Rübezahl und der arme Bauer

[von Johann Karl August Musäus]

Nicht immer war Rübezahl in der Laune, Leuten am Ende doch noch zu helfen, wenn sie Schaden und Nachteil durch ihn erlitten. Oft machte er nur den Plagegeist aus boshafter Schadenfreude und kümmerte sich wenig darum, ob es einen Schurken oder einen Ehrenmann traf.

Er gesellte sich gerne zu einem einsamen Wanderer, führte den Fremdling in die Irre, ließ ihn am Absturz eines Berggipfels oder in einem Sumpfe stehen und verschwand mit höhnischem Gelächter. Manchmal erschreckte er auch die furchtsamen Marktweiber in der Gestalt von wildfremden Tieren.

Damit nicht genug lähmte Rübezahl den Reisenden auch das Ross, dass es nicht von der Stelle kam. Er zerbrach den Fuhrleuten ein Rad oder eine Achse am Wagen, ließ vor ihren Augen ein Felsenstück in den Hohlweg rollen, das sie mühsam auf die Seite räumen mussten. Gelegentlich hielten auch unsichtbare Kräfte einen leeren Wagen fest, dass sechs Pferde ihn nicht fortziehen konnten. Und verriet der Fuhrmann durch derbe Schmähworte, dass er eine Neckerei von Rübezahl vermutete, so hatte er gleich ein Hornissen-Heer am Hals, das die Pferde wild machte.

Mit einem guten alten Schäfer hatte Rübezahl aber Bekanntschaft gemacht und war ihm sogar in Freundschaft verbunden. Er gestattete dem Schäfer, die Herde bis an die Hecken seiner Gärten zu treiben. Der Geist hörte dem Hirten gerne zu, wenn dieser aus seinem unbedeutenden Lebenslauf erzählte.

Doch als der Schäfer eines Tages wieder mal seine Herde zum Garten trieb, brachen einige Schafe durch die Hecken und weideten auf den Grasplätzen des Berggeistes. Darüber ergrimmte Freund Rübezahl dergestalt, dass er die Herde in Panik versetzte und sie in wildem Getümmel den Berg hinabscheuchte. Viele Schafe verunglückten dabei, was den Nahrungsbestand des alten Schäfers derart verringerte, dass er sich zu Tode grämte.

Ein Arzt aus Schmiedeberg, der auf dem Riesengebirge oft Pflanzen sammelte, genoss gleichfalls die Ehre, mit seiner prahlerischen Gesprächigkeit den Gnom zu unterhalten. Das merkte der Arzt aber nicht, weil Rübezahl sich bald als Holzhauer, bald als Reisender zu ihm gesellte. Er half sogar gelegentlich, das schwere Kräuterbündel ein Stück weit zu tragen und gab noch manchen Hinweis auf die Heilkräfte der Pflanzen.

Der Arzt, der sich in der Kräuterkunde kenntnisreicher dünkte, nahm diese Belehrungen sehr übel und sprach: "Der Schuster soll bei seinem Leisten bleiben, und der Holzhauer soll den Arzt nicht belehren. Wenn du dich aber mit den Pflanzen so gut auskennst, dann sage mir, du weiser Salomo, was eher da war, die Eichel oder der Eichenbaum?"

Der Holzfäller überlegte kurz und sprach: "Doch wohl der Baum, denn die Frucht kommt vom Baume." "Narr", sprach der Arzt, "wo kam denn der erste Baum her, wenn er nicht aus dem Samen sprosste?" Der Holzhauer erwiderte: "Ich sehe schon, das ist eine Meisterfrage, die mir einfach zu hoch ist. Aber ich will Euch auch eine Frage stellen: Wem gehört dieser Erdengrund, auf dem wir stehen? Dem König von Böhmen oder dem Herrn vom Berge?" - So nannten die Menschen den Berggeist nun, nachdem sie erkannt hatten, dass der Name Rübezahl im Gebirge nur Stöße und blaue Flecken einbrachte. - Der Arzt bedachte sich nicht lange und antwortete mit fester Stimme: "Ich meine, dieser Grund und Boden gehört meinem Herrn, dem König von Böhmen. Denn Rübezahl ist ja nur ein Hirngespinst, ein Popanz, mit dem man den Kindern das Fürchten lehren kann."

