Michael Green und die Helden des Himmels

Meine Freundin Hanna-Zebra und ich machen so ziemlich alles gemeinsam, und wir teilen auch fast alles. Zum Beispiel meine Keksberge, die ich von Onkel Leonardo bekomme, oder die Mathe-Hausaufgaben, wenn ich schneller fertig bin. Hanna-Zebra teilt im Gegenzug ihren Großvater mit mir, und dafür bin ich ihr sehr dankbar. Zwar habe ich auch Großeltern, aber die wohnen sehr weit weg.

Im letzten August, unsere Sommerferien waren fast zu Ende, wollten Hanna-Zebra und ich eine ganze Nacht unter freiem Himmel in Großvaters Garten verbringen. Wir haben Schlafsäcke und Thermomatten eingepackt, außerdem unsere Taschenlampen, ein Opernglas und einen soliden Vorrat an Keksen. Auch Merlo hüpfte schon aufgeregt herum.

"So, wir können los!" sagte Hanna-Zebra und schulterte ihren Rucksack. "Moment bitte, mein Fräulein", bremste meine Mutter sie, "haben die Herrschaften die Zahnbürsten eingepackt? Und wie steht es mit Waschzeug? Schlafanzüge? Frische Wäsche für morgen früh?" Hanna-Zebra sah sie verblüfft an, und ich protestierte: "Also, das ist wie Camping, da muss man sich nicht waschen, das macht alles die frische Luft und …" Aber ihr kennt meine Mutter nicht: "Zahnbürste, Waschzeug, und dann könnt ihr meinetwegen losziehen. Für Hanna-Zebras Großvater nehmt ihr diese Flasche Wein mit, bestellt ihm herzliche Grüße und bedankt euch, und ich hoffe doch, dass ihr euch anständig benehmt und dem alten Herren keine Umstände bereitet..." Na ja, das ging noch ein bisschen länger so, dann sind wir endlich aufgebrochen.

Der Schrebergarten von Hanna-Zebras Großvater liegt zusammen mit über hundert anderen Kleingärten etwas außerhalb am Stadtrand. Vorne am Haupteingang ist ein Parkplatz, da stehen zwei Straßenlaternen, aber sonst gibt es nirgends eine einzige Lampe. Deshalb kann man die Sterne viel besser erkennen. Die Augen gewöhnen sich an die Dunkelheit, und man kann fast so gut sehen wie eine Katze.

Als wir ankamen, war es aber noch hell. Hannas Großvater stand im Garten und machte ein kleines Feuer. Er hat dafür einen Kreis aus Pflastersteinen gelegt, das ist seine Feuerstelle. "Oh, ihr seid schon da!" rief er aus, als er uns sah. "Das Essen ist noch lange nicht fertig!" Dann begrüßten wir ihn und gaben ihm die Weinflasche. Er betrachtete wohl wollend das Etikett: "Mmh, ein Banetaler Riesling - kein schlechter Tropfen. Ich hoffe, ihr habt ihn nicht zu sehr geschüttelt!" Dann legte er der Flasche eine Schlinge um den Hals und hängte den Wein zur Kühlung in die Regentonne.

Wir legten unsere Rucksäcke in die Laube und gingen zum Feuer, während Merlo zu einem kleinen Rundflug startete. "Heute essen wir im 1000-Sterne-Restaurant", schmunzelte der Großvater und wickelte drei Forellen aus, "woll'n nur hoffen, dass kein Regen aufkommt." Aber der Abend war lau, und am Himmel sah man nur einen breiten Streifen Abendrot.

"Da ist Westen?", fragte ich und zeigte auf die langsam untergehende Sonne. "Ja, Michael Green", antwortete Großvater. "Du kannst dir die Himmelsrichtungen ganz einfach an einem Spruch merken: Im Osten geht die Sonne auf, im Süden nimmt sie ihren Lauf, im Westen will sie untergehn, im Norden ist sie nie zu sehn."

