Quer über die Insel Mull

  • Autor: Stevenson, Robert Louis

Die Landschaft auf Mull war rau wie die Insel, die ich eben verlassen hatte - Moor, Baumheide und Steinblöcke. Ich lief auf den Rauch zu, den ich in den letzten Tagen gesehen hatte.

Ich gelangte zu einem Haus, von dessen Bewohner ich erfuhr, dass meine Schiffskameraden auch hier sicher an Land gelangt waren. Ich fragte ihn, ob unter ihnen einer war, der Kleider wie ein Herr trug, was er bejahte.

Dann schlug er sich mit der Hand an die Stirn und sagte, dass ich gewiss der junge Mann mit dem silbernen Knopf sei. Als ich das etwas verwundert bestätigte, sagte er: "Ich habe eine Botschaft für Euch: Ihr sollt Eurem Freund in seine Heimat folgen, in die Nähe von Torosay."

Wir unterhielten uns noch eine Weile, seine Frau setzte mir Hafersuppe und Waldhuhn vor, und er braute einen Punsch. Zufrieden schlief ich bis zum Mittag des nächsten Tages und machte mich dann gut gestärkt auf den Weg.

Die Armut der Menschen, die ich auf den Feldern sah, schien groß. Nur wenige von ihnen sprachen Englisch, und auch die wollten kaum mit mir reden.

Gegen acht Uhr am Abend kann ich erschöpft an einem einzelnen Haus an, wo ich um Unterkunft bat. Zuerst wies man mich ab, aber als ich eine von meinen Guineen zeigte, versprach mir der Mann, mir für fünf Schillinge ein Nachtlager zu geben und mich am nächsten Tag nach Torosay zu führen.

Allerdings erwies er sich als übler Betrüger. Immer wieder verlangte er mehr Geld, bis schließlich mein Zorn überkochte, und ich die Hand gegen ihn erhob. Augenblicklich zog er ein Messer aus seinen Lumpen. Da er ein kleines Kerlchen war, und ich nicht schwach und sehr zornig, konnte ich ihm dieses entwenden.

Daraufhin ging ich allein meiner Wege. Nach etwa einer halben Stunde überholte ich einen großen zerlumpten Mann, der mit einem Stock den Weg abtastete. Er bewegte sich trotz seiner Blindheit schnell vorwärts. Sein Gesicht erschien mir finster und gefährlich und unter der Klappe seiner Rocktasche sah ich den stählernen Griff einer Pistole.

Der Blinde erzählte mir, dass er Religionslehrer sei. Als ich ihm berichtete, was mir mit meinem Führer geschehen war, sagte er, dass er mich für ein Glas Schnaps nach Torosay bringen werde. Ich erwiderte, dass ich nicht verstehen kann, wie ein Blinder mein Führer sein will, aber er meinte, dass sein Stock Sehkraft genug für einen Adler wäre. Er kenne jeden Stein und jeden Heidebusch auf der Insel Mull. Sofort erklärte er mir, was es ringsum zu sehen gab. Ich musste zugeben, dass er mit jeder Einzelheit Recht hatte.

Wenn ich eine Pistole hätte, könnte er mir sogar zeigen, wie gut er schießen könne. Ich sagte, dass ich keine hätte, und er wusste nicht, dass ich seine erspäht hatte.

Dann begann er mich schlau auszufragen, woher ich käme, ob ich reich sei, ob ich ihm ein Fünfschillingstück wechseln könne.

Als er immer wieder versuchte, sich an mich heranzumachen, sagte ich ihm schließlich, dass ich eine Pistole in der Tasche habe, genau wie er, und wenn er sich nicht auf der Stelle davonmache, würde ich ihm eine Kugel durch den Kopf schießen. Sofort wurde er sehr höflich, machte sich aber davon.

Ich ging allein weiter nach Torosay, wo ich erst einmal in einem Wirtshaus übernachtete. Dort erfuhr ich, an was für einen Schurken ich mit dem Blinden geraten war. Gut, dass ich nicht auf ihn hereingefallen war!