hatte.

"Ich und Angst?", lachte der Otter. "Wenn sich auch nur einer mit mir hätte anlegen wollen, dann hätten sie aber geschaut." Dann verlangte er vom Maulwurf, dass er ihm einige Scheiben Speck anbraten solle. Er war hungrig und hatte noch Einiges mit dem Rattenschätzelchen zu besprechen. Der Otter hatte die Ratte schon ziemlich lange nicht mehr getroffen.

Der Maulwurf tat, wie ihm geheißen. Die Igel waren ihm behilflich und so kehrte er zum eigenen Frühstück zurück. Otter und Ratte steckten die Köpfe zusammen und vergaßen sich in Gesprächen um den Fluss und das Ufer.

Als der erste Teller leer gegessen war, trat Meister Dachs in die Küche ein. Er gähnte, rieb sich die Augen und begrüßte die Gästeschar herzlich. Freundlich fragte er jeden, ob es ihm gut gehe. "Bleib doch noch zum Mittagessen", lud er den Otter ein, "draußen ist es so kalt, du musst doch hungrig sein."

Der Otter nahm dankend an, zwinkerte dem Maulwurf verschwörerisch zu und sagte: "Ja, der Anblick deiner zwei Igelkinder, die Tellerweise gebratenen Speck essen, macht mich hungrig." Daraufhin blickten die Igel verwundert in die Runde - hatten sie doch lediglich Haferbrei zu essen bekommen … Aber sie waren zu schüchtern, diesen Scherz zu berichtigen.

Der Dachs schickte die beiden Igel freundlich auf den Heimweg. Nach einer Weile gab es dann Mittagessen. Da Otter und Ratte immer noch in Ufer-Gespräche verwickelt waren, sagte der Maulwurf seinem Gastgeber, wie wohl und heimisch er sich in seiner Behausung fühle.

"Ja, wenn man erst einmal unter der Erde wohnt, dann kann einem nichts mehr geschehen. Da ist man sein eigener Herr und es kümmert einen nicht mehr, was die Leute von einem reden", sagte der Maulwurf.

Der Dachs freute sich über so viel Verständnis. "Meine Worte! Nur unter der Erde hat man Frieden und ist in Sicherheit. Und wenn Ideen ihren Raum suchen, dann beginnt man zu graben und schon ist es gut. Und wenn das Heim zu groß wird, dann verstopft man die Löcher wieder." Er schwärmte weiter; weder Bauarbeiter, sonstige Handwerker oder Leute, die einem durchs Fenster gucken.

"Weißt du was", sagte der Dachs zu seinem neuen Freund, "nach dem Mittagessen führe ich dich mal durchs ganze Haus. Ich glaube, dir wird es gefallen. Du weißt auch, wie eine richtige Wohnung aussehen sollte."

Während nach dem Mittagessen Ratte und Otter in eine heftige Diskussion über Aale geraten waren, forderte der Dachs den Maulwurf auf, ihm zu folgen. Mit der flackernden Laterne im Arm ging es durch schmale Flure, große und kleine Räume, dass der Maulwurf über die Größe des Hauses nur staunen konnte. Sie kamen durch gefüllte Vorratskammern, düstere Flure und fest zusammengefügte Gewölbe, an Säulen und Bögen vorbei. "Wo hast du die Energie hergenommen, dieses wunderbare Haus aufzubauen", rief der Maulwurf bewundernd aus.

"Na ja", erwiderte der Dachs, "ich würde das Lob ja gerne annehmen. Aber ich habe das nicht selbst erbaut. Lediglich einige Gänge geschaufelt." Er erklärte dem Maulwurf, dass an der Stelle, an der sie jetzt standen, einmal eine Stadt war, in der Menschen gelebt hatten. "Das war lange bevor der wilde Wald hier entstanden ist", sagte der Dachs. Er erzählte dem Maulwurf von dem Leben der Menschen, den Pferdeställen und den Festen, die sie damals gefeiert hatten. Auch von Kriegen und Handel konnte er berichten.

"Was passierte, als die Menschen weggingen?", fragte der Maulwurf neugierig.

"Den Rest erledigte die Natur für mich", sagte der Dachs. "Regen und Wind bedeckten die Stadt innerhalb vieler Jahre mit Erde, vielleicht haben meine Vorfahren ja auch ein wenig nachgeholfen. Allmählich wurde jedenfalls eine Ruine daraus und aus vielen Saatkörnern säte sich nach und nach der Wald aus.

"Dann konnten wir die Räume unter der Erde für uns nutzen. Über uns geschah immer dasselbe. Tiere kamen und bevölkerten den Wald. Wie es immer ist - Gute, Böse und die, die dazwischen liegen - da brauche ich keine Namen nennen. Auch du hast sicher inzwischen deine Erfahrung mit ihnen gemacht", sagte der Dachs.

Dem Maulwurf lief alleine bei dem Gedanken daran ein Schauer über den Rücken. Der Dachs konnte ihn allerdings beruhigen. "Wenn du erst öfter mit ihnen zu tun hattest, wirst du merken, dass sie gar nicht so übel sind." Er versprach dennoch, eine Mitteilung herauszugeben, damit sein neuer Freund keinen Ärger mehr bekommen sollte.

Wieder in der Küche angekommen, war die Ratte bereits in Aufbruchstimmung. Sie hatte Angst, dass das Leben am Fluss ohne sie nicht stattfinden konnte. "Los, Maulwurf. Wir müssen weiter", sagte die Ratte hektisch. "Ich will noch bei Tag durch den wilden Wald gehen, nicht erst wenn es dunkel ist."

Der Otter beruhigte ihn. "Das wird schon gut gehen; ich komme mit euch, lieber Freund", sagte er. Der Dachs hatte aber die noch bessere Idee. "Meine Gänge führen in alle Richtungen, bis ans Ende des Waldes. Wenn Ihr also gehen müsst, dann führe ich euch unterirdisch durch meine Abkürzungen. Ruht euch noch ein wenig aus", sagte er.

Aber die Ratte gab keine Ruhe mehr. Sie wollte sogleich aufbrechen, also nahm der Dachs eine Laterne und führte sie durch einen Tunnel. Feucht und stickig war es in dem dunklen Gang, der sich schier endlos zu winden schien. Endlich waren einzelne Strahlen von Tageslicht zu erkennen. Es kam durch den überwucherten Eingang hinab in den finsteren Tunnel. Eilig sagte der Dachs "Adieu" zu seinen Gästen und schubste sie durch den Eingang hinaus. Unterholz, Laub und Zweige arrangierte er wieder, damit die Öffnung getarnt blieb. Dann zog er sich zurück.

Ratte, Maulwurf und Otter fanden sich am Ende des wilden Waldes. Ihr Blick fiel auf stille Felder, die von Hecken gesäumt standen, die jetzt voller Schnee lagen. Auch den Fluss sahen sie in der Ferne glitzern. Der Otter ging voran, Ratte und Maulwurf folgten im Gänsemarsch.

Nur einmal blickten sie noch zurück und erschauerten ob der Düsternis, die der wilde Wald ausstrahlte; bedrohlich in der weißen Landschaft. Schnell rannten sie nach Hause, zum Feuer und zum plätschernden Fluss, dessen Geräusche ihnen vertraut waren.


Kapitel 13: Der Heimweg

Auf dem Weg nach Hause begegneten Ratte und Maulwurf den Schafen. Dicht zusammengerückt standen sie an den Zäunen, schnaubten und scharrten mit den Vorderfüßen. Zuvor hatten sie mit dem Otter einen Tag lang das Hochland durchwandert. Jetzt eilten sie laut schwatzend und bestens gestimmt an der Schafherde vorbei.

Die Dämmerung des Winternachmittags brach bereits herein und die beiden Freunde hatten noch einen weiten Weg zu gehen. Sie nutzten den Trampelpfad, den sie bei der Schafsherde entdeckt hatten.

Zögerlich bemerkte der Maulwurf das Ortsschild. Tiere mochten Ortschaften eigentlich nicht so gerne. Doch die Ratte sagte: "Das macht nichts. Im Winter sitzen die Leute alle drinnen am warmen Kaminfeuer. Da können wir uns unbemerkt vorbei schleichen. Mit viel Glück können wir sogar einen Blick durch die Fenster erhaschen und zugucken, was die Menschen am Winterabend so machen."

Weil es mitten im Dezember war, brach die Nacht schon zeitig über das Dorf herein. Die Freunde stapften in winterlicher Stille durch den Schnee. Rechts und links des Weges schimmerte das Licht durch die Fenster nach draußen. Fast keines der Häuser hatte Vorhänge vor den Fenstern und man konnte ungehindert sehen, wie die Menschen um den Tisch saßen und Tee tranken, Handarbeiten machten oder lachten.

Voller Sehnsucht blickten die beiden Reisenden durch die Scheiben und ein gewisser Glanz füllte ihre Augen, als sie beobachteten, wie eine Katze gekrault, ein schlafendes Baby ins Bett gelegt wurde oder ein Mann seine Pfeife an einem Holzscheit ausklopfte.

Eine eiskalte Windböe ließ sie erschauern. Ein beißend kalter Hagelschauer fegte ihnen in die Schultern und sie erwachten aus ihrem Traum. Ihre Zehen waren inzwischen kalt wie Eisklötze, die Beine völlig ermüdet und ihr Bett lag noch weit weg von ihnen.

Zügig verließen sie den Ort und wanderten die Landstraße entlang. Trotz der Finsternis lockten die heimatlichen Felder. Sie rafften die letzten Kräfte auf, und begaben sich auf den Heimweg; schweigend und in Gedanken versunken.

Plötzlich wurde der Maulwurf von einem liebevollen Lockruf erreicht. "Heimat", schoss es ihm durch den Kopf. In diesem Augenblick war ihm sein altes Haus ganz nah. Das Heim, das er an dem Tag, als er zum ersten Mal ans Ufer gekommen war, überstürzt verlassen hatte. Seitdem war er nicht mehr dort gewesen. Und jetzt ereilten ihn sehnsüchtige Rufe, um ihn wieder heimzuführen.

Die vielen neuen Eindrücke hatten ihn so eingenommen, dass er nicht mehr an sein eigentliches Zuhause gedacht hatte. Jetzt aber, inmitten der finsteren Nacht, holten ihn die Erinnerungen ein. Auch wenn es noch so klein und erbärmlich wirkte, es war das Haus, das er sich selbst erschaffen hatte. Dort war er nach der Arbeit zufrieden heimgekommen und auch sein Haus hatte sich mit ihm glücklich gefühlt. Dies alles konnte der Maulwurf mit seiner Nase aufnehmen.

Es war ganz einfach. Er musste diesem Befehl jetzt nur folgen. "Rattenschätzchen", rief er. "Komm her zu mir. Ich muss dir was sagen!", rief er.

Die Ratte ging einfach weiter, ignorierte den Ruf. Da jammerte der Maulwurf. Doch die Ratte war schon zu weit entfernt; hörte den Freund nicht mehr. Weder die Qual in der Stimme noch die Dringlichkeit.

Da stand er nun, der Maulwurf, einsam und verlassen auf der Landstraße, das Herz schien ihm zu zerspringen und er begann zu weinen. Doch so sehr der Ruf der Heimat ihn auch bedrängte, er blieb seinem Rattenfreund treu. Mit letzter Kraft holte er die ahnungslose Ratte ein. Diese begann sogleich zu plaudern, überlegte, was sie daheim alles anstellen würden. Träumte vom Feuer am Kamin und einem gemeinsamen Abendessen.

Dass der Maulwurf keine Antwort gab, bemerkte die Ratte nicht. Erst nach einer langen Weile fragte er nach, weshalb sein Freund so still sei. Zu diesem Anlass machten sie eine kurze Rast an einem Baumstumpf. Da dauerte es nicht lange, bis der Maulwurf vollends die Beherrschung verlor und losheulte. Herzzerreißend.

Die Ratte folgte diesem Gefühlsausbruch überrascht. Sie getraute sich anfangs gar nicht, was zu sagen. Nach einer Weile fragte sie feinfühlig: "Lieber Maulwurf, was ist denn los? Sag mir, was du auf dem Herzen hast. Kann ich dir helfen?"

Da erzählte der Maulwurf zwischen bemitleidenswerten Schluchzern von seinem Heimweh. Und dass er gerufen hatte, aber dass die Ratte schon zu weit entfernt war, den verzweifelten Ruf zu hören. "Es war nicht weit weg, mein Heim. Wir hätten nur kurz hinlaufen können, es uns mal anschauen", sagte der Maulwurf. "Aber du hast dich nicht umgedreht, Rattenschätzchen, einfach nicht umgedreht...

In dieser schrecklichen Erinnerung brach er erneut in Schluchzen aus. Von Kummer geschüttelt konnte er nicht mehr weiterreden. Da starrte die Ratte vor sich hin und sagte kein Wort mehr. Sie tätschelte dem Maulwurf tröstend auf die Schulter und sagte voller Selbstvorwürfe: "Ich war ja so ein Idiot. Nichts habe ich bemerkt, ich gemeiner Idiot."

Als der Maulwurf sich nach einer Weile wieder beruhigt hatte, stand die Ratte auf und sagte: "Los, alter Freund. Worauf warten wir noch." Dann ging er los - aber nicht wie erwartet weiter sondern zurück, zurück auf dem Weg, den sie gekommen waren.

Der Maulwurf war zuerst entsetzt. "Das macht doch keinen Sinn", rief er. "Wir sind schon viel zu weit entfernt und es ist tiefe Nacht."

"Los jetzt", mahnte die Ratte, "ohne deine Nase schaffen wir es nicht. Komm mit."

