Schwere Arbeit

  • Autor: London, Jack

Dreißig Tage nachdem sie Dawson verlassen hatten, kamen sie mit ihrem Postschlitten wieder in Skaguai an. Die Hunde waren in einem jämmerlichen Zustand. Buck und alle anderen Hunde hatten stark an Gewicht verloren, zwei lahmten, und einer hatte sich das Schulterblatt ausgerenkt. Wunde Füße hatten sie alle, aber Lebensmut war in keinem von ihnen mehr. Monatelang hatten sie bis an die Grenzen ihrer Kraft gearbeitet. Nun verlangte jeder Muskel, jede Sehne und jeder Tropfen Blut in ihnen nach Ruhe. Sie waren todmüde.

In fünf Monaten hatten sie nicht weniger als zweitausendfünfhundert Meilen zurückgelegt. Nur fünf Tage Rast hatten sie während der letzten zweitausend Meilen machen können.

Hunde und Männer glaubten, dass nun eine längere Rast eingelegt werden könnte, aber die Post von vielen Menschen wartete darauf, nach Hause zu den Frauen und Kindern geschickt zu werden. Auch amtliche Nachrichten waren zu befördern. Also tauschte man nur die alten Hunde gegen neue aus.

Am Morgen des vierten Tages kamen zwei Männer, die sie für einen Spottpreis kauften. Sie nannten einander Charles und Hal und kamen aus den Vereinigten Staaten.

Charles war etwa vierzig Jahre alt, von heller Gesichtsfarbe, hatte kalte, blaue Augen und einen Schnurrbart, dessen Enden kühn nach oben standen.

Hal war jünger, etwa zwanzig Jahre alt. Er hatte einen großen Revolver und ein Jagdmesser im Gürtel.

Buck sah, dass verhandelt und dann Geld bezahlt wurde und wusste, dass nun auch der Mulatte und die anderen Postschlittenleute aus seinem Leben verschwinden würden.

Als er mit den anderen Hunden in das Zelt seiner neuen Herren kam, fand er dort mehr Unordnung, als er je gesehen hatte. Auch eine Frau sah er dort. Sie wurde Mercedes genannt, war Charles' Frau und Hal's Schwester.

Buck beobachtete aufmerksam, wie sie das Zelt abbrachen und den Schlitten beluden. Nichts machten sie ordentlich. Ständig stand die Frau den Männern im Weg und verlangte, dass das Gepäck anders verpackt werden sollte. Die Leute aus den Nachbarzelten sahen zu und lachten. Sie meinten aber auch, dass sie nicht so viel Gepäck mitnehmen würden, dass der Schlitten so zu schwer sei. Die drei kümmerten sich nicht um die gut gemeinten Ratschläge.

Hal nahm das Steuer in die eine Hand und die Peitsche in die andere. "Hü!", rief er. "Hü!" Die Hunde legten sich in die Riemen, zogen, so fest sie konnten, hielten aber gleich wieder ermattet inne. Der Schlitten hatte sich nicht gerührt.

"Ihr faulen Luder!", schimpfte Hal und schwang die Peitsche. Mercedes fiel ihm aber in den Arm und hinderte ihn daran, die Tiere zu schlagen. Die Umstehenden sagten, dass er den Hunden noch Ruhe gönnen müsse, aber Hal meinte es besser zu wissen. Seine Peitsche fuhr sausend durch die Luft und über die Rücken der Hunde. Sie machten verzweifelte Anstrengungen, den Schlitten vorwärts zu bringen, aber ihre Füße glitten immer wieder auf dem glatten, festgetretenen Schnee aus. Alle Mühe war vergebens, keuchend und zitternd standen sie da.

Wieder sauste die Peitsche durch die Luft. Nun konnte es Mercedes nicht mehr aushalten. Sie warf sich vor Buck auf die Knie, legte ihre Arme um seinen Hals und drückte ihn an sich. Tränen standen in ihren Augen.

"Ihr armen, armen Geschöpfe", rief sie weinend. "Warum wollt ihr auch nicht ziehen? So gebt euch doch Mühe, denn wir müssen fort!"

Buck wusste nicht, was das nun wieder bedeuten sollte. Angenehm war ihm diese stürmische Zärtlichkeit nicht, aber er fühlte sich zu elend, um die Frau abzuschütteln.

Ein Mann machte Charles und Hal darauf aufmerksam, dass die Schlittenkufen festgefroren waren, dass sich der Schlitten also gar nicht ziehen ließ. Sie rüttelten ihn kräftig, und dann mussten die Hunde den Schlitten zum dritten Mal anziehen. Ganz langsam ging es voran. Die Hunde mussten so ziehen, dass ihre Körper fast den Boden berührten. Die hohe schwere Ladung schwankte, und die Peitschenhiebe fielen hageldicht.