Kaum waren diese Worte aus seinem Munde gefallen, verwandelte sich der Holzhauer in einen scheußlichen Riesen mit funkelnden Augen und wütender Grimasse. Er schnauzte den Arzt grimmig an und sprach mit rauer Stimme: "Hier steht Rübezahl, der dich popanzen wird, bis deine Rippen krachen". Der Riese erwischte den Arzt am Kragen, rammte ihn gegen Bäume und Felsenwände, riss und warf ihn hin und her, schlug ihm auch noch ein Auge aus und ließ ihn halb tot auf dem Platze liegen. Der Arzt hat sich danach nie mehr getraut auf dem Gebirge Pflanzen zu sammeln. So leicht war es also, sich die Freundschaft von Rübezahl zu verscherzen. Doch ebenso leicht war es auch, sie zu gewinnen.

Ein Bauer aus Reichenberg verlor sein Hab und Gut, weil er von einem Nachbarn Geld geliehen hatte und die Ernte in diesem Jahr besonders schlecht ausfiel. Nun hatte auch noch der Bürgermeister seine letzte Kuh gepfändet. Dem armen Bauern blieb nichts, als sein abgemagertes Weib und ein halb Dutzend Kinder, wovon er den Gerichten gerne die Hälfte als Pfand für sein letztes Stück Vieh gegeben hätte.

"Mit hundert Talern", sprach der arme Veit zu seinem Weibe, "wäre uns geholfen. Wir könnten wieder einen Haushalt einrichten und fern von dem streitsüchtigen Nachbarn ein neues Eigentum gewinnen. Du hast doch reiche Vettern jenseits des Gebirges. Ich will hin und ihnen unsere Not klagen. Vielleicht erbarmt sich einer mit gutem Herzen und leiht uns auf Zinsen von seinem Überfluss, soviel wir bedürfen." Das Weib willigte mit schwacher Hoffnung ein, weil sie keinen besseren Vorschlag wusste.

Gleich am nächsten Morgen machte sich Veit bereit und sprach zu den Seinen: "Weinet nicht! Mein Herz sagt mir, ich werde einen Wohltäter finden." Darauf steckte er eine harte Brotrinde als Wegzehrung in die Tasche und ging davon.

Gegen Abend gelangte er in das Dorf, wo die reichen Vettern wohnten. Aber keiner wollte ihn kennen, und keiner wollte ihn beherbergen. Die hartherzigen Filze schauten hochnäsig auf den armen Verwandten herab, kränkten ihn mit Vorwürfen und beleidigten ihn mit allerlei schlauen Sprichwörtern. Einer sprach: "Junges Blut, spar dein Gut." Der Andere: "Hochmut kommt vor dem Fall.", Der Dritte: "Wie du es treibst, so geht es." Der Vierte: "Jeder ist seines Glückes Schmied." So höhnten und spotteten sie über ihn, nannten ihn einen Prasser und Faulenzer, und stießen ihn zur Türe hinaus.

Das hatte der arme Vetter von der reichen Sippschaft seines Weibes nicht erwartet. Stumm und traurig schlich er davon. Und weil er nichts hatte, um das Schlafgeld in der Herberge zu bezahlen, musste er sich mit einem Heuschober auf dem Felde zufrieden geben. Hier wartete er schlaflos auf den nächsten Tag, an dem heimkehren wollte.

Da er nun wieder ins Gebirge kam, überkam ihn große Sorge, und er war der Verzweiflung nahe. Er dachte: "Wenn du heimkehrest und die hungrigen Kinder Brot von dir verlangen, Vaterherz, wie sollst du es tragen! Es wird dir das Herz brechen." Darauf warf er sich unter einen Schlehenbusch und brütete weiter an seinen schwermütigen Gedanken.

Am Rande des Verderbens kamen ihm tausend unsinnige Einfälle, doch dann beschloss er sich an den Geist des Gebirges zu wenden, komme was da wolle. Er wusste wohl, dass man ihn nicht ungestraft bei seinem Spottnamen rufen durfte, aber es fiel ihm nichts anderes ein. Also wagte er es und rief so laut er konnte: "Rübezahl! Rübezahl!"

Da erschien alsbald ein rußiger Köhler mit einem fuchsroten Bart, der bis an den Gürtel reichte. Er hatte feurige Augen und war mit einer Schürstange bewaffnet, die er grimmig gegen den frechen Spötter erhob. "Haltet ein, Herr Rübezahl!", rief Veit ganz unerschrocken. "Verzeiht mir, wenn ich euch nicht anders benenne. Hört mich nur an, dann tut, was euch gefällt."