Er drehte die Forellen auf dem Rost um und strich etwas Butter auf die gebräunte Oberseite. Dann sprach er weiter: "Ich würde euch empfehlen, jetzt schon einen Schlafplatz auszusuchen. Der Mond geht heute erst um fünf Uhr auf - nachher wird es so dunkel sein, dass ihr die Hand nicht mehr vor den Augen seht. Nehmt einen Platz, von dem aus ihr bequem den Nord-Ost-Himmel betrachten könnt, dort fallen die meisten Schnuppen!"

Hanna-Zebra und ich bauten unser Lager an der Böschung des Teiches auf. Weil Großvater mit uns Sterne gucken wollte, stellten wir für ihn noch einen Liegestuhl dazu. Anschließend aßen wir gemeinsam zu Abend. Sogar Merlo probierte ein Stückchen Forelle, aber wohl mehr aus Neugier. Dann machte er sich über einen reifen Apfel her.

Inzwischen war es ziemlich dunkel geworden, und die ersten Sterne glitzerten am Himmel. "Schlüpft ihr mal in eure Schlafsäcke", meinte Großvater, "ich hole mir eine Decke aus der Laube, denn gleich wird es kühl." Als er zurückkam, hatten wir es uns schon gemütlich gemacht. Merlo kuschelte sich in meine Halskuhle, knabberte ein bisschen an meinem Ohr und fiepte. Er fühlte sich wohl.

Hanna leuchtete Großvater mit ihrer Taschenlampe an: "Wie hast du uns nur gefunden, in dieser Finsternis?" Dann blickte sie kerzengerade zum Himmel hinauf: "Da ist der Abendstern, ich sehe ihn ganz deutlich!" "Irrtum, Hanna-Zebra!" Der Großvater schüttelte den Kopf: "Das ist die Wega, einer der zehn hellsten Sterne, die wir kennen. Die Venus, unser Abendstern, ist dagegen ein Planet."

"Wo ist denn da der Unterschied?", wollte Hanna-Zebra wissen. Großvater wickelte sich umständlich in seine Decke und setzte sich dann. "Nun, Sterne sind Sonnen, die selbst Licht erzeugen. Sie sind scheinbar feststehende Himmelskörper. Venus bewegt sich. Sie ist einer der Planeten in unserem Sonnensystems und nur deshalb so hell, weil sie von der Sonne angestrahlt wird. In Wirklichkeit hat sie kein eigenes Licht, genauso wie unser Mond. Der wird auch nur angestrahlt.

Am Himmel tauchten nun immer mehr Lichter auf. Sie leuchteten viel stärker, als ich es in der Stadt je gesehen hatte. Plötzlich entdeckte ich einen Lichtpunkt, der über den Himmel flitzte. "Was ist das, was sich da oben so schnell bewegt?" Großvater sah hoch: "Wenn es verglüht, ist es eine Sternschnuppe. Wenn es so bleibt, dann hast du entweder ein Flugzeug oder einen Satelliten entdeckt."

"Gut, dass unsere Sonne so still steht", meinte Hanna, "bei all dem, was sich um sie dreht ..." "Aber sie steht nicht still", warf ich ein, "ich habe gelesen, dass sich alle Sterne bewegen!" "Du hast schon recht, Michael Green", sagte Großvater. "Heute wissen wir das. Aber im alten Griechenland glaubten viele Gelehrte noch, das Weltall sei eine geschlossene Kugel und die Erde ihr Mittelpunkt, um den Sonne, Planeten und Sterne in festen Bildern kreisen. Erst als man im 17. Jahrhundert erkannte, dass Erde und Planeten um die Sonne herumlaufen, konnte man auch die Sternenbewegungen richtig erklären. Viele Wissenschaftler glauben sogar, dass sich das ganze Weltall mit den Sternen ausdehnt. So wie die Funken bei einer Wunderkerze.