"Aber denk doch an das Ufer, an den Fluss und das Abendessen", rief der Maulwurf verzweifelt.

"Da pfeife ich drauf. Ich will dein Heim jetzt finden - und wenn es die ganze Nacht andauert", rief die Ratte aus. Der Maulwurf ging der Ratte sträubend hinterher. Nach einer Weile sagte die Ratte: "Jetzt benutze deine Nase wieder, wir sind in der Nähe der Stelle, die du beschrieben hast." Schweigend marschierten sie nebeneinander her, als plötzlich ein elektrischer Schlag durch die Körper der Tiere fuhr. Der Maulwurf, der sich bei der Ratte untergehakt hatte, ließ seinen Freund sofort los. Sie blieben stehen und warteten, bis noch einmal die Signale durchkamen!

Dann kam Leben in den Maulwurf, der sich bisher seinem Schicksal ergeben gezeigt hatte. Er stand kurz still und dann ging er zielstrebig voran. Langsam aber zuversichtlich folgte er den Zeichen, die seine Nase erspürte. Die Ratte hatte Not, dem Freund zu folgen. Sie gingen durch Hecken hindurch, durch trockene Gräben und über ein riesiges freies Feld. Plötzlich verschwand der Maulwurf unter der Erde.

Die Ratte hatte Not, ihm zu folgen. Der Einstieg in den dunklen Gang war eng und es roch intensiv nach Erde. Überhaupt war die Luft schlecht. Der Ratte kam der niedere Gang endlos lang vor und er war erleichtert, als der Maulwurf an einem Zündholz riss. Vom Licht beschienen, konnte die Ratte erkennen, dass sie an einem freien Platz angekommen waren, penibel gefegt und mit feinem Sand bestreut. Von hier aus blickten sie direkt auf die Haustüre des Maulswurfs. Am seitlich angebrachten Klingelzug stand in feinen Lettern geschrieben: "Maulwurfs-End".



Kapitel 14: Maulwurfs-End

Der Maulwurf trat ein in sein Haus. Er nahm die Laterne vom Haken an der Wand und es dauerte nicht lange, bis der Vorhof in hellem Licht erstrahlte. Als die Ratte sich umsah, entdeckte sie auf der einen Seite eine Gartenbank, gegenüber stand ein Rasenroller. Ja, der Maulwurf war penibel. Er mochte es nicht, wenn andere auf seinem Grundstück herumwühlten.

An den Wänden hingen Regale mit Kräutern und Konsolen. Im Vorhof gab es zudem eine Kegelbahn, die von Bänken umgeben war und einen kleinen Goldfischteich, dessen kreisförmige Öffnung mit Herzmuscheln eingefasst war. Im Teich war eine kunstvoll aufgebaute silberne Glaskugel, die den gesamten Vorhof im Spiegel erscheinen ließ. Der Maulwurf strahlte bei diesem Anblick übers ganze Gesicht.

Dann traten sie endgültig ins Maulwurfhaus ein. Als jedoch das Licht das Innere des Hauses bestrahlte, konnte man als erstes die dicke Staubschicht sehen, die sich im Laufe seiner Abwesenheit festgesetzt hatte. Auf den ersten Blick, machte alles einen trübseligen Eindruck. Da begann der Maulwurf wieder entmutigt zu weinen.

Entsetzt schlug er die Pfoten vors Gesicht und rief: "Oh Rattenschätzchen! Wieso sind wir nur hierher gekommen? Bei dir am Fluss wäre es viel schöner gewesen, wir könnten längst am wärmenden Feuer sitzen - und jetzt, sitzen wir hier in dem engen, erkalteten Loch und dazu in einer solchen Nacht."

Die Ratte jedoch war da ganz anderer Meinung. Sie rannte von einer Tür zur nächsten, guckte in Schränke und Zimmer, zündete Kerzen an und rief: "Was für ein prachtvolles Heim! Alles gescheit organisiert, geplant und alles hat seinen Platz! Wir werden hier ein rechtschaffenes Feuer entzünden und dann haben wir eine unvergessliche Nacht. Und die Schlafkojen in der Wand - war das deine eigene Idee? Ich hole jetzt Holz und du wischst den Staub ab."

Durch die Glückseligkeit seines Freundes ermutigt, bewegte sich der Maulwurf, um ein Staubtuch zu holen. Mit viel Eifer polierte er Tische, Stühle und Schränke. Dank der Ratte knisterte bald ein Feuer im Kamin. Doch da hatte der Maulwurf schon seinen nächsten Tiefpunkt erreicht. Verzweifelt saß er auf seinem Sofa, das Gesicht in den Pfoten vergraben.

"Rattenschätzchen", rief er entsetzt, "ich habe nichts zu Essen im Haus, nicht einmal einen kleinen Krümel habe ich in der Vorratskammer!"

"Dass du auch so eine Memme sein musst", antwortete die Ratte. "Reiß dich zusammen. Ich habe einen Büchsenöffner gesehen, also muss es doch irgendwo auch eine Büchse geben; Sardinen oder so was. Los, hilf mir suchen!"

Da zogen die Beiden los, Vorräte zu suchen. Bald hatten sie in den Schränken und Schubladen eine Sardinendose und eine Packung Schiffszwieback gefunden und noch Mettwurst. "Ein Festmahl!", rief die Ratte erfreut.

"Aber kein Brot", jammerte der Maulwurf, "keine Butter und kein ..."

"Ja, der Sekt fehlt und die Entenleberpastete auch", sagte die Ratte grinsend. Dann hüpfte sie auf, ging in den Keller und kam mit zwei Flaschen Bier wieder zurück. "Na was willst du eigentlich? Dir fehlt es doch wahrlich an nichts!" Der Ratte gefiel die Wohnung des Maulwurfs ausnehmend gut, was sie ihrem Freund auch sagte. "Erzähl mal, wie bist du zu dieser hübschen Wohnung gekommen?", fragte die Ratte.

Und während sie den Tisch deckte, begann der Maulwurf zögerlich zu erzählen. Er beschrieb, wie er das Haus geplant hatte, was er von seiner Tante geerbt und das eine oder andere günstig gekauft hatte. Zu jedem seiner Besitztümer gab es eine Geschichte zu erzählen. Der Maulwurf wurde regelrecht gesprächig darüber, dass er beinahe das Essen darüber vergaß.

Der Ratte knurrte bereits der Magen, doch sie zeigte brav Interesse an den Beschreibungen. Als sie den Freund endlich zum Esstisch gelenkt hatte und die Ratte im Begriff war, den Sardinendosenöffner zu betätigen, hörten sie Geräusche auf dem Vorhof. Es glich dem Trippeln kleiner Füße auf Kieselsteinen und feine Stimmchen murmelten draußen.

Lediglich Teile des Gesprächs konnte man drinnen hören: "Stellt euch der Reihe nach auf!", war zu hören, oder "Wo ist denn der kleine Bill? Beeilt euch endlich."

Die Ratte fragte, was das denn bedeuten solle. Der Maulwurf ahnte schon, was da gleich geboten sein würde... "Das sind sicher die Feldmäuse. Im Advent ziehen sie um die Häuser und singen Weihnachtslieder. Maulwurfs-End bildet immer den Abschlussauftritt. Dann bekommen sie warmen Tee und wenn ich was da habe, auch Abendbrot. Oh, ich freue mich so, sie zu hören. Wie früher!"

"Dann öffnen wir doch die Tür. Ich will sie sehen!", rief die Ratte.

Das Bild vor der Haustüre war einmalig. Um die zehn Feldmäuse standen im Halbkreis vor der Tür; rote dicke Schals aus Wolle um den Hals, die Vorderpfoten in der Manteltasche und in der Kälte von einem Bein aufs andere hüpfend. Sie kicherten, blickten scheu zur Tür und gelegentlich wischte sich eine von ihnen die Nase mit dem Ärmel ab.

Wie die Türe aufging, erhoben sich die Stimmchen und das erste der festlichen Adventslieder erklang über den Vorplatz von Maulwurf-End. Als die Stimmen verstummten, erklang von weit her das Freudengeläut der Glocken. Die Ratte rief erfreut: "Ihr habt wunderbar gesungen, kommt herein und wärmt euch auf. Es gibt was Warmes zu trinken."

Der Maulwurf schloss sich der Einladung an und wie die Tür hinter allen zugefallen war, fiel er schon wieder in seinen Sessel. "Oh Rattenschätzchen, wir haben doch gar nicht so viel zu trinken im Haus", rief er wieder verzweifelt. Doch die Ratte hatte schnell eine Lösung parat. Sie schickte eine der Feldmäuse zum nächsten Laden. "Du gehst jetzt und besorgst... Ja, ein Pfund", hörte der Maulwurf nur bruchstückhaft. Mit einem Einkaufskorb in der Hand ging die Feldmaus los.

Die anderen Mäuse hockten auf der Bank, die baumelnden Beine wurden langsam warm in der Hitze des Kaminfeuers. Dazu begann die Ratte, aus dem Bier ein Glühbier zu kochen. Bald saßen die Mäuse lachend und erzählend am Feuer, schlürften warmes Bier und hatten bereits die Kälte vergessen. Sie erzählten und gaben Texte von Theaterstücken des Vorjahres zum Besten. Doch als die Türklinke sich bewegte, war es vorbei mit den Erzählungen. Die Feldmaus stellte den gefüllten Einkaufskorb auf den Tisch und man bereitete aus den Speisen ein herrliches Abendmahl.

Ohne lange zu zögern griffen alle zu, dann ließ auch der Maulwurf sich nicht mehr lange bitten und langte zu. Er war ausgehungert und freute sich, welch schönes Fest am Tage seiner Heimkehr stattfand.

Die Feldmäuse erzählten den neuesten Klatsch und Tratsch aus dem Dorf. Die Ratte war überaus gastfreundlich. Da machte sich der Maulwurf keine Sorgen mehr. Nach einer Weile verabschiedeten sich die Feldmäuse und wünschten ein frohes Weihnachtsfest. Vorher dankten sie den beiden gastfreundlichen Tieren für das üppige Mahl und die zahlreichen Geschenke, die sie für ihre kleinen Geschwister noch mitnehmen durften.

Maulwurf und Ratte räumten kurz auf, zogen ihre Sessel vor das Kaminfeuer und begaben sich alsbald zu Bett. "Was für ein gemütliches Heim du hast", schwärmte die Ratte noch einmal. Der Maulwurf kuschelte sich ins heimelige Kissen in seiner Schlafkoje und war zufrieden. Sein Blick schweifte noch einmal durch den Raum und ihm wurde klar, was die Ratte ihm hatte zeigen wollen.

So bescheiden das hier alles war, so schön und bedeutungsvoll war das Heim für ihn. Natürlich wollte er von der Freiheit des Lebens am Ufer und am Fluss nicht mehr ablassen - jetzt hatte er das Leben in Sonne und Wind kennen gelernt und wollte es nicht mehr missen. Doch es war beruhigend, jederzeit in das eigene Heim zurückkehren zu können. In die gemütliche Erde, an diesen Fleck, der ihm gehörte. Hier freuten sich alle, ihn wieder zu sehen und er fühlte sich willkommen.



Kapitel 15: Der Kröterich

Es war Frühsommer, der Fluss war gerade gesunken und strömte in alter Manier. Die Sonne brannte hernieder und leitete Grünpflanzen an, ihren Weg aus der Erde zu finden und ermunterte das Laub, sich aus den Ästen der Bäume und Büsche zu wagen.

Maulwurf und Wasserratte kamen schon seit dem frühen Morgen emsiger Beschäftigung nach. Die Rudersaison nahte und es galt, Boote zu streichen und lackieren, Riemen zu flicken und so weiter. Just als sie mit ihrem zweiten Frühstück fertig waren und die weiteren Tagespläne besprechen wollten, klopfte es an die Tür.

Vor Schreck bekleckerte sich die Ratte mit Ei. "Verflixt", maulte sie. Der Maulwurf ging zur Tür und die Ratte hörte den erstaunten Ruf seines Freundes. Schließlich war es Meister Dachs, der zur Wohnzimmertür hereinkam. Dies war nun wirklich etwas Seltenes. Davon abgesehen, dass der Dachs sowieso schlecht zu erreichen war, kam es so gut wie nie vor, dass er jemanden besuchte.

Deshalb ließ die Ratte den Eierlöffel sinken, als der Dachs mit festem Schritt das Wohnzimmer betrat und verkündete: "Die Stunde ist gekommen!"

"Welche Stunde?", fragte die Ratte nervös.

"Frag lieber, wessen Stunde", sagte Meister Dachs. "Ich meine die Stunde des Kröterichs. Ich erwähnte es bereits. Wenn der Winter vorüber ist, wolle ich mich um das Problem kümmern. Und ab heute soll es so sein!"

"Kröterichs Stunde", rief der Maulwurf begeistert aus. "Genau! Ich erinnere mich, dass wir eine vernünftige Kröte aus ihm machen wollten!"

Der Dachs setzte sich in den Lehnsessel und berichtete das Neueste vom Kröterich. Auf Krötenhall sei schon wieder ein neues Auto angeliefert worden, wusste Dachs zu berichten. Wir müssen Maßnahmen ergreifen, bevor alles zu spät ist. Wer weiß, zu welchen Dummheiten die Kröte sonst fähig ist.

Maulwurf und Ratte waren mit von der Partie. Sie machten sich alsbald auf den Weg. Der Dachs führte die kleine Reisegruppe an. Auf dem Weg besprachen sie, dass sie das unglückselige Tier schon retten würden. Bei der Auffahrt von Krötenhall entdeckten sie ein nagelneues rotes Auto. Es stand beim Portal vor dem Haus. Kröterich kam gerade heraus. Er trug Schutzbrille, Mütze und Mantel, um den Staub abzuhalten.

