Der Prinz als Gefangener

  • Autor: Twain, Mark

Miles Hendon bückte sich lächelnd hernieder und flüsterte dem kleinen König zu: "Bewahrt Ruhe, Königliche Hoheit. Überlasst das Reden mir." Und während er in die Menschenmenge blickte, überlegte er, dass er ja nun ein Ritter im Königreich der Träume sei. Der kleine König vergaß aber auch nicht den kleinsten wunderlichsten Einfall. Aber lieber will ich bei ihm Ritter sein, als in der Welt der Großen, Titel und Ehren erhalten und deren nicht würdig zu sein.

Ein Büttel kam durch die Menge und wollte sich des kleinen Königs annehmen. "Gemach, gemach", mahnte Sir Miles. "Zeigt uns den Weg und er wird lammfromm mitkommen. Dafür stehe ich ein." So ging der Büttel voran, hinter ihm die Frau mit dem Bündel, dann der kleine König und Sir Miles und im Gefolge eine sensationsgierige Menschenmenge.

Erst wollte der König gegen diese unwürdige Behandlung rebellieren doch Miles hielt ihn an, die vom König erlassenen Gesetze nun auch einzuhalten. Das leuchtete dem kleinen König ein und sie gingen zum Friedensrichter. Hier schwor die Frau, der kleine Knabe sei der Dieb und es war niemand zugegen, der das Gegenteil hätte beweisen können. So wurde der kleine König schuldig gesprochen.

Der Richter machte ein bekümmertes Gesicht, als er sah, dass in dem Bündel ein bratfertiges Spanferkel lag. Hendon wurde leichenblass. Nur der König schien in seiner Unschuld ungerührt. Dann fragte der Richter die Frau nach dem Wert des Schweins. Sie antwortete: "Drei Shilling und acht Pence, Euer Gnaden."

Der Richter ließ daraufhin den Saal räumen. Zurück blieben die beiden Beamten, der kleine Angeklagte, die Klägerin und Miles Hendon, dem inzwischen Schweißperlen auf der Stirn standen. Der Richter versuchte die Frau zu besänftigen: "Liebe Frau, dies ist ein unwissender, wahrscheinlich hungriger Knabe. Er sieht doch wirklich nicht böse aus. Ihr wisst doch, dass ich jene hängen lassen muss, die mehr als dreizehn und einen halben Pence stehlen?"

Nun bekam es der kleine König mit der Angst zu tun. Mit großen Augen blickte er die Frau an. Die jedoch sprang auf und rief: "Grundgütiger, was habe ich getan. Nein, ich will nicht, dass dieser arme Junge gehängt wird."

Der Richter antwortete würdevoll: "Gute Frau, Sie könnten den Wert des Schweines noch einmal überprüfen. Noch ist nichts schriftlich festgehalten."

Dann bestimmte die Frau, man möge als Wert des Spanferkels acht Pence eintragen. "Dem Himmel will ich danken, dass mir eine solche Sünde erspart wird."

Miles Hendon nahm den kleinen König freudig in die Arme und drückte ihn fest an sich. Mit ehrerbietigen Verbeugungen vor dem Richter verabschiedete sich die Frau mitsamt ihrem Bündel. Der Büttel geleitete sie den Gang hinaus. Der Richter aber schrieb das Protokoll.

Hendon, der sich wunderte, weshalb der Büttel der Frau folgte, ging den Beiden nach. Er hörte, wie der Büttel fragte, ob er das Ferkel abkaufen könne. "Hier habt ihr die acht Pence."

"Acht Pence!", rief die Frau, "was bildet Ihr Euch ein. Es ist drei Shilling und acht Pence wert."

Da beschuldigte der Büttel die Frau der Falschaussage und drohte ihr, sie zu verraten. Dann würde der Knabe doch hängen! So überließ sie ihm erschrocken das Ferkel für acht Pence und eilte weinend davon.

Hendon schlich sich zurück in den Gerichtssaal. Der Büttel kam, nachdem er seine Beute verstaut hatte, ebenfalls in den Saal zurück - mit würdevoller Miene. Der Richter entließ den kleinen König mit freundlichen Worten und hielt ihn an, nicht mehr zu stehlen. Er verurteilte ihn zu einer Gefängnisstrafe und zu öffentlicher Bestrafung.

Gerade wollte der König sich beschweren und einen Befehl erteilen, den Richter um einen Kopf kürzer zu machen, da fiel ihm Hendons mahnender Blick auf. Da schwieg er lieber. Gemeinsam verbeugten sie sich und gingen hinter dem Büttel her aus dem Gebäude. Endlich draußen wallte Ärger in dem kleinen König auf: "Ihr glaubt doch wohl nicht, dass ich jemals lebend ein Gefängnis betrete?"

"Vertraut mir!", forderte Hendon ihn unmissverständlich auf. Ihr verschlechtert unsere Lage durch eure unbedachten Reden. Nichts geschieht ohne Gottes Willen - habt Geduld."