Schattenoperation

“Liebes Publikum, Sie haben heute die Möglichkeit, etwas zu erleben, das Sie so schnell nicht wiedersehen werden”, verkünde ich unseren Gästen. “Sie werden nämlich Zeugen einer ganz besonders schwierigen Operation werden.” Ich verbeuge mich kurz und verschwinde hinter den zusammengezogenen Vorhängen der Bühne. Direkt hinter den Vorhang haben Michael Green und ich einen Tisch gerückt, etwa ein bis zwei Meter davon entfernt stellen wir eine stark leuchtende Lampe auf und schalten sie an. Sie beleuchtet nun den Tisch und das Licht strahlt direkt auf den Vorhang in Richtung des Publikums. Die Zuschauer sehen den scharf umrissenen Schatten des Tisches.

“Meine Damen und Herren. Jetzt brauchen wir nur noch einen Patienten. Oh, diese junge Dame mit den langen Haaren. Sie sehen aber gar nicht gut aus. Und Sie sind ja schon genauso grün im Gesicht wie Ihr T-Shirt! Kommen Sie doch bitte mit, der Herr Doktor wird Sie sofort operieren.” Ich führe das Mädchen hinter den Vorhang, wo sie sich auf den Tisch legt.
“So”, rufe ich hinter dem Vorhang hervor. “Jetzt erst einmal eine Betäubung.” Das Publikum sieht im Schattenbild, wie ich mit einem riesigen Hammer aushole und der Patientin auf den Kopf haue.

Dann greife ich zu einer großen Schere und schneide ihr den Bauch auf. Und was da nicht alles zum Vorschein kommt! Alles Mögliche ziehe ich, oder der Doktor, wie das Publikum meint, aus dem Bauch der Patientin. Lange, dicke Würste – das müssen wohl die Gedärme sein –, einen großen, runden Lolli und schließlich sogar – einen ganzen Teddybären!

“Meine Güte, kein Wunder, dass die arme Patientin Bauchschmerzen hatte! Nun säubere ich das Ganze noch ...” Mit einer Schaufel kratze ich den Bauch des Mädchens leer. “... lege die Därme wieder hinein und nähe dann zu.” Die Zuschauer sehen an den Schatten, wie ich zu einer großen Nadel greife und mit ein paar Stichen den Bauch zunähe. “So, alles erledigt. Die Operation ist gelungen! Jetzt muss die Patientin nur noch zu sich kommen.” Mit einer Gießkanne gieße ich Wasser auf den Kopf des Mädchens. Die Patientin setzt sich auf, hüpft fröhlich vom Tisch, bedankt sich beim Doktor und geht wieder ins Publikum.

Keine Sorge. Das war natürlich keine richtige Operation. Die Schattenrisse, die man gesehen hat, sind vorgegaukelt. Ich greife nach dem Hammer, der in Wirklichkeit aus einem Stock und einer Rolle Küchenpapier besteht. Mit diesem "Hammer" habe ich nicht auf den Kopf, sondern neben den Kopf unserer Patientin gehauen. Auch die Schere habe ich neben ihrem Bauch angesetzt, so dass ihr nichts passieren konnte. Und der ganze Krimskrams, den ich aus ihrem Bauch hervorgeholt habe, lag eigentlich neben ihr auf dem Tisch. Von dort habe ich die Sachen einfach nur hochgezogen. Und das Wasser zum Aufwachen? Tja, das habe ich nicht auf ihren Kopf, sondern in eine Schale, die neben ihrem Kopf stand, geschüttet.