Fröhlich hieß er die Freunde willkommen. "Ihr kommt gerade richtig...", sagte er heiter. Doch als er in die ernsten Gesichter blickte, blieb ihm das Wort im Halse stecken. Die finsteren Mienen kamen ihm komisch vor. Da rief der Dachs bereits: "Ab ins Haus mit ihm!"

Sie zogen den Kröterich ins Haus zurück, so sehr er sich auch wehrte. Er wand sich und strampelte - umsonst. Der Dachs wandte sich an den Chauffeur, der beim neuen Auto stand und schickte ihn weg. "Man wird Sie heute wohl nicht brauchen", sagte er. "Überhaupt wird man diesen Wagen nicht mehr brauchen. Dies ist eine endgültige Entscheidung", setzte er hinzu.

Er forderte in der Halle erst einmal den Kröterich auf, diese albernen Sachen auszuziehen. Natürlich versuchte der Kröterich, sich aufs Äußerste zu wehren. Doch es war müßig. Der Dachs machte seine Drohung wahr, und Maulwurf und Ratte waren ihm behilflich. Gemeinsam rissen sie der Kröte die Angeberkleider vom Leibe. Wie er da so stand, war er nicht mehr der eingebildete Held der Landstraße.

Der Dachs sprach ein ernstes Wort mit ihm. "Du hast das ganze Geld zum Fenster herausgeworfen, das dein Vater dir vererbt hat!", warf er ihm vor. Und all die anderen Vorkommnisse der letzten Wochen - Unfälle, Auseinandersetzungen mit der Polizei und vieles mehr. Der Dachs zerrte den Kröterich zu einer Aussprache unter vier Augen in den Leseraum.

Ratte und Maulwurf bezweifelten, dass Reden mit dem Kröterich tatsächlich zum Erfolg führen sollte. Vor der Tür hörten Sie, wie die Stimme von Meister Dachs anschwoll und wieder schwächer wurde. Beinahe eine Stunde später kamen Dachs und Kröterich heraus. Letzterer ziemlich geschwächt und aufgelöst. Seine Haut war fahl und schlotterte wie ein leerer Beutel um seine Glieder, seine Beine waren gummiweich, die Wangen waren tränenverschmiert.

Doch als er den Freunden berichten sollte, dass er seine Leidenschaft für Automobile aufgeben würde, wurde er schweigsam. Meister Dachs hakte nach: "Los, sag ihnen, was du mir drinnen im Zimmer versprochen hast. Du wirst das Autofahren aufgeben...

Nach einer langen Pause sagte der Kröterich mit trotziger Stimme: "Nein, es tut mir gar nichts leid! Ich finde Autofahren herrlich, wunderbar!"

Dem Dachs stockte vor Fassungslosigkeit der Atem, als ihm klar wurde, dass der Kröterich ihn hintergangen hatte. Er wurde wütend. "Wenn du nicht vernünftig werden willst, müssen wir so lange hier bleiben, bis du nachgibst. Du hattest uns freundlicherweise eingeladen; Heute nehmen wir die Einladung an. Bringt ihn hinauf in sein Schlafzimmer und schließt ihn ein!", rief der Dachs energisch.

Das machten Ratte und Maulwurf dann auch. Sie erklärten ihrem Freund, dass alles nur zu seinem Besten sei. "Keine Zusammenstöße mehr mit der Polizei, keine Aufenthalte im Krankenhaus mehr und keine Geldverschwendung mehr", versicherten sie ihm. Sie bewachten ihn auch die ganze Nacht, schliefen abwechselnd bei ihm. Kröterich bekam eigentümliche Wutanfälle, die ihm höllische Geräusche entlockten.

Jedoch wich die Wut irgendwann einer tiefen Niedergeschlagenheit. Als die Ratte eines Morgens den Dachs mit der Wache ablösen wollte, war dieser total kribbelig und nervös. "Kröterich schläft noch", sagte er. "Wenn er so still ist, führt er meist was im Schilde", sagte der Dachs. "Pass also auf!"

Als die Ratte nach dem Kröterich sah, lag dieser geschwächt in seinem Bett. Unvorsichtigerweise erzählte die Ratte, dass Maulwurf und Dachs im Wald einen Spaziergang machten. Da drehte der Kröterich sich um. "Ach ich weiß, du verstehst mich", sagte er. "Natürlich bin ich eine Last für euch", jammerte er weiter vor sich hin.

Da sagte die Ratte, dass sie alles dafür tun würde, wenn der Kröterich nur endlich zur Vernunft kommen wolle. Diesen Moment hatte der Kröterich erhofft und sagte: "Oh, wenn dem so wäre, wünschte ich, du würdest im Dorf den Arzt holen. Und den Rechtsanwalt." Er spielte der Ratte ein Theater vom sterbenskranken Kröterich vor, der die Vorbereitungen für sein letztes Stündlein zu treffen gedachte.

Als Kröterich den Rechtsanwalt erwähnte, dachte die Ratte besorgt, dass es jetzt schon sehr schlecht um ihn stehen müsse. Er dachte kurz nach, dann beschloss er, dem ungewöhnlichen Wunsch des Kröterichs auch ohne Absprache mit Dachs und Maulwurf nachzukommen. So machte er sich beherzt auf den Weg.

Kaum dass er um die Ecke gegangen war, hüpfte der Kröterich aus seinem Bett. Er zog seinen pfiffigsten Anzug an und füllte seine Taschen mit Münzen. Dann knotete er die Leintücher aneinander, machte sie am Fensterkreuz fest und ließ sich an der Außenwand abgleiten. Fröhlich pfeifend machte sich die Kröte in die entgegengesetzte Richtung der Ratte auf den Weg.

Als gegen später alle wieder daheim waren, kann man sich ja denken, welche Meinung der Dachs zu dem Ganzen hatte. Seine beißenden Bemerkungen waren kaum auszuhalten. "Da hast du ein dickes Brett vor dem Kopf gehabt, Rattenschätzelchen", sagte er. Die Ratte war natürlich niedergeschlagen.

"Jetzt ist er uns entwischt! Doch ein Gutes hat es. Wir sind wieder frei und müssen nicht mehr unsere Zeit mit Wachdienst verbringen", setzte er hinzu. Außerdem würde Kröte sowieso bald zurückgebracht werden - ob von der Polizei oder vom Rettungsdienst, das würde man sehen.



Kapitel 16: Kröterich im Kerker

Währenddessen marschierte der Kröterich über die Landstraße; ja, er tanzte fast. Im Geiste kicherte er und freute sich über diesen fulminanten Sieg. Er hatte mehrmals die Richtung gewechselt. Die Sonne strahlte den ganzen Tag. "Oh je, die Ratte wird vom Dachs eine gehörige Abreibung zu erwarten haben", murmelte die Kröte.

Er dachte darüber nach, dass dies wohl das Los von zu geringer Bildung sein musste. Er hielt die Ratte wohl für einen prächtigen Kerl, doch viel Hirnschmalz hatte er nicht. Na ja, vielleicht ließe sich wohl eines Tages noch was aus ihm machen. Darüber dachte der Kröterich so nach, als er über die Landstraße lief.

Beschwingt erreichte er die kleine Stadt, wo er auf das Wirtshaus "Roter Löwe" stieß. Als er das las, fiel ihm ein, dass er noch gar nichts gefrühstückt hatte. Er trat ein und bestellte sie das leckerste Mittagessen auf der Karte. Als er die Hälfte gegessen hatte, hörte er von draußen ein nur zu bekanntes Geräusch. "Hup, Hup!" Er hörte, dass ein Auto im Hof des Gasthauses parkte.

Um nicht gleich aufzuspringen, umklammerte die Kröte den Tischfuß mit seinen Beinen. Kurze Zeit später kam eine Reisegesellschaft zu ihm in den Raum, redselig und hungrig. Als Kröte eine Weile zugehört hatte, hielt er es nicht mehr aus. Er bezahlte an der Theke und schlich zum Gasthaus hinaus. "Ich will es nur ansehen", sagte er vor sich hin.

Das Auto stand mitten auf dem Hof. Niemand achtete darauf, wie der Kröterich interessiert herumschlich und versunken nachdachte. "Bin eigentlich nur neugierig, ob diese Automarke leicht anspringt", überlegte er. Und kaum hatte er es gedacht, saß er bereits drin, die Anlasserkurbel in der Hand und das geliebte Tuckern im Ohr. Da brach die alte Leidenschaft in Kröterich hervor und wie in Trance löste er die Bremse und rollte zum Hof hinaus. Da brauste er über die Landstraße, in dem Wissen, dass er wieder der Alte war. Kröterich, der Automobil-Liebhaber. Dies war seine Stunde und er gedachte, sie zu genießen.

Was dann kommen sollte, war ihm in diesem Moment egal.

Der Richter stellte fest, dass es schwierig sei, dem Kröterich eine sinnige Strafe aufzuerlegen. "Aufgrund der Beweise befinden wir ihn für folgende Taten für Schuldig: Diebstahl eines wertvollen Automobils, allgemeingefährlicher Fahrstil und schwere Beleidigung eines Polizisten!" Dann wollte er noch vom Staatsanwalt die angemessene Höchststrafe für solche Vergehen wissen. Über die Möglichkeiten der Einsprüche müsse man sich in diesem Fall nicht unterhalten, setzte der Richter noch hinzu.

Der Staatsanwalt benötigte einige Minuten, die Strafzeiten zusammenzuzählen. Zwölf Monate für den Diebstahl, drei Jahre für die unglaubliche Raserei und am Schlimmsten zu werten sei die Beleidigung der Amtsperson. Für die gäbe es fünfzehn Jahre. "Bei genauem Nachrechnen sind es 19 Jahre", sagte der Staatsanwalt. "Doch zur Sicherheit sollten wir auf 20 Jahre aufrunden."

Der Richter nickte anerkennend und lobte diesen Vorschlag. "Angeklagter, diesmal kommen Sie mit zwanzig Jahren davon! Und denken Sie daran. Wenn ich Sie hier noch einmal sehe, dann werde ich mich ernsthaft mit Ihnen befassen müssen!", donnerte er mit respekteinflößender Stimme durch den Gerichtssaal.

Danach ging alles ganz schnell. Die derben Diener des Gerichtes stürzten sich auf den Kröterich. Sie legten ihn in Ketten und zerrten ihn über den Marktplatz. Dort wurde Kröterich von den Menschen verspottet und mit Schimpfwörtern belegt.

Die Gerichtsdiener führten ihn über die Zugbrücke, unter dem Fallgitter hindurch ins düstere alte Schloss, deren mittelalterliche Türme einschüchternd über ihnen aufragten. Sie gingen an den Wachstuben vorbei, aus denen Soldaten herausgrinsten. Vorbei an den angeketteten Bluthunden, die lüstern hechelten und an Folterkammern, dem Raum mit den Daumenschrauben und schließlich am Fallbeil vorbei in Richtung Kerkereingang. Der steinalte Gefängniswärter rasselte bereits erwartungsvoll mit seinem riesigen Schlüsselbund.

"He, Alter", sagte der Gerichtsdiener, "nimm diese ekelhafte Kröte in Empfang. Ein Schwerverbrecher von unvorstellbarer List! Bewache ihn ausgesprochen gut. Und bedenke, wenn ihm etwas zustößt hier, dann kostet es deinen Kopf!"

Grimmig stand der Kerkermeister auf, packte die Kröte an der Schulter. Der Schlüssel knarrte im verrosteten Schloss. Kröterich wurde hineingestoßen. Hinter ihm fiel die Tür schwer ins Schloss. Damit befand sich Kröterich in hilfloser Gefangenschaft. Er saß im sichersten Schloss von England im bestbewachten Gefängnis, im tiefsten Kerker.


Kapitel 17: Kröterichs Abenteuer

Es dauerte nicht lange, bis Kröterich begriff, in welch misslicher Lage er sich befand. Da warf er sich auf den feuchten Kerkerboden, umgeben von der grimmigen Finsternis der mittelalterlichen Festung und vergoss verzweifelte Tränen. Die sonnige Landstraße, auf der er sich vor kurzer Zeit noch so glücklich gefühlt hatte, lag nun ewig weit weg von ihm, draußen in der Welt.

Kröterich versank in tiefem Selbstmitleid. "Jetzt ist alles aus", sagte er. Bald würde sich niemand mehr an den beliebten schönen Kröterich erinnern. Diesen reichen, sorglosen und immer höflichen Kerl. Er war hoffnungslos. Denn ihm war klar, dass er seine Strafe verdient hatte. "Wie sollte man mich wieder auf freien Fuß setzen, wo ich doch diesen verruchten Autodiebstahl begangen habe und dazu noch den fettleibigen Polizisten wahrhaft fantasievolle Beleidigungen ins Antlitz geschmettert habe, die dieselben mit hochroten Köpfen registrierten!", jammerte der Kröterich.

Er dachte an seine Freunde. Die kluge Ratte, den gescheiten Dachs und den toleranten Maulwurf! Sie hatten Recht gehabt mit ihren Vorhersagen! Oh je, ich bin verloren!" jammerte die Kröte wochenlang. Er entsagte selbst der leichtesten Kost und Erfrischung. Und das, obwohl der Kerkermeister ihm Bequemlichkeiten und Luxus versprach, ob der zahlreichen Geldscheine, die er in Kröterichs Taschen gesehen hatte.

