Die schöne junge Braut

Es ging einmal ein hübsches Landmädchen in den Wald, um Futter für ihre Kuh zu holen. Wie sie nun in Gottes Namen Gras schnitt und an gar nichts Arges dachte, kamen auf einmal vier Räuber, umringten sie und führten sie ohne Gnad und Barmherzigkeit mit sich fort. Da mochte sie schreien und zappeln, bitten und betteln, so viel sie wollte.

Weit ab von des Mädchens Heimat, in einem finsteren Walde, hatten die Räuber ein Haus. Immer blieben wenigstens einige daheim, wenn die andern zum Raub auszogen. Dem Mädchen taten die Räuber aber weiter nichts zu Leide, als sie in dem Hause gefangen zu halten. Sie musste den Haushalt besorgen, kochen, backen und waschen und wurde immer scharf bewacht. Ansonsten hatte sie es aber gut, und die Räuber gaben ihr sogar einen Namen: Schöne junge Braut.

So war nun das Mädchen schon einige Jahre in der Räuberherberge. Da traf es sich einmal, dass ein großer Raub ausgeführt werden sollte, an dem die ganze helle Bande teilnehmen musste. Das Mädchen schien sich an das Leben in der Räuberhöhle gewöhnt zu haben und hatte auch noch keinen Fluchtversuch gewagt. Und weil sie auch schwerlich den Weg durch den wilden Wald finden würde, dachte der Hauptmann: "Dieses Mal muss es eben ohne Wache gehen". So blieb das Mädchen allein und unbewacht im Waldhause zurück.

Kaum waren die Räuber aber fort, da sann die schöne Braut nach, wie sie unerkannt entfliehen könne. Sie machte geschwind eine Gestalt aus Stroh, zog derselben ihre Kleider an, und setzte dieser noch ihre Haube auf. Dann bestrich sich das Mädchen von Kopf bis zu den Füßen mit Honig und wälzte sich über und über in Federn, so dass sie unerkennbar wie ein seltsamer Vogel aussah. Die Gestalt in ihren Kleidern lehnte sie an ein Fenster über der Haustür und ließ sie mit verdecktem Gesicht hinausschauen. Und weil sie für die Räuber gut gearbeitet hatte, nahm sie sich auch noch einen Jahreslohn vom versteckten Räuberschatz, den sie beim Hausputz gefunden hatte. Nun konnte sie endlich von dannen eilen.

Mag sein, dass die Räuber eine Ahnung von der beabsichtigten Flucht bekamen oder einfach nur etwas vergessen hatten. Der Hauptmann schickte jedenfalls einige seiner Räuber nach Hause zurück. Und wie sie so mit schnellen Schritten ihres Weges gingen, fiel ihnen das seltsam fiedrige Käuzlein auf. Sie dachten aber, es wäre ein Räuberkumpan von der anderen Seite des Waldes, der sich unkenntlich zu machen suchte. Lachend riefen sie die bedauernswerte Gestalt an:

"Wohin, wohin, Herr Federsack?
Was macht die schöne junge Braut?"

Diese, die es selbst war, war zwar sehr erschrocken, doch fasste sie sich ein Herz und antwortete mit tiefer verstellter Stimme:

"Sie fegt und säubert euer Haus,
und schaut wohl auch zum Fenster ´raus!"

Dann beeilte sich das Mädchen, damit sie den Räubern aus dem Gesichte kam. Kaum war sie dem Walde glücklich entronnen, sah sie auch schon ein Dorf, nicht weit. Dort nahm sie erst einmal ein heißes Bad, um die Federn und den Honig abzustreifen. Dann kaufte sie sich hübsche Kleider und gelangte so wohlbehalten nach langer Wanderung in die Heimat zurück. Dort hatte sie noch genug von ihrem Jahreslohn, um wohl zu leben und einen wackeren Burschen zu heiraten.

Als die Räuber aber von ihrem Raubzug nach Hause kamen, sahen sie schon von weitem die Gestalt der schönen jungen Braut am Fenster stehen und riefen ihr fröhlich zu:

"Grüß Gott, O schöne junge Braut,
die freundlich uns entgegenschaut."

Da der Gruß aber keine Antwort fand, wunderten sich die Räuber schon sehr. Und als sie dann näher kamen, vermeinten sie, die schöne junge Braut sei eingeschlafen. Vergebens riefen sie noch einmal und geboten ihr zu öffnen. Doch selbst ihr Pochen und Schreien, Rufen und Schelten zeitigte keine Wirkung. Da traten sie wütend die Türe entzwei, stürmten die Treppe hinauf und packten die schöne junge Braut, um sie zur Rede zu stellen. Doch nur eine Strohgestalt fiel ihnen leblos in die Arme, und sie riefen voller Zorn:

"Fahre wohl, du schöne junge Braut!
Ein Tor ist, wer auf Weiber baut!"