Wenn man bedenkt: Schon um 220 vor Christi Geburt baute der Grieche Archimedes das erste Planetarium!" "Was ist ein Planetarium?" Hanna-Zebra leuchtete dem Großvater mit ihrer Taschenlampe ins Gesicht. "Na!" Er drehte den Kopf weg. "Lass das, Hanna-Zebra, das blendet doch!" Dann erklärte er: "Ein Planetarium ist ein Gebäude mit einem großen Saal, über dem sich ein Kuppeldach wölbt. Innen, an der Decke der Kuppel, werden die Sterne abgebildet. Früher brauchte man dafür eine aufwendige Technik, heute macht man das einfach mit Licht, wie mit einem Diaprojektor. Im Planetarium sitzt man also wie unter einem künstlichen Nachthimmel und kann so die Sternbilder im Jahreslauf studieren."

"Mein Sternzeichen ist Jungfrau, und Michael-Green ist ein Fisch", sagte Hanna-Zebra, "können wir die jetzt sehen?" Großvater überlegte einen Moment. "Also, das müssen wir erst mal sortieren. Ich kenne 88 Sternbilder. Nur zwölf davon heißen Sternzeichen und bilden den Tierkreis, nämlich Widder, Stier, Zwillinge, Krebs, Löwe, Jungfrau, Waage - das ist mein Sternzeichen - danach kommen Skorpion, Schütze, Steinbock, Wassermann und Fische. Von unseren drei Sternzeichen kann man heute, wenn überhaupt, nur ganz kleine Stücke erkennen."

Er dachte nach und sprach dann weiter: "Alle Sternbilder bestehen aus Sonnen. Einige davon sind so auffällig, dass sie wie Bilder aussehen. Danach hat man sie benannt. Von diesen Sternbildern können wir aber nur einen Teil erkennen. Stellt euch mal unsere Erde als Kugel im Weltraum vor, dann kann man es leichter verstehen. Erstens leben wir auf der nördlichen Halbkugel. Weil wir nicht um die Kurve gucken können, bleibt der ganze südliche Sternenhimmel für uns unsichtbar. Zweitens dreht sich unsere Erde, sodass wir nur jene Sternbilder sehen, die uns gerade gegenüberstehen. Drittens können wir die Sterne nur nachts beobachten, die Sternbilder der Tagseite werden vom Sonnenlicht überstrahlt. Wir sehen also immer wieder einen anderen Ausschnitt des Weltalls."

Mittlerweile war es stockfinster geworden. Der Himmel sah fast aus wie ein Teppich aus kleinen, weißen Glühbirnchen. Großvater paffte eine Weile an seiner Pfeife, dann fuhr er fort: "Trotzdem können wir manche Sternenbilder ganz einfach finden, weil sie das ganze Jahr über nachts zu sehen sind. Zum Beispiel den großen Wagen", er zeigte nach Nordwesten, "zwei Sterne für die Räder, zwei für den oberen Rand des Wagens und drei Sterne für die Deichsel - habt ihr ihn?"

Hanna-Zebra griff sich das Opernglas: "Was für ein Riesending, er passt gar nicht in dieses Fernrohr!" Mit bloßem Auge konnten wir ihn ganz deutlich sehen, er sah wirklich aus wie ein Bollerwagen. "Nun denkt euch mal eine Linie zwischen den beiden Sternen, die hinten am Wagen stehen. Dann verlängert ihr diese Linie nach Norden, ungefähr fünfmal, bis ihr auf einen hellen Stern trefft. Das ist der Polarstern." Wir mussten ein bisschen suchen, aber dann sahen wir ihn beide.

"Der Polarstern ist etwas ganz Besonderes", erzählte Großvater weiter. "Er steht nämlich ziemlich genau über dem Nordpol und über unserer Erdachse. Ihr könntet euch das vielleicht so vorstellen: Wenn man einen Apfel mit einem Schaschlick-Spieß von der Blüte bis zum Stielansatz durchbohrt, dann wäre der Apfel die Erde, der Schaschlick-Spieß die Erdachse und die Spitze davon der Polarstern. Nun müsste sich der Apfel links herum um die Achse drehen und der Schaschlick-Spieß dabei ein wenig schief stehen, dann hätte man ziemlich genau die Erdbewegung. Und es erklärt, warum wir auf der Erde den Eindruck haben, dass die Sternbilder um den Polarstern kreisen. - So, jetzt zeige ich euch noch mehr."