Die Tochter des Kerkermeisters tat gelegentlich Dienst bei ihrem Vater. Die liebreizende Tierfreundin brachte ihrem Kanarienvogel, den Mäusen und ihrem Eichhörnchen alle möglichen Kunststücke bei, obwohl es sich hierbei um schwierige Tiere handelte. Und weil der Kerkermeister das Gejammer der Kröte nicht mehr ertragen konnte, erlaubte er seiner Tochter, ihre geduldige Ader beim Kröterich zu versuchen.

Mit schmeichelndem Blick betrat sie die Zelle und sagte: "Kopf hoch, wisch dir die Tränen ab und sei ein braves Tier. Hier, probier doch mal von dem Abendbrot. Ich habe dir Eintopf aus Rindfleisch und Gemüse von mir mitgebracht." Der leckere Duft erfüllte die enge Zelle. Der Kohlgeruch erreichte Kröterichs Nase zuerst und erweckte in ihm kurz die Hoffnung, dass das Leben eventuell doch noch verlockende Aspekte für ihn bereithalten könnte. Dennoch weinte er weiter und verweigerte damit jeden Trost.

Er erging sich in um das schöne Leben auf Krötenhall. Er hörte das Scharren der Stuhlbeine und das tröstliche Geklapper von Geschirr. Er hoffte, dass seine Freunde etwas für ihn unternehmen würden. Langsam freundete sich Kröterich mit der Luft in der Zelle an und überlegte, weshalb er sich keine Anwälte genommen hatte. Bei seinem Verstand hätte er da sicher etwas bewegen können. Mit diesen Gedanken schritt der Heilungsprozess deutlich voran.

Stunden später kam das Mädchen mit einer Kanne duftendem Tee zurück. Daneben ein Teller mit heißen Buttertoasts. Der verlockende Duft der krossen Toastscheiben erinnerte den Kröterich an mollig warme Küchenatmosphäre und dämmrige Stunden vor dem Kamin. Deshalb trocknete er seine Augen, futterte den Toast und schlüfte von dem heißen Tee. Völlig frei begann er, dem Mädchen von seiner Heimat zu erzählen.

Schnell merkte sie, wie wohl dem Kröterich der Plausch tat und sie ermunterte ihn, noch mehr zu erzählen. Das sollte man dem Kröterich nicht zwei Mal sagen müssen. Er prahlte um sein Herrenhaus und die Türme aus dem 14. Jahrhundert, die sein Anwesen schmückten. Er schwärmte so lange von den modischen Badezimmern und allen Annehmlichkeiten, bis das Mädchen lachend rief: "Ich möchte es doch nicht kaufen!"

Am liebsten mochte sie die Stelle mit den Geschirrschränken und der Wäschemangel, wenn der Kröterich Lieder sang, und alle Tiere um den Tisch versammelt saßen. Dann fragte sie ihn über seine Tierfreunde aus, wie sie lebten und so ... Natürlich erwähnte sie mit keiner Silbe, wie tierfreundlich sie war und wie gerne sie Haustiere mochte. Sonst wäre der Kröterich ziemlich beleidigt gewesen.

Abends pfiff der Kröterich dann noch zwei Lieder, rollte sich ins Heu und schlief friedlich träumend durch die Nacht. Nach diesen intensiven Unterhaltungen, tat der Kröterich der Tochter des Kerkermeisters immer mehr Leid. Und es erschien ihr immer unglaublicher, dieses arme Tier wegen eines Verbrechens einzukerkern, das so lachhaft schien.

Diese nachdenkliche Stimmung des Mädchens ließ den eitlen Kröterich denken, das Mädchen könnte in seiner Schüchternheit ihm zugeneigt sein. Fast bedauerte er, dass die gesellschaftlichen Unterschiede ihm unüberbrückbar vorkamen, wo sie doch so ein hübsches Mädchen war. Und sie verehrte ihn doch augenscheinlich.



Kapitel 18: Kröterichs Flucht

Eines Morgens betrat die Tochter des Kerkermeisters in Gedanken versunken die Gefängniszelle des Kröterichs. An diesem Tag schenkte sie den witzigen Sprüchen und geistesgegenwärtigen Reden des Kröterichs kein Gehör.

"Hör mir mal zu", sagte sie in ernstem Tonfall. "Meine Tante ist doch Wäscherin."

"Ach, das macht doch nichts", sagte Kröterich in gnädigem Tonfall, "denk nicht immer dran. Einige meiner Tanten sollten auch Wäscherinnen sein."

"Halt jetzt den Mund", wies sie ihn zurecht. "deine Geschwätzigkeit ist dein größter Fehler! Ich denke gerade nach. Also - meine Tante ist Wäscherin und erledigt für alle Gefangenen die Wäsche. Sie holt jeden Montag die schmutzige Wäsche ab und bringt sie freitags wieder zurück. Heute ist Donnerstag und ich habe mir was überlegt: Du hast doch viel Geld, so wie du redest. Und meine Tante ist sehr arm. Wenn du ihr auf die richtige Art und Weise entgegenkommst, sie vernünftig ansprichst, dann könntest du ihr für ein paar Pfund ein Geschäft vorschlagen. Sie soll dir ihr Kleid und die Haube geben, damit du den Kerker unbehelligt verlassen kannst. Vor allem ihre Figur ist deiner ähnlich."

"Bestimmt nicht!", antwortete die Kröte überheblich, "sieh dir mal meine elegante Statur an."

Das Mädchen versuchte ihn zu überreden und sie verteidigte die Figur ihrer Tante. Sie nannte ihn ein aufgeblasenes, wenig dankbares Tier. Wo sie ihm doch nur helfen wolle, setzt sie hinzu.

"Du wirst doch nicht ernsthaft wollen, dass ich als Wäscherin verkleidet umhergehe", sagte der Kröterich hastig. Er wollte die Situation retten. "Vermutlich hast du Recht und ich werde versuchen, mit deiner Tante ins Geschäft zu kommen."

Am nächsten Tag stellte das Mädchen ihn der Tante vor. Kröterich zog sich ein gemustertes Baumwollkleid, eine Schürze, ein Schultertuch und ein schwarzes Kopftuch an. Einzig eine Bedingung knüpfte die Waschfrau an das Geschäft. Kröterich solle sie fesseln und in eine Ecke schubsen, sagte sie. Durch diesen Trick würde man nicht erkennen, dass sie diesem schweren Verbrecher zur Flucht verholfen habe.

Kröterich zeigte sich begeistert und tat wie ihm geheißen. Damit würde er das Gefängnis stilvoll verlassen und er würde seinen abenteuerlichen Ruf nicht einbüßen müssen. Das Mädchen kicherte und sagte: "Du siehst ihr zum Verwechseln ähnlich. Sicher hast du noch nie im Leben so ehrenvoll ausgesehen. Und vergiss nicht, dass du eine ehrbare, alleinstehende Witwe bist."

Mit klopfendem Herzen machte sich Kröterich auf den Weg. Doch sein Weg in Richtung Freiheit gestaltete sich überraschend einfach. Die Waschfrau war bekannt und wer auch immer den bekannten Baumwollkittel sah, öffnete die Tore. Die Zeit bis zur letzten Tür kam ihm endlos lange vor, zumal er manchmal nicht wusste, in welche Richtung er gehen sollte. Endlich hatte er die letzte Wachstube hinter sich und war den ausgebreiteten Armen des Wärters entwischt, der einen Abschiedskuss haben wollte.

In der Welt draußen wusste er im ersten Moment nicht, wo er hingehen sollte. Er blickte zum Himmel, fühlte den frischen Hauch des Windes über seine Stirn huschen und fühlte Freiheit in sich aufkeimen. Vom Fortschritt des Ausbruchs begeistert, entschied er sich für den Weg in Richtung Stadt.

Bald schon erkannte er die roten und grünen Lichter des Bahnhofs. "Welch ein Glück", dachte der Kröterich. Er studierte den Fahrplan und erkannte, dass in einer halben Stunde ein Zug in Richtung Krötenhall fahren würde. Wieder dachte er: "Welch ein Glück!", und ging zum Schalter.

Selbstbewusst nannte er die Station und kramte gleichzeitig nach der Geldbörse. Er fand seine Hände in der Tasche des Baumwollkittels wieder, das ihm bislang treu gedient hatte, jetzt aber völlig falsch war. Denn seine Geldbörse konnte nicht hier drin sein. Verzweifelt überlegte Kröterich, bis ihm klar wurde, dass sein Geld noch in seinen Kleidern in der Gefängniszelle sein musste. Inzwischen war die Schlange der wartenden Fahrgäste am Schalter endlos lang geworden. Die Leute begannen, ihm sinnlose Ratschläge zu geben.

Was sollte ihm das nützen, wenn alles in der Zelle war: Taschenkalender, Geld, Schlüssel, Uhr, eben alles, was für ein vernünftiges Leben notwendig war. Außerdem galt er dadurch als vieltaschiges Tier, stand damit über den eintaschigen oder gar keintaschigen Freunden. Kröterich startete noch einen Versuch.

"Ach, junger Mann. Ich merke gerade, dass ich mein Geld vergessen habe. Geben Sie mir einfach die Fahrkarte und ich lasse Ihnen das Geld später herüberschicken. In dieser Gegend kennt man mich ja schon", setzte er hinzu.

Der Beamte brach in Gelächter aus. Er blickte auf das schwarze Kopftuch und die Schürze und rief: "Tja, und ob Sie hier in der Gegend bekannt sind, Mütterchen. Dieses Spiel versuchen sie ja nicht zum ersten Mal." Mit diesen Worten schickte er den Kröterich weg.

Verzweifelt stolperte er in Richtung der Gleise. Bittere Tränen rollten ihm über die Wangen. Da war er dem sicheren Zuhause schon so nahe gewesen und jetzt, was sollte jetzt werden. Ach, sie würden ihn einfangen, wieder hinter Gitter bringen, die Kröte malte sich das Schrecklichste aus. Er könnte sich ja unter den Sitzen verstecken, wie es Schulkinder manchmal machten, die ihr Geld anderweitig ausgegeben hatten.

Während er um eine Lösung suchte, kam er zu einem Lokführer, der gerade sein Gefährt polierte. Mit Ölkanne und Lappen in der Hand war er mit liebevollen Bewegungen zugange. "Mütterchen, wie siehst du denn aus", begrüßte er den Kröterich. Der erzählte nur zu gerne sein Leid.

Der Lokomotivführer überlegte kurz und machte dann einen Vorschlag. Kröterich, der ja immer noch als Waschfrau verkleidet war, solle ihm seine Hemden waschen. Dann könnte er ihn mitnehmen. "Das darf ich zwar nicht, aber hier in der Gegend nimmt man es mit den Vorschriften nicht so genau", setzte er hinzu.

Dieses Angebot nahm Kröterich nur zu gerne an. In Windeseile war er auf den Führerstand geklettert. Natürlich konnte er keine Hemden waschen, das wusste er. Doch wenn er erst zuhause war, dann könnte er die Hemden des Lokführers waschen lassen und die Wäscherin dafür bezahlen. Jawohl, so würde er es machen.

Es pfiff am Bahnsteig und der Zug rollte los. Mit immer schneller werdender Geschwindigkeit flogen Bäume, Kühen und Häuser an dem Kröterich vorbei. Jede Minute brachte ihn näher an seine Heimat, Krötenhall. Wenn er daran dachte, wie alle seine Freunde sich mit ihm freuen würden, meinte er den Beifall schon hören zu können. Bei dem Gedanken hüpfte er auf und ab, begann vor Freude Lieder zu singen, dass sich der Lokführer wundern musste. Er hatte in seinem Leben schon einige Waschfrauen kennen gelernt, aber noch nie so eine!

Sie hatten schon einige Meilen zurückgelegt, als der Lokführer nachdenklich den Kopf drehte. Er drosselte die Maschine, weil er glaubte, einen Zug zu hören. Normalerweise komme nach ihnen keine Lokomotive mehr, sagte er zum Kröterich. Der war verzweifelt. Ihm war sofort klar, was jetzt kommen musste. Ein schwerer Schmerz fuhr ihm durch Mark und Bein.

Inzwischen hatte der Lokführer die Verfolger entdeckt. "Die sind bald da", rief er, "die Leute auf der Lok sehen aber eigenartig aus. Wie Kerkermeister, Polizisten oder Detektive in Zivil. Ich kann erkennen, wie sie ihre Revolver und Stöcke schwenken. Und sie rufen, dass ich anhalten soll."

Kröterich ließ sich auf die Kohlen plumpsen und schlug die Hände über dem Kopf zusammen. Jetzt blieb ihm nur noch eins. Er musste sich zu erkennen geben. "Ich bin die berühmte Kröte. Und mir ist es heute gelungen, dem Kerker zu entrinnen, in den meine Feinde mich gebracht haben." Er erzählte, dass er wochenlang bei Wasser und Brot in einer Zelle gehaust habe.

Der Lokführer blickte streng: "Warum? Wieso warst du im Knast?"

Kröterich versuchte, ihm die missliche Lage mit dem gestohlenen Auto zu erklären, das er ja nicht wirklich stehlen wollte sondern nur ausleihen. Der Lokführer machte ein noch strengeres Gesicht. "Eigentlich müsste ich dich ausliefern", sagte er mit drohendem Unterton, "aber ein Tier mit Tränen in den Augen, das macht mich fertig. Also, keine Bange, Kröterich. Wir machen jetzt Tempo, dann holen die uns nicht ein."

