Das Haus in Auteuil

  • Autor: Dumas, Alexander

Der Graf von Monte Christ wurde schnell zum Stadtgespräch von Paris. Er erstaunte sowohl durch seinen unermesslichen Reichtum als auch durch seine Kühnheit. Neben seiner Villa in Paris, an den Champs-Élysées erwarb er noch ein Landhaus in Auteuil. Mit seinem Verwalter Bertucchio machte er sich auf den Weg, das Haus, welches ganz in der Nähe von Paris stand, zu besichtigen.

Der Graf hatte wohl bemerkt, dass Bertucchio nur sehr widerwillig bereit war, mit ihm zu fahren. Als sie den Garten betraten, stand Schweiß auf dem Gesicht des Verwalters. Aus den Unterlagen des Notars, hatte der Graf entnommen, dass dieses Haus einmal dem Schwiegervater des Herrn von Villefort gehört hatte.

Auf dem Grundstück brach Bertucchio zusammen und erzählte seinem Herrn, was sich vor über zwanzig Jahren dort zugetragen hatte:

Im Jahre 1815 wurde der Bruder von Bertucchio von Straßenräubern ermordet. Bertucchio suchte Hilfe bei der französischen Justiz und stand eines Tages vor dem Zweiten Staatsanwalt von Marseille, Herrn von Villefort. Dieser lehnte es jedoch ab, die Ermordung strafrechtlich zu verfolgen. Daraufhin schwor Bertucchio Blutrache.

Drei Monate belauerte er das Haus in Auteuil, in dem Herr von Villefort regelmäßig aus und einging. "Es war im Garten ebendieses Hauses, und es war eine finstere Nacht", erklärte der Verwalter. "Ich war Herrn Villefort gefolgt. Er hatte ein geheimes Verhältnis mit einer Dame, die hier zurückgezogen lebte und ein Kind zur Welt brachte, die Frucht der verbotenen Liebe."

"Wer war diese Frau?", unterbrach der Graf.

"Ich kenne ihren Namen nicht, aber ich weiß, dass sie jetzt die Gattin des Bankiers Danglars ist."

"Fahre fort!"

"Ich sah in der Dunkelheit, wie Herr von Villefort den Säugling erdrosselte. Er begrub ihn in seinem Garten. Gleich darauf durchbohrte ich Herrn von Villefort mit meinem Messer, ließ ihn liegen und eilte davon. Doch ein unerklärliches Gefühl zog mich zurück und ich grub die Kiste mit dem toten Säugling aus. Stellen Sie sich mein Entsetzen vor - es lebte noch. Ich nahm es als ein Zeichen Gottes an, dass er mir den Mord verziehen hatte und brachte den Jungen in ein Waisenhaus.

Meiner Schwägerin, die nach dem Tod meines Bruders sehr einsam war, erzählte ich die Geschichte und sie holte das Kind zu sich. Leider entwickelte sich Benedetto zu einem Gauner, ich habe ihn nie wieder gesehen."

Der Graf schwieg lange und meinte dann: "Rede mit keinem Menschen darüber." Bertucchio, der immer noch am ganzen Leib zitterte, nickte nur. Der Graf von Monte Christo verschwieg ihm, dass dessen Anschlag auf Herrn von Villefort seinerzeit misslungen war, dieser gerettet wurde und nun selbst als Herr über Leben und Tod entschied.

"Doch die Geschichte ist noch nicht zu Ende", fuhr Bertucchio fort. "Auf meiner Flucht, wollte ich bei einem bekannten Wirtsmann untertauchen. Ich bemerkte, dass er Besuch hatte und versteckte mich im Nebenzimmer."

"Wer war dieser Wirt?"

"Gaspard Caderousse. Im Gespräch hörte ich heraus, dass er einen Edelstein von einem Abbé erhalten hatte. Er war ein Vermächtnis eines Gefangenen. Der Juwelier wollte die Geschichte erst nicht glauben, doch schließlich erklärte er sich bereit, das Stück für 50 000 Franken abzukaufen. Die Männer gerieten in Streit und plötzlich fiel ein Schuss und Schritte entfernten sich. Als ich nachsah, lag der Juwelier blutüberströmt am Boden und Caderousse war auf der Flucht. Die Polizei nahm mich gefangen. Mir fiel wieder der Name des Abbés ein, vom dem die Rede gewesen war. Und so suchte die Polizei nach einem Abbé Busoni.

Zwei lange Monate später stand er plötzlich in meiner Zelle. Ich erzählte ihm alles und wurde bald darauf frei gelassen. Den Rest wissen Sie, mein Herr. Mit einem Empfehlungsschreiben von Abbé Busoni trat ich ihn ihre Dienste. Caderousse wurde gefangen genommen und büßt für den Mord an dem Juwelier auf einer Galeere."

Schweigend bestiegen die Männer wieder die Kutsche und fuhren nach Paris.

Noch am selben Abend kam eine andere Kutsche an der Villa an. Der Graf ging hinab und reichte seine Hand einer Frau, welche in einem großen, seidenen, ganz mit Gold bestickten Schleier gehüllt war. Die junge Frau küsste liebevoll die ihr dargebotene Hand. "Seid Willkommen, Haydee", begrüßte sie der Graf mit sanftem Ernst. Dann wurde die junge Griechin in ihre Gemächer begleitet.