Wir blickten wieder zum Himmel. "Verlängert mal die Linie vom Großen Wagen zum Polarstern bis zum nächsten hellen Stern. Das ist die Dachspitze vom Sternbild Kepheus. Es sieht nämlich aus wie ein umgefallenes Haus." Ich fand allerdings, dass es wie ein Fußballplatz mit Ball vor der Torlinie aussah. Aber Großvater war schon beim nächsten Bild: "Direkt unter Kepheus steht Kassiopeia, das Himmels-W. Das brauche ich wohl nicht zu erklären, oder? Nun denkt euch mal eine Linie durch seine beiden rechten Sterne und verlängert sie dann ungefähr dreimal Richtung Horizont, dann trefft ihr auf das Sternbild der Andromeda.

Mit viel Glück kann man unter ihrem größten Stern einen hellen Fleck sehen, den Andromedanebel. Das sind riesige Sternenhaufen, die sich wie Spiralen drehen. Solche Anhäufungen von zusammendrehenden Sternen nennt man Galaxie. Unsere Erde gehört auch zu einer Galaxie, der Milchstraße. Das ist der breite, helle Streifen, der sich genau über uns hinzieht." Wir verdrehten die Köpfe. Die Milchstraße war ganz deutlich zu sehen, wunderschön, wie ein heller Schleier.

"Wenn ihr jetzt mal mit den Augen langsam zum nordöstlichen Horizont runterwandert, dann stoßt ihr mit Perseus zusammen", sagte der Großvater und beschrieb uns das Sternbild, bis wir es erkennen konnten. "Na ja, der ist nicht so einfach zu finden", meinte Opa, "Pegasus hingegen ist viel leichter zu erkennen, er füllt ja fast den ganzen Osthimmel aus. - Ich kenne sogar ein kleines Gedicht, das euch helfen wird, die Sternbilder wieder zu finden:

Hast du den großen Wagen,
kannst du zum Polarstern fahren.
Dort siehst du schon das Königshaus,
doch die Königin wandert zur Tochter hinaus."

"Ich verstehe gar nix", meinte Hanna-Zebra und gähnte, "welche Königin fährt zu ihrer Tochter?" Der Großvater lachte: "Seid ihr etwa schon müde? Dann kann ich mir die Geschichte wohl sparen?" Da waren wir aber ganz schnell wieder wach! Und Großvater begann zu erzählen:

"Vor vielen hundert Jahren lebte im Süden Griechenlands der König Akrisios von Argos. Er hatte eine wunderschöne Tochter, Danaë. Eines Tages weissagte ihm das Orakel von Delphi, Danaë bekäme einen Sohn, der ihm den Tod bringen würde. Daraufhin sperrte Akrisios seine Tochter vorsichtshalber in einen Turm.

Aber Zeus, der oberste Herrscher aller griechischen Götter, entdeckte die Königstochter dort und verliebte sich in sie.

Er verwandelte sich in einen Goldregen und fiel in ihren Schoß. So wurde Danaë fruchtbar und bekam einen kleinen Sohn, den sie Perseus nannte. Akrisios war entsetzt, denn nun musste er befürchten, dass das Orakel Recht behalten würde.

Er steckte Danaë und Perseus in eine Truhe und setzte sie im Meer aus.

Zeus hielt jedoch seine schützende Hand über die beiden und ließ sie auf der Insel Seriphos stranden.

Dort fand sie ein freundlicher Fischer, der - welch ein Zufall! - ausgerechnet der Bruder des Inselkönigs Polydektes war.

Während Perseus nun im Haus des Fischers aufwuchs, verliebte sich Polydektes in Danaë. Aber sie wehrte alle seine Heiratsanträge ab. Schließlich verlegte sich Polydektes auf eine List. Er forderte von den Inselbewohnern die Abgabe von Pferden.