Gesagt, getan - sie schaufelten Kohlen nach wie verrückt. Da spuckte die Lok fast Feuer, so schnell wurde sie. Schweiß von ihrer Stirn. Und trotzdem schien es, dass die Verfolger ihnen immer näher kamen. Da hatte der Lokführer eine Idee. Nach dem nächsten Tunnel würde er Dampf ablassen und in diesem Moment sollte der Kröterich abspringen und sich im Wald verstecken. Dann würde ihn niemand sehen können.

Mit voller Geschwindigkeit fuhren sie in den Tunnel rein und just nachdem sie wieder herausfuhren, bremste der Lokführer seine Lokomotive ab und Kröterich hüpfte im Dampf vom Trittbrett. Er rollte die Böschung hinab, rannte unverletzt in den naheliegenden Wald und versteckte sich. Ein Blick zurück zeigte ihm, wie glücklich er sich schätzen konnte. Die Verfolger waren seiner Lok sehr nahe gekommen und riefen: "Anhalten! Anhalten!"

Als er wieder einen klaren Gedanken fassen konnte, wurde ihm klar, dass er sich ganz alleine auf sich gestellt im dunklen Wald befand. Aus der Ferne hörte er noch das röhrende Geräusch des Zuges. Er war schockiert, als das auch aufhörte. Da marschierte er noch tiefer in den Wald, in der Hoffnung, alles hinter sich lassen zu können. Nach der Zeit im Gefängnis empfand er den Wald als bedrohlich und fremd.

Die Geräusche des Waldes ließen ihn fürchten, dass Gefängniswärter ihn suchten. Als eine Eule ihn mit dem Flügelschlag streifte, glaubte er, es wäre eine Hand gewesen und fuhr entsetzt zusammen. Einmal kam ein Fuchs auf ihn zu, der sich beschwerte, die letzte Ladung Wäsche wäre nicht in Ordnung gewesen. Hässlich lachend suchte er sogleich das Weite mit den Worten: "Pass auf, dass das nicht wieder vorkommt!"

Kröterich war inzwischen völlig erschöpft. Er suchte sich einen hohlen Baum, machte ein einfaches Lager und legte sich aufs Laub. So schlief er bis zum nächsten Morgen.



Kapitel 19: Kröterich und die Schiffersfrau

Weil der hohle Baum sich nach Osten hin öffnete, wurde Kröte schon früh wach. Die Sonnenstrahlen fielen ihm direkt ins Gesicht und zudem hatte er eiskalte Füße. Sie waren so kalt, dass er glaubte, von kalten Wintergeschichten geträumt zu haben.

Schlaftrunken setzte er sich auf und rieb erst die Augen und dann die Füße. Er musste überlegen, wo er sich befand. Zuerst glaubte er, im Kerker zu sitzen. Doch weil weder Mauern noch vergitterte Fenster in der Nähe waren, fiel ihm alles wieder ein. Der Ausbruch, seine Flucht, die Verfolger und vor allem die Freiheit! Diese Vorstellung war die Beste von allen und mehr Wert als alle wärmenden Wolldecken der Welt.

Allein der Gedanke an den triumphierenden Empfang in der Welt da draußen ließ ihn warm werden. Mit klammen Fingern kämmte er sich das Laub aus den Haaren, dies war genug der morgendlichen Pflege. Er hatte zwar Hunger und ihm war kalt, doch die Nachtruhe und der einladende Sonnenschein verdrängte alle Strapazen des Vortages.

An diesem Sonntagmorgen durchwanderte er den Wald, der still schweigend vom Tau glänzend eine besonders friedliche Stimmung verbreitete. Auch die Straße, die er alsbald erreichte, schien von Einsamkeit umfangen zu sein. Kröterich hielt Ausschau, ob jemand ihm Auskunft geben könnte, in welche Richtung sein Weg nach Krötenhall führen sollte.

Doch niemand kam des Weges. Nach einer Weile schlängelte sich ein Kanal entlang der Straße. Um die nächste Biegung kam ein Pferd getrabt und hatte den Kopf tief in Gedanken versunken mit dem Blick zur Erde gesenkt. Von seinem Geschirr aus, hing eine Leine ins Wasser, mal spannte sie sich, mal fiel sie locker und Kröterich ließ den Gaul vorbeitraben.

Kurz darauf erkannte er den Schleppkahn, der übers ruhige Wasser glitt. Einzig eine große dicke Frau stand am Ruder und bediente es mit einer starken Hand.

"Schönen guten Morgen, gute Frau!", rief Kröterich übers Wasser. Und begann sogleich, seine Geschichte zu erzählen. Er lief neben dem Kahn her und rief: Meine verheiratete Tochter hat mir einen Brief geschrieben. Ich solle sofort zu ihr kommen. Und obwohl ich nicht weiß, was los ist, habe ich alles stehen und liegen gelassen, um ihrem eiligen Ruf zu folgen. Man fürchtet ja stets Schlimmes. Ich bin Waschfrau und habe meiner Tochter zuliebe die Arbeit im Stich gelassen. Meine Helferinnen müssen jetzt einige Tage ohne mich zu Recht kommen ..." Kröterich baute diese Lügengeschichte noch ordentlich aus, bis die Schiffersfrau ihn aufforderte, auf den Schleppkahn zu kommen. Sie war auf dem Weg in Richtung Krötenhall.

Sie lenkte den Kahn ans Ufer und ließ die als Waschfrau verkleidete Kröte an Bord kommen. "So ein Krötenglück", dachte Kröterich. Die Schiffersfrau fragte ihn sogleich nach seinem Gewerbe aus. Und weil sie mit ihrer Wäsche nie zu Rande kam, weil ihr Gatte sie stets alleine ließ, sollte die Kröte als Dank fürs Mitfahren die Wäsche machen.

"Was für ein Glück, dass ich Sie getroffen habe", sagte die Schifferin. Sie erklärte, wo ihr Wäscheberg ist und forderte den Fahrgast auf, ihr ein wenig zur Hand zu gehen. Kröterich, der viel lieber die Ruderpinne geführt hätte, startete einen Versuch, um die ungeliebte Wäscheaktion umgehen zu können. Entsetzt merkte er aber, dass er sich nicht davor drücken konnte. So ergab er sich seinem Schicksal.

Kröterich stellte das Waschfass, die Seife und alles was ihm notwendig erschien vor die Kabine und holte einige Kleidungsstücke aus dem Schmutzwäscheberg. Verzweifelt versuchte er, sich daran zu erinnern, was er bei zufälligen Blicken ins Waschhaus über die Wäscherei gelernt hatte. Nach einer halben Stunde war der Kröterich am Verzweifeln.

Was auch immer er versuchte, schien den Wäschestücken zu schaden. Er redete auf Hemden und Hosen ein, klopfte und klatschte auf der Wäsche herum. Aber keines der Stücke wurde so fein, wie man es von einem frisch gewaschenen Stück erwarten durfte. Vorsichtig lugte er über seine Schulter zur Schifferin. Aber die verweilte immer noch am Ruder.

Sein Rücken schmerzte, die Pfoten juckten vom Waschmittel und das, wo er doch auf die Pflege seiner Pfoten sonst so viel Wert legte. Kröterich fluchte, als ihm zum fünfzigsten Mal das Seifenstück aus der Hand glitschte. Just in diesem Moment ereilte ihn höhnisches Gelächter.

Die Schiffersfrau lachte, dass ihr Tränen über die Wange kullerten. "Wusste ich doch sofort, dass Sie eine elende Lügnerin sind! Sie haben derart angeberisch dahergeredet, und jetzt muss ich sehen, dass Sie vermutlich noch nicht mal einen Putzlappen waschen könnten!"

Weil Kröterich sowieso schon wütend war, verlor er ob des Gelächters die Fassung. Er fuhr aus der Haut und schrie vollkommen unkontrolliert: "Du dummes, dickes Schifferweib! Wie kommst du dazu, so mit mir zu reden. Weißt du eigentlich wen du vor dir hast? Ich bin Kröterich, der hoch geschätzte und galante Kröterich! Auch wenn das Leben mir im Moment nicht gewogen ist, muss ich mich von einer wie dir nicht verhöhnen lassen!"

Die Schifferin ging auf ihn zu und blickte ihm unters Kopftuch! "Tatsächlich. Es ist wahr!", rief sie. "Na so was, eine ekelhafte Kröte bist du! Und so was traut sich, auf meinen Kahn zu kommen. Das ist das Letzte!"

Für einen kurzen Moment ließ sie das Ruder los, schnellte mit ihrem dicken Arm nach vorne und packte den Kröterich an der Vorderpfote. Die andere Hand griff nach der Hinterbein des Lügners. Sie zog den unliebsamen Gast nach oben, dass die Kröte mit dem Kopf nach unten schwebte. Dann schleuderte sie ihn durch die Luft, dass sich die Welt um ihn drehte.

Kröterich landete laut platschend im Wasser. Das kühle Nass war dennoch nicht kalt genug, seine Wut einzudämmen. Er tauchte prustend wieder auf und rieb sich den Entendreck aus den Augen. Da sah er, wie die Schifferin laut lachend über der Reling lehnte. Während er hustend und prustend in Richtung Ufer strampelte, schwor er dieser Frau Rache.

Kröterich strampelte in Richtung Ufer. Das Baumwollkleid war ihm dabei sehr hinderlich. An Land konnte er in dem Kleid kaum die Böschung hochkrabbeln. Atemlos raffte er den nassen Rock zusammen und rannte so schnell er konnte hinter dem Kahn her. Er war fest entschlossen, Rache zu üben.

Bald hatte er die immer noch höhnisch lachende Schiffersfrau eingeholt. "Bügel dir doch das Gesicht in Falten, dann wird aus dir vielleicht doch noch eine ansehnliche Kröte", rief sie lachend zum Ufer. Kröterich verkniff sich die Antwort. Stattdessen konzentrierte er sich darauf, wie er Rache nehmen wollte.

Er rannte so schnell er konnte, bis er das Pferd eingeholt hatte. Er knotete die Leine ab, warf sie ins Wasser und schwang sich auf den Pferderücken. Beherzt gab er ihm die Sporen, dass sich der Gaul ordentlich in Bewegung setzte. Im Galopp flogen Pferd und Kröte auf dem holprigen Weg ins offene Land.

Bei einem Blick zurück konnte Kröterich die Schiffersfrau hören, wie sie mit wedelnden Armen "Haltet den Dieb" rief. Jetzt war es an dem Kröterich zu lachen. Weil das Pferd nicht so fit war, ging es vom Galopp bald wieder in Trab und dann in gemächliches Schritttempo über. Aber immerhin ging es vorwärts. Kröterich war bei guter Laune, weil er endlich einmal wieder das Gefühl eines vernünftigen Abenteuers erlebt hatte.

Nachdem sie meilenweit geritten waren, blieb das Pferd in der heißen Sonne stehen und begann zu grasen. Kröterich, der auf dem Rücken eingedöst war, musste zusehen, dass er nicht herunterfiel. Er sah, dass sie auf einer großen Wiese angekommen waren.



Kapitel 20: Ein Unglück

Zigeuner hatten auf der Gemeindewiese ihr Lager aufgeschlagen. Ein Feuer aus Reisig brannte und über der Glut brodelte eine fein duftende Mahlzeit in einem Kessel. Kröterich spürte Appetit in sich aufkeimen. Er blickte über das Lager und überlegte, ob er den Zigeuner überwältigen sollte oder ob er ihm schmeichelnde Worte zuflüstern sollte. Er entschied sich für die freundliche Variante.

Kröterich setzte sich dem Zigeuner gegenüber und wartete ab, bis der Pfeife rauchende Mann ihn ausreichend beäugt hatte. Dann fragte der Mann mit dem schwarzen Schnauzbart, ob er das Pferd verkaufen wolle.

Das setzte Kröterich in Erstaunen. Auf diese Idee wäre er gar nicht gekommen. Schließlich wusste er nichts von den Vorlieben der Zigeuner für Pferdehandel. Auch dachte er nicht darüber nach, dass Zigeunerwagen ja irgendwie auf der Straße gezogen werden mussten. Ursprünglich wollte er kein Geld machen mit dem Pferd. Doch der Vorschlag des Zigeuners war zu verlockend.

Er bewies aber Verhandlungsgeschick und zeigte sich erst einmal sträubend. "Nein, ich häng mit ganzem Herzen an diesem treuen Pferd!", sagte er. Zudem lobte er es als Vollblutpferd und erwähnte, dass es Preise gewonnen habe. Der Zigeuner wurde dadurch immer interessierter, musterte den Gaul interessiert und sagte: "Einen Schilling für jedes Bein ist es mir schon Wert."

Die Kröte rechnete umständlich und kam auf 4 Schillinge. Dies war ihm zu wenig. "Na gut, fünf Schilling, aber mehr ist der Gaul wirklich nicht Wert", sagte der Zigeuner geschäftstüchtig. Der Kröterich musste jetzt wirklich gut nachdenken. Denn er war weit von zuhause weg und hatte kein Geld.

Trotzdem schien ihm das Angebot zu nieder und er sagte: "Nein. Ich mache dir jetzt ein Angebot - mein letztes. Sechs Schillinge und sechs Pfennig wirst du mir bezahlen, bar auf die Hand. Dazu noch so viel zu essen, wie ich in mich reinstopfen kann. Dafür sollst du meinen Gaul bekommen mitsamt Zaumzeug." Wenn er das nicht annehmen wolle, dann hätte er noch einen Kaufinteressenten ganz in der Nähe, setzte Kröterich noch hinzu.

Der Zigeuner willigte ein, obwohl er sich nicht mehr sicher war, dass er hier ein gutes Geschäft machte. Und Kröterich hatte das Gefühl, die beste Mahlzeit seines Lebens einzunehmen. Immer wieder ließ er sich den Teller mit dem leckeren Essen aus dem Eisenkessel nachfüllen. Nachdem er vollgestopft war, verabschiedete er sich vom Zigeuner und natürlich vom Pferd. Danach machte sich Kröterich wieder auf den Weg.