Hundert Meter weiter fiel die Straße nach unten ab. Schon ein erfahrener Mann hätte es schwer gehabt. einen solch beladenen Schlitten zu steuern, aber Hal hatte gar keine Erfahrung.

Schon als sie scharf um die Ecke bogen, kam das Gepäck ins Schwanken, und an allen Enden rollten Sachen in den Schnee. Die Hunde merkten das wohl, aber sie hielten nicht an, denn sie waren zu wütend über die ungerechte Behandlung. Buck war es, der das Lauftempo einschlug, und die anderen folgten. Alles "Halt!" und "Brr!" half nichts. Hal wurde einfach mitgeschleift. Nach kurzer Fahrt stürzte der Schlitten vollends um und schleifte nun, leicht wie er war, hinter den Hunden her, die abschüssige Straße nach Skaguai hinunter. Die Zuschauer freuten sich darüber.

Ein paar gutmütige Leute fingen endlich die Hunde ein und sammelten die verstreuten Sachen auf. Dann redeten sie ein ernstes Wort mit den drei Fremden - doppelt so viele Hunde und halb so viel Ladung, wenn sie jemals in Dawson ankommen wollten.

Nun ging es ans Auspacken. Die Umstehenden schütteten sich fast aus vor Lachen, über die vielen unnützen Dinge, die die drei bei sich hatten. Stück für Stück wurde beiseite gelegt, wobei Mercedes weinte und zeterte. Damit konnte sie aber bei niemandem Mitleid erregen. Eigensinnig warf sie nun auch notwendige Sachen fort.

Jetzt war die Ladung halb so groß, aber immer noch schwer genug. Charles und Hal kauften noch sechs neue Hunde, so dass es insgesamt vierzehn waren. Allerdings waren sie völlig unerfahren und für die Arbeit als Schlittenhund auch ungeeignet. Buck hatte seine Not mit ihnen.

Charles und Hal waren stolz auf ihr Gespann mit vierzehn Hunden und dachten nicht darüber nach, warum alle anderen Schlitten mit weniger Hunden fuhren. Sie wussten eben alles besser als andere Leute.

Am nächsten Morgen setzte sich das Gespann nun endgültig in Bewegung. Buck hatte den bevorstehenden Weg schon viermal zurückgelegt und wusste, was sie erwartet. Und dieses Mal war er schon von Anfang an todmüde. Außerdem hatte er längst bemerkt, dass er sich auch nicht auf die Menschen verlassen konnte, die ihn führten. Es wurde immer späte Nacht bevor das Zelt aufzuschlagen war, und bis Mittag dauerte es stets, bis sie es wieder auf den Schlitten gepackt hatten. Das geschah aber so nachlässig, dass es mehrmals am Tag herunter fiel. Manche Tage kamen sie gar nicht zur Abfahrt.

Hal hatte den Hunden stets die doppelte Portion Futter gegeben, weil er dachte, dass sie dann besser ziehen würden. Mercedes hatte ihnen außerdem auch noch heimlich Futter gegeben, weil sie meinte, sie bekämen zu wenig. Aber es fehlte ihnen kein Futter, sondern nur Ruhe, ganz einfach Ruhe.

Das führte dazu, dass bald der Mangel an Essvorräten deutlich wurde. Auf die Tage der Überfütterung folgten dann die des Hungers. Unterwegs konnte nichts gekauft werden, also wurden die Rationen immer wieder gekürzt. Trotzdem sollten die Hunde schneller laufen, damit man früher am Ziel wäre. Das erste Opfer war Dub, auf dessen ausgerenkte Schulter niemand mehr geachtet hatte. Eines Morgens wurde er von Hal erschossen. Bald darauf starben vier von den neuen Hunden, die beiden anderen waren nur noch Haut und Knochen.

Auch die drei Menschen hatten sich verändert. Sie hatten sich die Nordlandfahrt anders vorgestellt, und aus lauter Enttäuschung und der daraus resultierenden schlechten Laune stritten sie ständig. Charles und Hal waren jeder von sich der Meinung, dass er viel mehr tun würde als der andere. Mercedes fühlte sich zu wenig beachtet von den Männern. Sie bestand darauf, dass sie während der Reise auf dem Schlitten sitzen darf. Das wäre allerdings zu viel für die Hunde gewesen. Sie schrie und weinte, und einmal setzte sie sich einfach in den Schnee und blieb da, auch als die Männer weiterfuhren. Diese meinten, sie würde schon aufstehen und loslaufen, wenn der Schlitten nicht mehr zu sehen wäre, aber da hatten sie sich geirrt. Als sie drei Meilen gefahren waren und nichts mehr von Mercedes zu sehen war, luden sie den Schlitten ab, fuhren zurück und fanden sie an der gleichen Stelle sitzend.