Weil Perseus aber kein eigenes Pferd hatte, bot er an, etwas anderes zu geben. Da verlangte der König von ihm etwas Unmögliches: Perseus sollte das Haupt der Gorgone Medusa herbeischaffen oder aber in die Heirat von Danaë und Polydektes einwilligen."

"Medusa, ist das die mit den Schlangen auf dem Kopf?", fragte ich, denn davon hatte ich schon einmal ein Bild gesehen. "Genau die ist es, Michael Green", antwortete Großvater. "Die Medusa gehörte zu den drei Gorgonen, grausame Ungeheuer mit Schlangen statt Haaren. Bei ihrem Anblick wurde jeder Mensch sofort zu Stein. Zwei Gorgonen waren sogar unsterblich, allerdings nicht Medusa.

Perseus war verzweifelt, als er erkannte, was ihm bevorstand. Doch wieder halfen ihm die Götter. Athene, die Göttin der Weisheit, schenkte ihm einen spiegelblanken Bronzeschild und erklärte ihm genau, wie er vorzugehen hatte.

Zuerst musste er die Schwestern der Gorgonen suchen. Das waren die Graien, drei alte Frauen, die in den Bergen Afrikas lebten und zusammen nur ein Auge und einen Zahn hatten. Damit jede von ihnen mal gucken und beißen konnte, reichten sie Zahn und Auge reihum weiter."

Hier musste Großvater unterbrechen, weil Hanna-Zebra und ich einen Lachanfall bekamen. "Das Grauen der Graien", quietschte Hanna-Zebra, "also wirklich, Großvater, du kommst auf Ideen!" Aber Großvater beteuerte hoch und heilig, dass die Graien nicht seine Erfindung wären.

Nachdem wir uns etwas beruhigt hatten, konnte er dann auch fortfahren: "Perseus war flink und schnappte sich das Auge, gerade als es weitergegeben wurde.

So zwang er die Graien, ihm den Weg zu den Gorgonen zu erklären. Außerdem mussten sie ihm verraten, wie er zu den Nymphen kommt, deren Hilfe er ebenfalls brauchte. Dann warf er das Auge in den Tritonisee, damit die Graien die Gorgonen nicht warnen konnten, und zog weiter. Schon bald hatte er die Nymphen gefunden. Sie gaben ihm eine Tarnkappe vom Gott der Unterwelt und einen Mantelsack, in dem er das Haupt der Medusa ohne Gefahr transportieren konnte.

Denn selbst, wenn die Gorgone besiegt war, wirkte ihr tödlicher Blick weiter. Hermes, der Götterbote, schenkte ihm außerdem ein Paar Flügelschuhe, mit denen Perseus fliegen konnte. Und von Hephaistos, dem Gott der Schmiede, bekam er ein mächtiges Sichelschwert aus hartem Metall. Damit sollte er das Haupt der Medusa vom Körper trennen.

Gut ausgerüstet flog Perseus nun über den Okeanosstrom zu den Gorgonen, die im tiefen Schlaf lagen.

Vorsichtig näherte er sich der Medusa. Er beobachtete sie dabei im Spiegelbild seines glänzenden Bronzeschilds, denn so konnte ihr Blick ihn nicht versteinern.

Als Medusa aufwachte, sah sie ihr eigenes, abscheuliches Gesicht im spiegelnden Schild und erschrak fürchterlich.

In diesem Augenblick schlug Perseus mit dem Sichelschwert ihren Kopf ab. Heraus sprang Pegasus, das geflügelte Pferd, und flog zu den Sternen hinauf.

Perseus wickelte das Medusenhaupt in den Mantelsack und flüchtete. Die anderen Gorgonen jagten ihm nach, aber mit Tarnkappe und Flügelschuhen konnte er ihnen entkommen.

Zur gleichen Zeit lebte in Phönikien der König Kepheus mit seiner Frau Kassiopeia und der Tochter Andromeda.

Kassiopeia hatte behauptet, Andromeda sei so schön wie die göttlichen Meerjungfrauen. Zur Strafe für diese Prahlerei schickte der Meeresgott Poseidon ein Seeungeheuer, das die Küste Phönikiens verwüstete.