Bei hellem Sonnenschein, vollgestopftem Bauch und Geld in der Tasche, fühlte er sich wieder selbstbewusst; fast wie in alten Zeiten. Tief in ihm drin wuchsen bereits wieder hochmütige Gedanken heran. "Was bin ich doch schlau!", lobte er sich selbst. Kein Tier der Welt sei so klug wie er, glaubte er.

"Immerhin bin ich den Kerkermauern entwischt - einfach hindurchgeschritten, tapfer und fleißig, wie ich bin. Dann haben mich Lokomotiven und bewaffnete Polizisten verfolgt, einer unglückseligen Schiffersfrau bin ich entkommen, an Land geschwommen, verkaufe ihr Pferd und habe jetzt die Taschen voll mit Geld und einen satten Bauch. Ich bin ein erfolgreicher Kröterich!", sagte er mit stolz geschwellter Brust. Dann dichtete er sich selbst ein Lied. Wahrscheinlich das eitelste, aufgeblasenste Lied, das jemals von einem Tier gesungen wurde:

Die Welt kennt große Helden, das tut sie stets vermelden, doch nicht einmal der Goethe, ist so berühmt wie Kröte!

Die Herren Professoren, die sind schon schlau geboren, der Weisheit Morgenröte, das ist jedoch die Kröte!

Und noch drei Strophen dieses lächerlichen Liedes sang er vor sich hin. Kröterich blähte sich immer weiter auf. Doch sein Stolz sollte bald eingedämmt werden. Nach einigen Meilen auf der Landstraße, hörte er einen ihm recht bekannten Klang. Eine Hupe.

"Ein Auto! Ja, vielleicht kann ich mit einem Wagen auf Krötenhall vorfahren. Das würde dem Dachs gut bekommen!", dachte die Kröte. Und tatsächlich kam von weit her ein Auto. Kröte stand an den Fahrbahnrand, um dem Gefährt zu winken. Doch als es näher bei ihm war, rutschte sein Herz tiefer. Es war das Automobil, das er an jenem verhängnisvollen Tag ausgeliehen hatte - das Unglücksfahrzeug sozusagen.

Auch die Leute hinter der Frontscheibe waren dieselben. Oh welch Unglück! Kröterich war voll des Selbstmitleides und schmiss sich längs auf den Grünstreifen. Das Auto hielt neben ihm an und die Leute sagten: "Oh, ein altes Mütterchen! Eventuell ein Hitzschlag! Komm, wir nehmen sie mit." Und so kam es, dass Kröte sich im Auto auf dem Rücksitz wieder fand.

Nach wenigen Metern der Fahrt öffnete er ein Auge. Sogleich fragten die Leute freundlich nach, ob es ihm besser gehen würde. "Ja, lieben Dank. Aber dürfte ich vielleicht nach vorne sitzen, neben den Fahrer? Da würde ich noch besser Luft bekommen!", sagte Kröte.

"Welch eine vernünftige Person", sagte der Herr. Damit bekam Kröterich den Platz auf dem Beifahrersitz. Und wie der Fahrtwind ihm um die Nase strich, war er schon fast wieder der Alte. Er konnte sich kaum beherrschen. So fragte er treuherzig, ob er nicht einmal den Wagen fahren dürfte.

Der Herr lachte ob der mutigen Nachfrage. "Bravo! Gute Frau, das nenne ich Mut. Lassen Sie uns einen Versuch wagen. Ich bin Ihnen gerne behilflich, dann kann nichts passieren."

Schnell rutschte Kröterich auf den Fahrersitz, hielt das Steuer mit festem Griff und hörte den Erklärungen der Herren gespielt interessiert zu. Dann setzte er das Fahrzeug in Gang. Die Herren zeigten sich begeistert, weil das alte Mütterchen so gut fahren konnte. "Sieh mal, wie gut sie das macht. Und das beim ersten Mal!"

Kröterich erhöhte mutig die Geschwindigkeit, dann noch mehr. Er hörte zwar die warnenden Zwischenrufe der Herren, doch das interessierte ihn nicht mehr. In völliger Hingabe bewegte er das Fahrzeug in überhöhter Geschwindigkeit auf der Straße. Der Fahrtwind schoss ihm entgegen, der Motor heulte auf und der ganze Wagen erzitterte.

"Altes Mütterchen! Ha!", rief er aus. "Ich bin Kröterich, der Autodieb, der Ausbrecher, dem keine Kerkermauer zu dick ist." Dann drehte er den Motor noch mehr auf. Die Herren schrieen entsetzt auf. "Nehmt ihn fest, diesen Dieb! Fesselt ihn, legt ihn in Ketten und bringt ihn zur nächsten Polizeiwache. Macht diesem niederträchtigen Kröterich den Garaus!"

Doch dazu hätte man das Gefährt anhalten müssen. Und es war ja Kröterich, der das Steuer in der Hand hielt. Im Rausch der Geschwindigkeit, gerade als die Kröte glaubte, das würde immer so weitergehen, landete er mit einem dumpfen Knall auf dem Rücken - mitten in einer dichten Wiese. Dann musste er zusehen, wie das Auto jämmerlich in einem kleinen Teich versank. Die Herren strampelten hilflos im Wasser.

Geistesgegenwärtig raffte Kröterich die Röcke und rannte so schnell er konnte über die Wiese. Über Hecken, Tümpel und Äcker rannte er, bis er atemlos seinen Weg verlangsamen musste. Als er wieder Luft bekam, musste er lachen. "Das war wieder einmal typisch für mich! Wieder einmal Krötenglück! Ich bin die schlaueste, großartigste Kröte in der Gegend!" Und wieder schmetterte er mit Heldengesang los:

Das Auto hupt sich durch das Land und kommt in große Nöte, wer hat es in den Teich gefahren, das war die kluge Kröte.

Und während er in Eigenlob dahinschwelgte, hörte er hinter sich Geräusche. Er entdeckte einen Herrn und zwei stramme Polizisten, nur zwei Felder von ihm entfernt. Oh je. Sofort versank Kröterich wieder in Selbstmitleid und rannte weg.

"Was bin ich doch für ein aufgeblasener Trottel", fluchte er im Weglaufen. Er verzweifelte noch einmal an sich selbst. "Oh je, Ojemine!", jammerte er vor sich hin. Ein Blick zurück zeigte ihm, dass die Verfolger schneller waren als er. Sie kamen beständig näher. In blinder Verzweiflung stürzte er vorwärts, bis der Boden unter seinen Füßen nachgab und er ohne Halt ins Wasser fiel.

Er begriff gleich, dass er in den Fluss gefallen war. Als er wieder an die Oberfläche kam, spürte er die Strömung. Er musste versuchen, sich im Uferbereich zu halten. In seinem Jammertal rief er: "Oh, nie mehr will ich ein Auto stehlen. Auch kein angeberisches Lied werde ich mehr anstimmen..." Dazwischen tauchte er immer wieder unter. Doch endlich gelang es ihm, sich am Ufer festzuhalten und herauszuziehen. Vor einer Höhle stützte er sich auf und verharrte schwer schnaufend.

Als der Kröterich schwer schnaufend in diese dunkle Höhle blickte, lugte ein ihm bekanntes Gesicht heraus. Ein braunes, kleines Gesicht mit einem Schnurrbart, hübschen Ohren und einem seidenen Fell. Es war die Wasserratte.


Kapitel 21: Trauriger Kröterich

Eine kleine feste Pfote packte die Kröte am Nacken und zog sie mit aller Kraft aus dem Wasser. Es war die Ratte, die den klitschnassen Kröterich über den Rand der Höhle zog. Da stand er nun, schlammverschmiert aber gesund in der Eingangshalle. Das Wasser tropfte aus allen Poren und er war vergnügt und aufgeregt wie lange nicht.

Bevor die Ratte überhaupt zu Wort kommen konnte, rief der Kröterich: "Oh Rattenschätzchen, was glaubst du, was mir alles widerfahren ist, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben? Aber du wirst hören, ich habe alle Leiden tapfer ertragen, jede Prüfung würdevoll hinter mich gebracht und jegliche Täuschung klug geplant und durchgeführt ..." Es sollte noch eine Weile dauern, bis der Kröterich seinen Abenteuerbericht vom Gefängnis bis zur Flucht ausschweifend erzählt hatte.

Doch die Ratte zeigte sich weniger beeindruckt als Kröte das erwartet hätte. "Du gehst jetzt erst einmal nach oben und ziehst diesen Baumwollkittel aus, der aussieht als hätte er zuvor einer Wäscherin gehört." Danach solle er sich waschen und was Anständiges anziehen, befahl die Ratte weiter. "Ich erwarte ein sittsam gekleidetes Tier, wenn du diesen Raum hier wieder betrittst."

Und tatsächlich, man hatte selten ein so zerlumptes und verfleddertes Tier gesehen wie den Kröterich, wie der da stand. Als er widersprechen wollte, schritt die Ratte sogleich ein: "Schluss jetzt mit dem Geschwätz - geh nach oben! Danach habe ich ein ernstes Wort mit dir zu reden!"

Eigentlich wollte der Kröterich widersprechen, doch als er sich im Flurspiegel betrachtete - das Kopftuch tief im Gesicht, den schmutzigen Baumwollfetzen am Leib - da verzog er sich brav nach oben. Als er gewaschen und gekämmt in den Spiegel blickte, konnte er sich nicht mehr vorstellen, dass irgendwer es mal gewagt hat, ihn für ein Waschweib zu halten.

Als er wieder nach unten kam, war das Mittagessen angerichtet. Da bemerkte der Kröterich, dass er seit dem Zusammentreffen mit dem Zigeuner keine Nahrung mehr zu sich genommen hat. Während des ganzen Essens konnte der Kröterich es nicht unterlassen, von seinen Abenteuern zu erzählen. Was heißt erzählen - er führte sich auf wie der größte Angeber. Und je mehr er prahlte, umso verhaltener saß die Ratte am Tisch.

Als dem Kröterich endlich nichts mehr einfallen wollte, war Ruhe im Raum. Nun kam die Ratte zu Wort. "Lieber Freund, ich verstehe ja, was du durchmachen musstest. Aber merkst du nicht, dass du dich selbst zum Narren machst? Weshalb machst du diese unvernünftigen Sachen, die nicht halb so lustig sind wie du glaubst? Nimm endlich Vernunft an und denk darüber nach, was dein Verhalten für deine Freunde bedeutet."

Nun, weil der Kröterich ein gutes Herz besaß, war er der Ratte keineswegs böse um seine Meinung. Auch wenn er sich ziemlich darüber aufregte, war er durchaus in der Lage, Dinge von allen Seiten zu betrachten. Trotzdem murmelte er während der ganzen Predigt der Ratte: "Es hat aber unglaublich viel Spaß gemacht." Am Ende der Rattenpredigt seufzte Kröterich betreten und sagte in gezähmtem Ton: "Wie Recht du hast! Ich sehe ja ein, dass ich ein eitler Narr bin. Ab jetzt werde ich brav sein und ich versichere dir, nie wieder so etwas zu tun!"

Er setzte hinzu, dass er gar nicht mehr so vernarrt in Autos sei, seit er fast abgesoffen wäre. Außerdem erzählte er der Ratte von seiner neuen Idee, die ihm gekommen sei, als er im Wasser hing, am Rande der Höhle hängend und um Luft ringend … seine Idee drehe sich um Motorboote.

Doch bevor er weiter erzählen konnte, stampfte die Ratte vor Wut auf. Da versuchte der Kröterich seinen Retter zu besänftigen und schlug vor eine Tasse Kaffee zu trinken. "Dabei unterhalten wir uns friedvoll. Danach bummle ich nach Krötenhall und ziehe endlich wieder meine eigenen Kleider an", sagte der Kröterich. "Jetzt wird alles wieder gut. Ich habe daraus gelernt und will ein friedvolles Leben führen, mich mit meinem Haus beschäftigen, den Park bearbeiten und Freunde bewirten. Außerdem werde ich mit einer Ponykutsche herumfahren, wie früher, bevor mich die Abenteuerlust überkommen hat."

Der Ratte blieb fast die Luft zum Atmen weg. "Nach Krötenhall hinüber", schrie sie fassungslos, "bist du noch zu retten? Oder willst du etwa behaupten, dass du von nichts weißt? Weder von den Hermelinen noch von den Wieseln?"

Der Kröterich zitterte am ganzen Körper. "Was, die Kerle aus dem Wilden Wald?!", schrie er. "Was soll ich wissen?"

"Na, sie haben Krötenhall an sich gerissen", erklärte ihm die Ratte.

Empört stützte sich Kröterich am Tisch ab, dicke Tränen rollten ihm über die Wangen, direkt auf die Tischplatte. Tropf! Tropf! Währenddessen murmelte er, die Ratte möge ihm alles berichten, er würde die schrecklichen Nachrichten tapfer ertragen.

So erzählte die Ratte: "Über dich wurde viel getratscht. Die Tiere am Fluss waren nachsichtig, aber die Bewohner des Wilden Waldes waren weniger gnädig. Und sie erzählten, du würdest nie wieder zurückkommen. Aber Dachs und Maulwurf haben immer zu dir gestanden - sie wussten, dass du zurückkommen wirst. Sie haben an dich geglaubt und wussten, dass du es irgendwie schaffen würdest."

Die Kröte, die bisher betreten schweigend dagesessen hatte, fühlte sich geschmeichelt ob dieses Treuebeweises. Er saß bereits wieder aufrechter in seinem Sessel.