Diese ungewöhnlichen Worte und das leidvolle Gesicht des Mannes besänftigten den Zorn des Geistes ein wenig. "Erdenwurm", sprach er im strengen Ton, "was treibt dich, mich zu verspotten? Weißt du nicht, dass du mit Hals und Haut für deinen Frevel büßen musst?" "Herr", antwortete Veit, "die Not treibt mich zu euch. Ich habe eine Bitte, die ihr mir leicht gewähren könntet. Ich möchte mir hundert Taler leihen, die ich mit landesüblichen Zinsen in drei Jahren wieder zurückzahlen werde, so wahr ich hier stehe!" Der Geist verzog mürrisch sein Gesicht. "Bin ich ein Wucherer, der auf Zinsen leiht? Gehe hin zu deinen Menschenbrüdern und borge dir, was du brauchst. Mich aber lass in Ruhe." "Ach", erwiderte Veit "mit der Menschenbrüderschaft ist es aus! Geht es ums Geld, kennt dich keiner mehr."

Nun erzählte Veit die ganze Geschichte. Der Geist war sehr gerührt und willigte schließlich ein, die Bitte zu erfüllen. "Komm, folge mir", sprach er und führte Veit in ein abgelegenes Tal zu einem schroffen Felsen, dessen Fuß von ein dichten Busch bewachsen war. Sie arbeiteten sich mit Mühe hindurch und gelangten zum Eingang einer finsteren Höhle. Veit war nicht wohl zumute, als er so im Dunkeln tappen musste. Es liefen ihm kalte Schauer über den Rücken, und seine Haare sträubten sich empor. "Rübezahl hat schon manchen betrogen", dachte er. "Wer weiß, in welchen Abgrund ich beim nächsten Schritt wohl stürze."

Dann hörte er das fürchterliche Brausen eines Wassers, das sich in einen tiefen Schacht ergoss. Je weiter er fortschritt, um so mehr erfasste ihn Furcht und Grauen. Doch bald sah er ein blaues Flämmchen in der Ferne hüpfen. Das Berggewölbe erweiterte sich zu einem großen Saal, und aus dem Flämmchen war ein Hängeleuchter geworden, der hell in der Mitte der Felsenhalle leuchtete. Auf dem Boden fiel ihm auch eine kupferne Pfanne in die Augen, die bis zum Rand mit harten Talern gefüllt war.

"Nimm", sprach der Geist, "was du brauchst. Du musst mir aber einen Schuldbrief ausstellen, wenn du des Schreibens mächtig bist." Der Schuldner ging ohne Zögern darauf ein, zählte sich gewissenhaft einhundert Taler ab und schrieb den Schuldbrief nieder. Der Geist nickte nun zufrieden, schloss das Papier in ein eisernes Schatzkästchen und sprach zum Abschied: "Gehe mein Freund. Vergiss nicht, dass du mein Schuldner bist, und merke dir den Eingang in diese Felsenkluft. Sobald das dritte Jahr verflossen ist, zahlst du mir Kapital und Zins zurück. Hältst du dich nicht daran, so fordere ich es mit Ungestüm." Der ehrliche Veit versprach es mit seinem Handschlag, doch ohne Schwur. Er verpfändete also nicht seine Seele, wie es lose Gesellen tun.

Mit dankbarem Herzen verließ Veit die Felsenhöhle, aus der er leicht den Ausgang fand. Die hundert Taler wirkten wie Balsam auf seine Seele. Freudig und gestärkt schritt er jetzt seiner Wohnung zu. Sobald ihn die abgezehrten Kinder erblickten, bettelten sie herzergreifend: "Brot, Vater, einen Stück Brot!" Sein Weib saß in einem Winkel und weinte. Sie fürchtete das Schlimmste und vermutete, dass der Ankömmling keine gute Nachricht bringen würde. Er aber bot ihr freundlich die Hand, denn er hatte Grütze und Hirse aus Reichenberg in seinem Sack. Davon konnte die Mutter einen festen Brei kochen, darin der Löffel stand.

