Das Erdmännlein und der Schäferjunge

  • Autor: Autor Unbekannt

Es gab einmal vor vielen Jahren einen Jungen, der hütete die Schafe seines Dorfes, das in der Nähe von Dresden lag. Eines Tages aber geschah etwas ganz Unglaubliches: Der große schwere Stein, neben dem es sich der Junge gemütlich gemacht hatte und den nicht einmal eine Riese hätte transportieren können, begann sich zu bewegen und in die Höhe zu heben. Ganz wie von Geisterhand!

Nun war der Junge keinesfalls erschreckt, sondern wollte sich das alles einmal aus der Nähe ansehen. Er trat also noch einen Schritt näher an den großen Koloss heran und betrachtete ihn von allen Seiten aufmerksam.

Plötzlich, wie aus dem Nichts, hüpfte dem Jungen ein kleines Erdmännchen in den Weg, stemmte seine kleinen Ärmchen in die Seite und sagte: „Ich war verbannt in diesem Stein. Du hast mich erlöst. Dafür vielen Dank!“ Da sah sich das kleine Kerlchen den Jungen noch ein wenig genauer an und sprach weiter: „Und weil du so gut zu mir warst, will ich dir nun für immer dienen und an deiner Seite leben.“

Da staunte das Kind nicht schlecht, doch es kamen ihm Zweifel. Und so sagte es zu dem kleinen Erdmännchen: „Das ist nett von dir. Und ich würde mich auch sehr darüber freuen, wenn du bei mir leben könntest. Nur leider ist es so, dass ich einen bösen Stiefvater und sehr viele Geschwister habe, für die er kaum genügend Essen heran schaffen kann. Würde ich jetzt auch dich noch mit an unseren Tisch bringen, so würde mein Stiefvater sicherlich ziemlich ungehalten werden.“

Natürlich hatte das Erdmännchen großes Verständnis für die Sorgen des Jungen, bestand aber darauf, dass es nun in der Nähe des Kindes leben müsse, weil dieses ja nun verantwortlich für das Erdmännchen sei. Der Junge grübelte eine ganze Weile über das Problem, dann hatte er die Lösung: „Zieh bei unserem Nachbarn ein. Der hat keine Kinder und du wärst trotzdem immer in meiner Nähe.“

Und so geschah es auch: Das Erdmännchen lebte fortan in des Nachbars Haus, der den kleinen Kerl nun nie wieder los wurde.