Um die Hunde kümmerten sie sich nicht mehr. Als das letzte Futter verteilt war, tauschten sie mit einer alten Indianerin, die sie unterwegs trafen, einen Revolver gegen eine gefrorene Pferdehaut. Diese alte Haut war aber nur ein schlechter Ersatz für Futter.

Buck ging nur noch wie im Traum an der Spitze des elenden Hundegespanns. Er zog so lange, bis er hinfiel. Erst wenn die Peitschenschläge hageldicht fielen, raffte er sich wieder auf. Sein Fell war schmutzig und struppig und an manchen Stellen, wo der Peitschenstiel gar zu hart getroffen hatte, blutverschmiert. Seine Muskeln waren schlaff und knotig geworden, und jede Rippe war zu sehen.

Auch die übrigen sechs Hunde waren wandelnde Gerippe, die die Schläge der Peitsche kaum noch spürten und deren Kräfte immer weiter schwanden. Innerhalb weniger Tage erschlug Hal zwei der Hunde mit dem Beil, da er ja keinen Revolver mehr hatte.

Jetzt waren sie noch fünf - der hinkende Peik, Jeß, der einäugige Solleks, Teek und Buck. Der war noch immer Leithund und setzte halb blind vor Schwäche langsam einen Fuß vor den anderen.

Es war herrliches Frühlingswetter, aber weder Menschen noch Tiere achteten darauf. Die Sonne schien den ganzen Tag, die Quellen fingen an zu rieseln, das Eis des Flusses krachte. Durch all diese Frühlingsherrlichkeit kroch in der Sonnenglut langsam der Schlitten mit den beiden Männern, der Frau und den Hunden bis zum Lager von John Thornten am Ufer des Milchflusses.

Als der Schlitten hielt, fielen die Hunde hin wie tot. Hal prahlte vor John, dass sie trotz der Warnungen anderer Männer die Bahn auf dem Fluss benutzt hatten.

John Thornten erwiderte ruhig: "Narren haben eben manchmal mehr Glück als vernünftige Leute. Ich jedenfalls würde nicht für alles Gold in Alaska wagen, jetzt noch auf dem Eis zu fahren." Mehr sagte er nicht, denn er kannte diese Art Menschen, die sowieso nicht tun würden, was er ihnen riet.

"Aber wir wagen es!", sagte Hal, warf den Kopf eigensinnig in den Nacken und schwang die Peitsche. "He, Buck, marsch!"

Die Hunde rührten sich erst nach vielen Peitschenhieben. Unter Schmerzen und mit Aufbieten der letzten Kräfte erhoben sie sich. Nur Buck blieb liegen. Er lag ruhig da, wo er hingefallen war. Bei den Peitschenhieben winselte er nicht einmal. Es war das erste Mal, dass Buck den Dienst versagte. Hal geriet darüber in helle Wut, schlug mit dem Peitschenstiel, aber Buck rührte sich nicht.

Da stürzte John Thornten hinzu, schrie laut auf und stieß Hal um. Zitternd und kreidebleich vor Aufregung und Zorn beugte er sich über Buck.

"Schlägst du den Hund noch einmal, dann schlage ich dich tot!", stieß er hervor.

"Es ist mein Hund", rief Hal, der aufgestanden war und sich das Blut von der Nase wischte. "Weg da, ich kann machen, was ich will!"

Aber Thornten stellte sich zwischen ihn und den Hund. Mercedes schrie und weinte, und Hal zog sein Messer. Dieses schlug ihm Thornten aber mit dem Stiel seiner Axt aus der Hand, so dass es klirrend zu Boden fiel. Thornten selbst hob es auf und schnitt damit Bucks Stränge durch.

Hal gab es auf sich zu widersetzen. Gleich darauf fuhr der Schlitten ab, wieder auf den Fluss zu. Buck hörte es und hob den Kopf. Peik hatte die Leitung. Mercedes saß oben auf dem Schlitten, Hal ging neben dem Steuer, und Charles stolperte auf der anderen Seite dahin.

Während Buck ihnen nachsah, untersuchte John Thornten ihn mit sanfter Hand. Die Knochen waren nicht gebrochen, aber am ganzen Körper fanden sich Beulen und Wunden.

Inzwischen war der Schlitten über das Ufer gefahren und wieder mitten auf dem Fluss. Plötzlich schwebte das Steuer hoch in der Luft, daran hing Hal. Das Ende des Schlittens war durch das Eis gebrochen. Ein Schrei von Mercedes klang schrill herüber. Da brach noch mehr von dem Eis, und Menschen und Hunde verschwanden. Ein schwarzes Loch in der weißen Fläche war alles, was noch zu sehen war.

John Thornten und Buck sahen einander in die Augen. "Armer Kerl", sagte der Mann leise. Langsam und müde leckte ihm der Hund die Hand.