Nach dem Essen berichtete der Vater vom guten Erfolg seines Geschäftes. "Deine Vettern", sprach er, "sind rechtschaffende Leute. Sie haben mir meine Armut nicht vorgehalten, haben mich nicht vor der Tür gewiesen. Nein, sie haben mich freundlich beherbergt, und haben mir Herz und Hand eröffnet und hundert Taler auf den Tisch gezählt." Da fiel der guten Mutter ein schwerer Stein vom Herzen "Wären wir doch nur eher darauf gekommen", sagte sie, "dann hätten wir uns manchen Kummer ersparen können." Darauf rühmte sie die Großherzigkeit der reichen Vettern mit stolzen Worten.

Der Vater ließ ihr nach so vielen Qualen gern die Freude, ein wenig eitel zu sein. Da sie aber nicht aufhörte, von den reichen Vettern zu sprechen, sprach er schließlich zum Weibe: "Jetzt ist es genug. Du weißt doch: Jeder ist seines Glückes Schmied, und man muss das Eisen schmieden, wenn es noch heiß ist. Also lass uns die Hände rühren und fleißig der Arbeit nachgehen. Nur so werden wir in drei Jahren den Vorschuss nebst Zinsen zahlen können und alle Schulden abtragen."

Drauf kaufte er einen Acker und einen Heuschober, dann wieder einen und noch einen, dann eine ganze Hufe. Es schien, als wäre ein geheimnisvoller Segen auf dem Geld von Rübezahl. Veit säte und erntete, und man hielt ihn im Dorfe für einen wohlhabenden Mann. In seinem Säckel war aber immer noch ein kleines Kapital zur Erweiterung seines Eigentums. Im dritten Sommer pachtete er zu seiner Hufe dann auch ein Herrengut, das großen Gewinn abwarf. Kurz gesagt, er war ein Mann, dem alles gelang, was er auch tat.

Der Tag der Rückzahlung kam nun näher, und Veit hatte so viel erworben, dass er seine Schuld mit Leichtigkeit abtragen konnte. Er legte das Geld zurecht, und wies die Familie an, die schönsten Sonntagskleider anzuziehen. "Mann, was hast du vor?", fragte die Mutter erstaunt. "Es ist heute weder Feiertag noch Kirchweihfest. Wo willst du uns hinführen?" Er antwortete: "Ich will mit euch die reichen Vettern besuchen und meine Schuld begleichen, denn heute ist Zahltag." Das gefiel der Mutter. Sie putzte sich und die Kinder stattlich heraus, damit die reichen Vettern sich ihrer nicht schämen mussten. Der Vater nahm den schweren Geldsack und drängte alle, auf dem Pferdewagen Platz zu nehmen. Endlich war es so weit. Hans, der Knecht, knallte mit der Peitsche, worauf die vier Hengste mutig über das Blachfeld zum Riesengebirge trabten.

Vor einem steilen Hohlweg ließ Veit den Wagen halten, stieg ab und hieß die Familie gleiches tun. Dann sprach er zum Knecht: "Hans, fahr langsam den Berg hinauf. Oben bei den drei Linden sollst du uns erwarten. Lass die Pferde verschnauben und einstweilen grasen. Ich weiß hier einen Fußpfad, auf dem man wunderbar wandeln kann!"

Die Familie gelangte bald in dicht verwachsenes Gebüsch. Die Mutter glaubte schon, ihr Mann habe sich verirrt und ermahnte ihn, doch lieber der Landstraße zu folgen. Der Vater aber hielt plötzlich still, versammelte seine sechs Kinder um sich und sagte: "Du glaubst, liebes Weib, dass wir zu deiner Verwandtschaft ziehen. Das habe ich aber gar nicht im Sinn. Deine reichen Vettern sind Knauser und Schurken, die mich zur Tür hinausgestoßen haben. Hier an dieser Stelle wohnt der reiche Vetter, dem wir unseren Wohlstand verdanken. Wisst ihr nun, wer unser Schuldherr ist? Es ist der Herr vom Berge, Rübezahl genannt!"

Die Mutter war entsetzt, schlug ein großes Kreuz, und die Kinder zitterten vor Schrecken. Sie hatten gehört, dass Rübezahl ein scheußlicher Riese und Menschenfresser sei. Da erzählte Veit sein ganzes Abenteuer, wie ihm der Geist in Gestalt eines Köhlers erschienen war und was er mit ihm in der Höhle verhandelt hatte. "So, nun wisst ihr alles", sprach er. "Jetzt gehe ich in die Höhle, meine Schuld begleichen. Fürchtet euch nicht, ich werde nicht lange bleiben."