König Kepheus wusste sich nicht anders zu helfen und beschloss, seine Tochter dem Ungeheuer zu opfern. Um es zu besänftigen, ließ er Andromeda an einen Felsen ketten.

Als Perseus auf dem Rückweg an der Küste Phönikiens entlang flog, sah er entsetzt die schöne Königstochter in Ketten.

König Kepheus bot ihm die Hand von Andromeda, wenn Perseus das Seeungeheuer besiegen würde. Und so beging Perseus die nächste große Tat. Als das Ungeheuer Andromeda verschlingen wollte, erschlug er es mit dem Sichelschwert. Dann befreite er die Königstochter und sie heirateten."

Großvater blickte zum Himmel: "Schaut mal, jetzt kann man deutlich sehen, wie Perseus auf Andromeda zufliegt. Kassiopeia liegt jammernd vor der gefesselten Tochter, während Kepheus aus dem Königshaus zusieht." "Was ist denn inzwischen mit Danaë passiert?", fragte ich. "Oh ja, Danaë - die Geschichte ist ja noch nicht zu Ende.

Perseus' Mutter war inzwischen von Polydektes zur Heirat gezwungen worden. Als Perseus nun auf die Insel Seriphos zurückkehrte, war er deswegen sehr wütend.

Und als Polydektes ihm den Sieg über Medusa nicht glaubte, zog Perseus das Medusenhaupt aus dem Mantelsack und zeigte es dem bösen König. Augenblicklich erstarrte Polydektes zu Stein und wurde so für seine Schandtaten bestraft.

Aber Perseus hält immer noch das Haupt der Medusa im Arm und - sie zwinkert uns sogar zu." Ich sah zum Sternbild des Perseus hinauf, das jetzt ganz groß am Nordosthimmel sichtbar war. "Siehst du seinen Arm?", fragte Großvater. "Damit hält er das Medusenhaupt fest, einen veränderlichen Stern, der Algol heißt. Weil Algol seine Helligkeit ständig wechselt, wird er, das Zwinkern der Medusa' genannt."

Aus Hanna-Zebras Schlafsack tönte ein leises, schnurrendes Schnarchen. Großvater reckte sich und stand auf: "Meine kleine Andromeda ist wohl schon eingeschlafen? Nun, Michael Green, es ist spät geworden. Ich werde mich jetzt auf die Schlafcouch in der Laube ..." "Noch nicht, Großvater!", warf ich ein. "Was ist denn aus der Weissagung des Orakels von Delphi geworden?"

Großvater plumpste in den Liegestuhl zurück. "Herrje, das hätte ich fast vergessen! Nun, es wird erzählt, dass Perseus bei einem sportlichen Wettkampf mitwirkte, so genannten Begräbnisspielen, die man anlässlich der Beerdigung von Königen abhielt. Auch König Akrisios beteiligte sich daran. Allerdings wussten beide nichts von der Anwesenheit des anderen. Beim Diskuswerfen passierte es dann: Perseus traf seinen Großvater versehentlich mit der schweren Scheibe und tötete ihn.

So erfüllte sich die Weissagung des Orakels doch noch."

Er erhob sich aus seinem Liegestuhl. "So, Michael, du scheinst ja überhaupt nicht müde zu werden. Ich lass dich jetzt weiter mit den Sternen spielen, aber bring mir den Himmel nicht durcheinander!" Er lachte und strich mir über den Kopf: "Gute Nacht, mein Junge!"

Ich lag noch lange wach und beobachtete die Sternbilder, die langsam höher stiegen. Der große Wagen stand im Nordwesten, Pegasus streckte sich über den ganzen Osten. Kepheus, Perseus, Kassiopeia und Andromeda wanderten auf der Milchstraße zum Zenit. Und plötzlich, während ich das Himmelstheater betrachtete, schoss eine große Sternschnuppe aus dem Leib des Pegasus heraus und verglühte am Horizont. Ich schloss die Augen und wünschte mir einmal mehr, dass ich fliegen könnte. So wie Perseus. Oder wie Merlo.