9. KapitelIn dem Don Quichotte den Boden unter den Füßen verliert

  • Autor: Cervantes, Miguel de

Solch ein Durcheinander hatte Don Quichotte in der Wirtschaft angerichtet, dass der Hausherr die Stunde verwünschte, zu der ihm dieser Gast ins Haus geschneit war. Nur Sancho war zufrieden und brummte vergnügt vor sich hin:

„Jetzt wird’s was mit der Graferei, wo mein Herr doch schon den Riesen umgelegt hat.“

Als er aber begriff, dass Don Quichotte lediglich ganz ohne Not den guten Rotwein verschüttet hatte, fand er die Sache gar nicht mehr spaßig.

Nach ein paar Stunden stand Don Quichotte wohl ausgeruht von seinem Lager auf. Wie wunderte er sich, als ihn sein treuer Diener statt mit Beifall mit bitteren Vorwürfen empfing. Trotzdem ließ er sich nicht in dem Glauben beirren, er habe dem Riesen den Garaus gemacht.

Als die Nacht kam, begannen alle anderen Gäste zu gähnen. Nur Don Quichotte, der ja den Tag verschlafen hatte, war hellwach. Ihm fiel ein, der Prinzessin von Mikomikon könne von dem verwunschenen Schloss Gefahr drohen. Deshalb begab er sich in voller Rüstung auf den Hof und hielt Wache.

Als sie Don Quichotte auf seinem Streitross im Mondenschein erblickten, tuschelten die Magd Maritornes und die Wirtstochter leise miteinander. Sie wollten dem wirren Reisenden einen Streich spielen, den er sein Lebtag nicht vergessen sollte. Also schlichen sie auf den Dachboden. Maritornes raunte:

„Psst, Herr Ritter, kommt doch mal her!“

Don Quichotte erinnerte sich sofort an die vermeintliche morgenländische Prinzessin von seinem letzten Besuch, lenkte sein Pferd dicht unter das Dachbodenfenster und erklärte entschuldigend:

„Nehmt es mir nicht übel, ihr seid sicher eine wundervolle Frau, aber ich kann euch nun mal nicht lieben.“

„Das macht doch nichts“, sagte Maritornes, „bitte, reicht mir nur einmal eure Hand.“

Diesen bescheidenen Wunsch wollte der Ritter nicht abschlagen und kletterte deshalb auf den Rücken seines Pferdes. Dann streckte er die Hand durchs Dachfenster. Kichernd warfen ihm die beiden Mädchen eine Schlinge ums Handgelenk und banden sie an der Türklinke fest.“

„Weh mir!“ rief Don Quichotte da, „ich bin verloren. Der Zauberer hat mich fest gekettet.“

Je mehr er zappelte und zerrte, um mit der Hand freizukommen umso fester zog sich die Schlinge zu.

Zu seinem Unglück kamen des Morgens Reiter an die Wirtschaft. Kaum witterte Rosinante Pferdegeruch, rannte er los. Don Quichotte blieb hilflos in der Luft baumelnd zurück. Mit den Zehen berührte er fast die Erde, wenn er sich streckte, aber es fehlten ein paar Zentimeter.

Verzweifelt kämpfte der Ritter darum, wieder Boden unter den Füßen zu gewinnen und schrie dabei jämmerlich. Schleunigst rannte Maritornes auf den Dachboden und schnitt das Seil durch. „Plumps!“ fiel der Junker auf den Boden. Und da er felsenfest behauptete, mal wieder ein Opfer magischer Kräfte zu sein, kam der Streich der beiden Mädchen nie ans Licht.