Mutter und Kinder wollten den Vater noch zurückhalten, doch er wand sich entschlossen aus den vielen Armen. Mit mutigen Schritten durchquerte er die verwachsenen Büsche und gelangte zu dem wohlbekannten Felsen. Die alte Eiche, an deren Wurzel die Kluft sich damals öffnete, stand noch wie vor drei Jahren da. Doch von einer Höhle war weit und breit keine Spur zu finden. Der ehrliche Schuldner versuchte es mit allen Mitteln, den Eingang in den Berg zu öffnen. Er nahm einen Stein und klopfte an den Felsen. Er zog den schweren Geldsack hervor, klingelte mit den harten Talern und rief: "Geist des Gebirges, nimm, was dein ist." Der Geist ließ sich aber nicht blicken.

Als die Familie den rückkehrenden Vater sah, eilten sie ihm freudig entgegen. Er aber war betrübt, dass er seine Zahlung nicht abliefern konnte. Was sollten sie nur tun? - Da kam ihm sein alter Husarenstreich in den Sinn. "Ich will", sprach er, "den Geist bei seinem Spitznamen rufen. "Mag er mich auch zupfen, bläuen, er wird den Spottruf hören."

Darauf schrie Veit aus voller Kehle: "Rübezahl, Rübezahl!" Plötzlich drängte sich der jüngste Bube eng an die Mutter und schrie: "Der schwarze Mann!" "Wo?", fragte Veit. "Dort hinter dem Baum lauscht er." Veit blickte forschend hinüber, sah aber nichts. Es war eine Täuschung, nur ein leerer Schatten. Alles Rufen war vergeblich.

Die Familienkarawane trat nun den Rückweg an, und der Vater ging mit gesenktem Haupt die breite Landstraße entlang. Da erhob sich vom Walde her ein sanftes Rauschen in den Bäumen. Die schlanken Birken neigten ihre Wipfel, das Espenlaub zitterte, und das Brausen kam näher. Der Wind schüttelte die weitausgestreckten Äste der Steineichen, trieb dürres Laub und Grashalme vor sich her, kräuselte auf dem Weg kleine Staubwolken empor. Die Kinder hatten ihren Spaß daran und liefen den Blättern nach, die im Winde tanzten. Wie aus dem Nichts kam nun auch ein Blatt Papier über den Weg geweht, das der Jüngste wohl gerne aufnehmen wollte. Der Wind blies es aber immer weiter. Der Jüngste überlegte kurz und warf plötzlich seinen Hut danach, was ihm auch gelang.

Weil es nun ein schöner weißer Bogen war und der Vater jede Kleinigkeit zu nutzen pflegte, brachte der Knabe ihm den Fund, um sich ein Lob zu verdienen. Als Veit das gefaltete Papier dann aufschlug, traute er seinen Augen nicht. Es war der Schuldbrief, den er für den Berggeist ausgestellt hatte. Das Papier war von oben her eingerissen, und unten stand geschrieben: "zu Dank bezahlt R." Das rührte Veit ihn seiner tiefsten Seele, und er rief mit freudigem Entzücken: "Freue dich, liebes Weib! Rübezahl hat uns doch gesehen, hat unseren Dank gehört und weiß, dass ich ein ehrlicher Mann bin. Unsere Schuld ist beglichen." Eltern und Kinder weinten noch viele Tränen des Dankes, bis sie wieder zum Fuhrwerk gelangten.

Die Mutter hatte sich derweil in den Kopf gesetzt, die filzigen Vettern durch ihren Wohlstand zu beschämen. So rollten sie den Berg hinab und gelangten zur Abendstunde in das Dorf, wo der Vater einst zur Tür hinausgestoßen wurde. Mutig pochte er an die erste Vetterntüre , doch es kam ein unbekannter Mann zum Vorschein, der gar nicht zur Verwandtschaft gehörte. Von diesem erfuhr Veit, dass die Vettern ihren Reichtum verwirkt hatten. Der eine war gestorben, der andere galt als verdorben, und der dritte hatte sich davongemacht.

Die Familie übernachtete in einer Herberge und kehrte am folgenden Tag darauf in die Heimat zurück. Veit mehrte nun mit Bedacht seinen Reichtum und seine Güter. Doch er blieb immer ein ehrlicher und mildtätiger Mann, sein Leben lang.