Die Ratte sprach weiter: "Die Beiden waren sich sicher, dass man lediglich einen guten Anwalt, einen Beutel Geld und eine gehörige Portion Frechheit bräuchte, um gegen ein Strafgesetz anzukommen. So haben sie ihr Gepäck nach Krötenhall gebracht und dort geschlafen, gelüftet und alles in Stand gehalten. Niemals hätten sie gedacht, dass die Tiere aus dem Wald das Herrenhaus für sich in Anspruch nehmen würden. Doch so sollte es kommen.

Eines Nachts haben die Frettchen, die Wiesel und alle anderen vom Gewächshaus bis zur Küche das ganze Gut eingenommen. Maulwurf und Dachs saßen im Herrenzimmer und bekamen zuerst gar nichts mit von alldem. Bis diese blutrünstigen Gauner sich auf sie stürzten. Aber auch wenn sich Dachs und Maulwurf vehement verteidigten, ohne Waffen war da nichts zu machen. Was sind schon zwei Tiere gegen Hunderte? Tief gedemütigt und geschunden mussten sie fliehen.

Der herzlose Kröterich musste bei dieser Vorstellung ein Kichern unterdrücken, was ihm schwer fiel. Um der Ratte zu gefallen zog er ein einigermaßen empörtes Gesicht und sagte: "Unglaublich!"

"Ja", sagte die Ratte, "und seitdem hausen die Kerle aus dem Wilden Wald in Krötenhall. Das Haus soll in einem bedenklichen Zustand sein. Sie trinken deinen Wein, essen deine Vorräte und singen primitive Lieder über Gefängnisse, Polizisten und Gerichte.



Kapitel 22: Kröterich wehrt sich

Als Kröterich hörte, wie die Tiere vom Wilden Wald in seinem Krötenhall hausten, war es um seine Beherrschung geschehen. Selbst sein Freund, die Ratte, konnte ihn nicht aufhalten. Kröterich stampfte den Weg entlang bis zum Tor von Krötenhall.

Ein Frettchen stellte sich ihm in den Weg. "Wer da?", rief es energisch.

"Quatsch mit Soße!", rief Kröterich erbost. "Was meinst du wer du bist, so mit mir reden zu dürfen?"

Ohne zu antworten, legte das Frettchen den Gewehrlauf an. Kröterich konnte sich gerade noch flach auf den Boden werfen, da schoss auch schon eine Kugel über seinen Kopf hinweg. Entsetzt rappelte er sich auf und rannte so schnell ihn seine Krötenbeine trugen zum Haus der Ratte zurück. Immer das höhnische Lachen des Fettchens im Genick.

Die Ratte ließ ihn kaum ausreden, da rief sie: "Ja ich habe es dir doch gesagt! Überall stehen bewaffnete Wachen." Doch Kröterich wollte nicht so schnell aufgeben. Er schnappte sein Boot und ruderte flussaufwärts, bis zum Ufer von Krötenhall.

Als er die Schönheit seines Anwesens im Abendlich glänzen sah, ging ihm das Herz auf. Das dauerte aber nicht lange an, denn vom Bootshaus her pfiffen bereits wieder Kugeln in seine Richtung. Vor Schreck platschte die Kröte ins Wasser. Die Hermeline, die dafür verantwortlich waren, lachten heftig und kreischten: "Beim nächsten Mal erwischen wir dich!" Ihr Gelächter verfolgte ihn beinahe bis zum Rattenhaus.

Die Ratte zischte böse, weil der Kröterich nun auch noch das Boot ruiniert hatte. Dazu war der Anzug, den er der Kröte geliehen hatte auch noch zerfetzt. "Es ist ein Wunder, dass du noch Freunde hast. Du bist echt nervig", sagte die Ratte.

Wie so häufig sah der Kröterich sein Versagen ein und entschuldigte sich in aller Form. "Ich sehe ein, dass ich ein Dickkopf war", entschuldigte er sich sogar. Er versprach, künftig nur noch gehorsam und demütig zu sein und ohne Zustimmung keinen Schritt mehr zu unternehmen.

Die Ratte zeigte sich gutmütig. "Setz dich", befahl sie dem Kröterich, "und gib Ruhe." Bevor man nicht Dachs und Maulwurf zu Rate gezogen habe, könne man eh nichts unternehmen, sagte die Ratte. Da erst fiel der Kröte ein, dass es die beiden Freunde ja auch noch gab. Dies machte die Ratte wieder mürrisch. "Das ist typisch für dich. Während du dich in der Welt mit Luxus vergnügt hast, haben diese beiden treuen Freunde dein Hab und Gut unter schlechtesten Bedingungen bewacht. Bei Regen, Wind und Wetter lagerten sie draußen und haben Hermeline und Wiesel dabei beobachtet, was sie auf Gut Krötenhall so treiben", sagte die Ratte. "Sie haben stets überlegt, wie sie dein Eigentum für dich zurückerobern könnten." Die Ratte schimpfte noch eine Weile… "solche Freunde verdienst du gar nicht!"

Wieder vergoss der Kröterich reuige Tränen; die jedoch sofort versiegten, als das Abendessen serviert wurde. Ratte sah es ihm nach, denn immerhin war die Kröte im Gefängnis gewesen. Und da hatte sie sicher einige Entbehrungen auszuhalten, dachte die Ratte.

Sie waren gerade mit dem Abendessen am Ende, als Meister Dachs zu ihnen kam. Man sah ihm die nächtlichen Strapazen an. Er wirkte wild und ungepflegt. "Sei willkommen, Kröte", begrüßte er den Freund mit klangvoller Stimme. "Na ja, eine trübselige Heimkehr muss das für dich sein, du Armer." Nach diesen wenigen Worten setzte er sich an den Tisch und begann zu essen.

Kurz darauf zog der Maulwurf zur Tür herein. Er strahlte: "Na so was! Endlich wieder daheim!" Und er begann zu tanzen. "Bist wohl ausgebrochen, du schlauer Kröterich!" Da begann Kröterich sogleich wieder, sich aufzublähen. Die Ratte hätte das zwar gerne verhindert, doch der Maulwurf bat den abenteuerlustigen Freund, seine Geschichten ruhig zu erzählen.

Am Ende der Mahlzeit erzählte der Maulwurf, wie schlecht die Lage in Krötenhall war. Es sei eine verkorkste Situation, sagte er. Und als die Diskussion zwischen den Dreien immer lautstarker wurde, gebot der Dachs ihnen Einhalt. "Stopp!", rief er und richtete seinen finsteren Blick in Richtung Kröte. "Du machst nur Ärger! Dass du dich nicht schämst. Dein Vater wäre entsetzt, wenn er dies alles von dir hören müsste."

Natürlich rollten dem Kröterich wieder sofort Reuetränen über die Wangen, bis sie auf den Bauch tropften. Da wurde der Dachs etwas freundlicher. "Hör auf damit. Wir ziehen jetzt einen Strich unter die Vergangenheit und starten einen Neubeginn."

Der Dachs bestätigte, dass es unmöglich war, auf normalem Wege Krötenhall zurückerobern zu können. Deshalb verriet er seinen Freunden ein großes Geheimnis. Da tupfte Kröterich die Tränen aus dem Gesicht und setzte sich neugierig auf.

"Es führt ein Geheimgang vom Flussufer bis in die Mitte von Krötenhall", sagte der Dachs.

"Quatsch", sagte die Kröte, "so etwas wüsste ich!"

"Du irrst, mein Freund", erwiderte der Dachs mit strenger Stimme. "Dein Vater selbst hat diesen Gang entdeckt und repariert. Weil er wusste, dass du ein schändliches Plappermaul hast, hat er mir das Geheimnis verraten. Damit ich dir im Notfall beistehen kann."

"Ja, stimmt", grinste die Kröte, "ich bin eine Ratschkachel, manchmal."

"Durch geschickte Nachforschungen konnte ich erfahren, dass morgen Nacht ein großes Festessen in Krötenhall stattfinden soll", fuhr der Dachs fort. "Sie werden alle essen, trinken - ohne Knüppel und Säbel. Währenddessen können wir durch den Geheimgang, der direkt zur Speisekammer führt, hineingelangen."

"Ja, wir werden ihnen mit unseren Knüppeln die Hucke vollhauen", rief die Ratte. Auch der Maulwurf zeigte sich begeistert von der Idee. So war es beschlossene Sache. Meister Dachs schickte alle zu Bett. "Morgen Vormittag treffen wir dann die notwendigen Vorbereitungen", schloss er seine Rede. Kröte begab sich zu Bett, wie die anderen. Doch er konnte nicht schlafen, nach diesem aufreibenden Tag.

Am nächsten Tag schlief er ziemlich lange. Die anderen Tiere waren bereits mitten in den Vorbereitungen, als er den Wohnraum betrat. Nach einer Weile bremste der Dachs alle aus. "Das genügt jetzt", sagte er. "Eigentlich könnte ich die Sache ja alleine erledigen, doch wollte ich euch die Freude nicht nehmen", setzte er hinzu.

Während sie so diskutierten, kam der Maulwurf hinzu. Er hatte sich schon vor einer Weile davongestohlen. "Das war ein Spaß", rief er, fast vor Stolz platzend. "Die Hermeline habe ich gehörig an der Nase rumgeführt. Als Wäscherin verkleidet bin ich nach Krötenhall gegangen. Als ich meine Dienste angeboten habe, wollten mich die Wachhabenden wegschicken. Sie sagten ich solle fortgehen. Da antwortete ich, dass es gar nicht mehr lange andauern würde, da laufe hier jemand anders fort, nicht ich."

Die Ratte schimpfte, sie war entsetzt. Doch der Dachs legte seine Zeitung weg und lauschte. "Die haben mir nicht geglaubt. Dann habe ich erzählt, dass heute Nacht hunderte blutrünstige Dachse bis auf die Zähne bewaffnet über Krötenhall herfallen würden. Von der Pferdekoppel aus, vom Ufer her mit Säbeln und Pistolen bewaffnet und eine Extra-Kompanie von der Obstanlage her." Da haben sie es mit der Angst zu tun bekommen. Sie fürchteten, von den wütenden Dachsen zu Püree verdroschen zu werden.

Die Kröte war eifersüchtig und rief: "Oh du dummer Maulwurf. Alles hast du verdorben." Doch der Dachs mischte sich mit ruhigem Ton ein: "Maulwurf, da hast du Verstand bewiesen. Das hast du toll gemacht. Tüchtig und gescheit bist du."

Kröte platzte fast vor Neid, vor allem weil er nicht verstehen konnte, was das Theater des Maulwurfs bewirken sollte. Der Dachs jedoch forderte alle auf, die einfache Mahlzeit einzunehmen. Danach machte er ein Nickerchen; na ja, eigentlich begann er sogleich zu schnarchen.

Die Ratte hingegen richtete die Waffen, eilte emsig umher. Der Maulwurf indessen hakte sich beim Kröterich unter und ließ sich die Abenteuergeschichten bis ins kleinste Detail berichten. Die Kröte schilderte hemmungslos mit lauten Sätzen seine Geschichten, die mit "Hätte ich", "Wäre ich" und "Dann aber", begannen. Dies sind nämlich die schönsten Abenteuer - die mit hinzugedichteten Episoden, die viel schöner sind, als die manchmal enttäuschenden Szenen der Wirklichkeit.



Kapitel 23: Heimkehr des Helden

Mit Einsetzen der Dunkelheit rief die Ratte alle ins Wohnzimmer. Dann begann sie, die Freunde für das Unternehmen "Krötenhall" einzukleiden. Die Ratte war derart gründlich, dass sie einige Zeit dafür brauchten. Jedes Tier schnallte einen Gürtel um, bekam einen Degen, der an der Seite hineingesteckt wurde, an der anderen Seite war ein Säbel vorgesehen. Zudem verteilte Ratte noch Pistolen, Polizeigummiknüppel, Handschellen, Verbandsmaterial, eine Trinkflasche und eine Vesperdose.

Zuerst wollte Meister Dachs protestieren, doch am Ende dachte er: "Dir macht es Freude und mir tut das Ganze nicht weh!" Er selbst wollte jedoch lediglich einen Knüppel mitnehmen.

Als die Zeit gekommen war, schnappte Dachs die Laterne mit der einen Pfote, den Knüppel nahm er in die andere und rief: "Alles mir nach!" Der Maulwurf sollte direkt hinter ihm gehen, weil Dachs so sehr mit ihm zufrieden war. Dann die Ratte und den Schluss sollte Kröte bilden. "Pass du gut auf", sagte er zum Kröterich, "quak nicht so viel, sonst schicke ich dich wieder heim."

Und weil Kröte unbedingt bei der Befreiungsaktion dabei sein wollte, verhielt er sich demütig und still. Sie gingen einen schmalen Weg am Ufer entlang des Flusses. Plötzlich schwang sich der Dachs über eine steile Böschung in ein kleines Loch direkt über dem Wasser. Maulwurf und Ratte taten es ihm nach. Nur Kröterich, der rutschte natürlich wieder aus und platschte ins Wasser, dass es nur so spritzte. Schnell zogen ihn seine Freunde heraus, rubbelten ihn trocken und stellten ihn auf die Füße. Der Dachs musste natürlich ein wenig schimpfen und drohen, dass er ihn beim nächsten Vorfall wieder zurückschicken müsse.

Dennoch - sie befanden sich nun im Geheimgang und die Eroberung Krötenhalls hatte begonnen. Unheimlich war es in diesem Gang, feucht und finster. Kröte begann zu zittern vor Furcht und seine Beine wollten ihn nicht schnell genug tragen. So wurde der Abstand zwischen ihm und seinen Freunden immer größer. Da wurde er hektisch, stapfte blindlings nach vorne, bis er gegen die Ratte und den Maulwurf stieß, die wegen des Schwungs gegen den Dachs purzelten.

Dann herrschte für einen kurzen Moment Chaos, weil der Dachs glaubte, man hätte sie von hinten angegriffen. Fast hätte er mit seiner Pistole in Richtung der Kröte abgefeuert. Wie er merkte, dass hier nicht der Feind war, bekam er einen Wutanfall, der Kröterich nur noch um Gnade flehen ließ. Auch Ratte und Maulwurf schworen, dass sie ab jetzt besser aufpassen würden.

Als sie weiter marschierten, ging Ratte am Schluss, damit so etwas nicht wieder passieren konnte. Endlich vernahmen sie Stimmengewirr. Während Kröterich sich fürchtete, sagte der Dachs in stoischer Ruhe: "Na, da ist ja richtig was los, bei den Wieseln!"

Der Gang führte steil nach oben. Je weiter sie krabbelten, um so lauter vernahmen sie das Stampfen, das Klirren der Gläser und das Gejubel der neuen Bewohner von Krötenhall. Endlich standen sie unter der Falltür, die direkt in die Speisekammer führte.

Sie stemmten die Schultern, riefen "hau ruck" und zu viert schafften sie es, durch die Falltür in die Speisekammer zu gelangen. Nun trennte sie noch eine Tür von den Wieseln. Im Saal herrschte Jubel, Trubel und ungeheuerlicher Lärm. Sie hörten die Festrede des Oberwiesels, der über den Kröterich sprach; und das nicht nett. Er war schadenfroh, verhöhnte das Geschehen und die Abenteuer um die Kröte. Da standen Dachs, Ratte, Maulwurf, Kröte und lauschten dem Gelächter, der Heiterkeit und den Demütigungen. Das Oberwiesel wagte es sogar, ein höhnisches Lied anzustimmen

Doch was zu viel war, war zu viel; der Dachs stellte sich zu voller Größe auf und stürmte mit dem Knüppel voran in den Saal. "Dies ist unsere Stunde!" rief er. Die Wiesel quietschten vor Überraschung, wollten unter Tische und Stühle fliehen, versuchten an den Fenstern hochzuspringen. Alles vergeblich. Porzellan klirrte, Bänke fielen um - kurzum es herrschte ein panisches Durcheinander. Die Wiesel wollten nur noch eines: fliehen.

Bald war der Kampf zu Ende. Die meisten Wiesel konnten über die Wiese entkommen. So ungefähr zehn Frettchen machten Maulwurf und Ratte mit Handschellen gefügig. Der Dachs hingegen lechzte bereits nach Ruhe, stützte sich auf den Stock und entfernte die Schweißperlen auf seiner Stirn. Er schickte den Maulwurf, nach den Hermelinposten zu sehen. "Dir haben wir zu verdanken, dass die uns heute Abend keinen Ärger machen", lobte er den Maulwurf. Dieser war mit einem Sprung durchs Fenster gehüpft. Ratte und Kröte stellten Tische auf, suchten nach Besteck und Tellern und nach Nahrung.

"Da habe ich dein Haus zurückerobert und du bietest mir nicht mal einen Krümel an", sagte der Dachs mit vorwurfsvoller Stimme. "Los, setz dich in Bewegung."

Obwohl Kröterich da natürlich ein wenig beleidigt war, suchte er nach etwas Essbarem. Er kam zurück mit gebratenem Huhn, das natürlich kalt war, Vanillecreme mit süß duftenden Himbeeren und einer riesige Schale voll mit Hummermajonäse. Dazu noch die Körbe aus der Speisekammer, die Brötchen, Käse, Butter und Stangensellerie bargen.

Sie wollten gerade zu Tisch sitzen, als der Maulwurf zurückkam und von den Hermelinen berichtete. Mit einem Arm voller Flinten stand er kichernd in der Küche; gerade als die anderen sich zu Tisch begeben wollten.

"Es ist vorbei", sagte der Maulwurf mit Stolz geschwellter Brust. "Die Hermeline haben den Lärm gehört und sogleich ihre Waffen weggeworfen. Dann haben sie die Flucht ergriffen", erzählte er lachend. "Dieses Chaos hättet ihr sehen sollen, wie sie über die Wiese kugelten. Viele von ihnen fielen gleich in den Fluss. Na ja, jetzt sind sie weg und wir haben ihre Waffen."

Der Dachs war voll des Lobes und lud den Maulwurf ein, mit ihm das Abendbrot einzunehmen. Zuvor aber sollte er noch dafür sorgen, dass die in Handschellen gelegten Feinde die Zimmer putzten, aufräumten und wieder gemütlich machten. "Sie sollen auch unter den Betten kehren", wies der Dachs an. Der Maulwurf packte einen Knüppel und befahl: "Los, im Gleichschritt nach Oben!"

"Ich musste sie nicht einmal prügeln", erzählte der Maulwurf als er wieder zurückkam. Er habe ihnen erklärt, sie hätten ja wohl schon reichlich Schläge für einen Tag bezogen. Da seien die Wiesel sofort bereit gewesen, ihn zu unterstützen. "Sie haben sich sogar entschuldigt und für die Zukunft jederzeit Hilfe angeboten", wusste der Maulwurf zu berichten. "Dann habe ich jedem ein Brötchen gegeben und sie nach Draußen gelassen." Sie seien abgehauen wie der Blitz, als wäre der Löwe hinter ihnen her.

Die Kröte platzte fast vor Eifersucht. Doch seine gute Erziehung ließ ihn die Beherrschung wahren. "Hab lieben Dank, Maulwurf. Du hast besonders schlau gehandelt!", lobte er.

Dies stimmte den Dachs vergnüglich. "So ist es recht, Kröterich!", lobte er. So beendeten sie das Abendessen in Einigkeit und Frieden, legten sich auf die frisch bezogenen Betten und schlummerten sanft in den nächsten Tag.



Kapitel 24: Das Festbankett

Natürlich verschlief Kröterich am nächsten Tag und kam geradezu unanständig spät zum Frühstück. Seine Gäste hatten ihm nicht viel übrig gelassen, was ihn trübe stimmte. Immerhin war dies ja sein Zuhause, dachte er.

Durchs Fenster des Frühstückszimmers sah er Dachs und Gäste im Gespräch versunken. Sie schienen sich glänzend zu unterhalten. Als die Kröte das Zimmer betrat, blickte der Dachs auf und sagte: "Du hast heute Vormittag noch ordentlich Arbeit vor dir, Kröterich. Wir müssen ein Fest veranstalten, den Erfolg feiern. Das wird von dir erwartet."

Da stimmte Kröterich natürlich gerne zu. Allerdings gefiel ihm die Organisation von Meister Dachs nicht so sehr. Kröte hätte natürlich lieber seinen Besitz durchstreift, mit jedem geredet, der ihm über den Weg läuft und sich ums Essen gekümmert. Stattdessen befahl der Dachs: "Hier, setz dich und nimm die Feder." Das Briefpapier mit dem blau-goldenen Wappen lag schon bereit. Derweil wollte der Dachs sich um das Festessen kümmern. Das gefiel dem Kröterich natürlich gar nicht.

Doch im nächsten Moment begann er zu lächeln. Wenn der Dachs das Essen bestellen würde, wäre er so beschäftigt, dass Kröterich sich ein ordentliches Programm für den Abend ausdenken konnte. Der Dachs lugte ihn misstrauisch an, machte sich aber auf den Weg. Kröte legte umgehend los, Von der Eröffnungsrede über einen Vortrag um das Gefängnissystem, Pferdehandel und Landwirtschaft sollte es auch Liedvorträge geben. Alles von ihm vorgetragen! Ja, das würde ein Spaß werden, die würden alle gucken! Er schrieb sich beinahe die Finger wund, gab anschließend die Briefe einem Wiesel, das demütig an der Tür nachgefragt hatte, ob es ihm zu Diensten sein könne.

Als sie alle zum Mittagstisch zusammenkamen, war Kröterich total aufgeregt. Er wollte sich in den Park zurückziehen, einige Reden vorbereiten. Doch der Dachs machte ihm klar, dass er nicht daran dachte, die Vorbereitungen mit Maulwurf und Ratte alleine zu treffen. Sie hielten Kröterich fest und sagten: "Hör zu! Du wirst keine Ansprache halten, keine Lieder singen und auch sonst keine angeberischen Phrasen von dir geben!"

Kröte saß jetzt fest. "Nicht einmal ein kleines Gedicht?", bettelte er. "Nein", erwiderte die Ratte beherzt. "Du wirst an diesem Abend dankbar sein und nicht vor Eigenlob und Eitelkeit strotzen. Deine Lieder wären voll von schwachsinnigen Übertreibungen und heißer Luft." Sie versuchten Kröterich davon zu überzeugen, dass es nur zu seinem Besten wäre, in angemessener Ruhe aufzutreten.

Kröterich wirkte erschüttert. Am Ende gab er nach und sah ein, dass er seinen Freunden gehorchen musste. Das war er ihnen schuldig. "Ach, das Leben ist so hart!", seufzte er, als er den Raum verließ. Dachs und Ratte hatten das nicht gerne getan, sie fühlten sich schlecht, aber es war der beste Rat, den sie Kröterich geben konnten. Davon waren sie überzeugt. Schließlich sollten die Leute ihn künftig achten und ehren. Zum Glück hatten sie das Wiesel mit den hochtrabenden Einladungen noch rechtzeitig erwischt. Jetzt waren einfache, schlichte Einladungsbriefe unterwegs.

In der letzten Stunde vor dem Festessen saß Kröterich immer noch grübelnd in seinem Schlafzimmer. Dann stand er lächelnd auf, verschloss die Tür, zog die Vorhänge an den Fenstern zu und stellte die Stühle im Halbkreis auf, als wäre Besuch im Raum. Etwas unsicher verneigte er sich, hüstelte ein wenig und begann zu singen.

Vor seinem inneren Auge erblickte er das begeisterte Publikum, das hingerissen seiner Tenorstimme lauschte. "Kröterichs letztes Lied" gab er zum Besten. Er sang beherzt aus voller Kehle. Am Ende seufzte er tief, mehrmals. Dann zog er sich mit einem nassen Kamm die Haare zurecht, öffnete die Tür und ging mit gemäßigten Schritten zum Festsaal.

Mit seinem Eintreten, begannen die Tiere zu jubeln. Sie gratulierten, lobten sein mutiges Abenteuer und seine Klugheit. Kröterich sagte nur: "Nicht doch", um bescheiden weiterzugehen.

Der Otter hatte sich vor dem Kamin postiert und erklärte allen, wie er dieses Abenteuer bewerkstelligt hätte, wäre er nur dabei gewesen. Als die Kröte hinzukam, umarmte er sie und wollte sie triumphierend durch das Zimmer tragen. Die Kröte unterbrach ihn freundlich, löste sich aus der Umarmung und bemerkte dezent: "Es war der Dachs, er hat das Unternehmen angeführt. Außerdem haben Maulwurf und Ratte die größte Last der Angriffe getragen. Ich habe nur wenig dazugetan."

Diese Aussage brachte die Gäste aus dem Gleichgewicht. So kannte man Kröterich nun wirklich nicht. Man sah ihn verwirrt an. Nach einer Weile stellte Kröterich aber fest, dass sein bescheidenes Auftreten Wirkung zeigte. Die Leute blickten ihn neugierig an, mit Ehrfrucht sahen sie ihm nach.

Weil der Dachs die Vorbereitungen gut getroffen hatte, wurde das Festessen ein voller Erfolg. Der Festtrubel war riesig. Doch Kröte saß still an der langen Tafel und murmelte höfliche Antworten. Sogar Maulwurf und Ratte wunderten sich, dass Kröte so durchhalten konnte. Nach einigen Stunden wurden Rufe laut: "Er soll eine Rede halten! Oder wenigstens ein Lied wollen wir von Herrn Kröte hören!"

Kröterich schüttelte lediglich den Kopf, und konnte letztendlich alle davon überzeugen, dass dieses Festessen unter feinsten Regeln stattfinden würde. Ja, so hatte sich Herr Kröte verändert. Da staunten die anderen nicht schlecht.

Danach lebten Meister Dachs, Kröte, Ratte und Maulwurf in Eintracht zusammen. Es gab keine Aufstände mehr. Und nach eingehender Beratung sandte Kröte eine ausgewählte Goldkette mit einem perlenbesetzten Anhänger an die Tochter des Gefängniswärters. Sogar der Dachs lobte den bescheidenen Brief, den Kröte hinzufügte. Außerdem belohnte Kröterich auch den Lokomotivführer. Das Pferd der Schiffersfrau ersetzte er nur ungern und nach vielen Worten von Meister Dachs.

Während des Sommers wanderten die Freunde zuweilen durch den wilden Wald, der ihnen keine Furcht mehr einflößte. Die Waldbewohner grüßte ehrerbietig und die Wieselmütter sagten zu ihren Kindern: "Seht nur, das ist der berühmte Herr Kröte! Bei ihm sind die tapfere Ratte und der kluge Maulwurf." Und wenn die Kinder ungezogen waren, drohten sie: "Gleich kommt der Dachs und holt euch, wenn ihr keine Ruhe gebt!" Doch das waren leere Drohungen. Denn der Herr Dachs konnte zwar Gesellschaften nicht ausstehen, aber Kinder mochte er sehr wohl leiden.

Die Drohung zeigte dennoch stets gute Wirkung.