Dietrich von Bern

  • Autor: Autor Unbekannt

In den Zeiten, in denen die Germanen als Herrscher im Reich der Römer lebten, gab es einen mächtigen König, der Dietrich genannt wurde. Den Thron hatte er von seinem Vater übernommen, erzogen worden war er aber von Hildebrand, der als tapferer Recke galt. Er hatte den jungen Dietrich in allem unterrichtet, was ein guter König zur damaligen Zeit wissen musste. Der Thron dieses mächtigen Geschlechts stand in Verona, das zu dieser Zeit Bern genannt wurde.

Schon bei Dietrichs Geburt hatte man dem Kind eine große Zukunft und ungeheure Taten vorhergesagt. Zum Zeichen, dass alle diese Prophezeiungen auch wirklich wahr seien, sollte Dietrich, sobald er richtig wütend wurde, Feuer aus seinem Mund sprühen können. Und als das eines Tages tatsächlich auch passierte, war klar und deutliche, welcher Weg Dietrich vorherbestimmt war.

Der Königssohn wuchs heran und zog schließlich mit seinem Lehrvater Hildebrand aus, um viele Abenteuer zu erleben. So stellte sich Dietrich dem Riesenpaar Grim und Hilde, die im ganzen Land Schrecken verbreiteten, im Kampfe und besiegte sie.

Als Dietrich schließlich den Thron seines Vaters bestieg, kamen selbst aus weit entfernten Gegenden tapfere Helden nach Bern, um sich Dietrich ergeben anzuschließen. Sein Ruhm war inzwischen so groß, dass ihm alle gerne dienen wollten, manche allerdings erst, nachdem sie sich im Kampfe mit dem König gemessen und festgestellt hatten, dass sie seiner Kraft und Stärke einfach unterlegen waren. Solch ein Mann war beispielsweise Heime und auch der kühne Witege wurde erst nach einer Auseinandersetzung Dietrichs Gefolgsmann.

Doch nicht alle wollten in den Dienst des Königs treten, manchen ging es lediglich darum, sich dem großen Helden zu stellen. Unter diesen Voraussetzungen war auch Ecke nach Bern gekommen, ein Riese, der sich aber ganz der menschlichen Lebensweise verschrieben hatte. Ihm ging es darum, im Kampfe gegen Dietrich Ruhm und Ehre zu erlangen. So ganz freiwillig war der Riese allerdings nicht nach Bern gereist.

In seiner Heimat gab es da drei edle Jungfrauen, die ihn zum Kampf ermuntert und angestachelt hatten – immerhin hatte eine der drei schönen Frauen Ecke die Hand versprochen.

Als Ecke jedoch nach Bern kam, fand er König Dietrich dort nicht vor. Aber er suchte ihn so lange, bis er ihn schließlich bei Nacht in einem Wald entdeckte. Obwohl es längst stockfinster war, musste sich Dietrich dem Riesen stellen. Es war keine leichte Auseinandersetzung, die Funken stoben nur so von den Helmen der beiden Kämpfer und so war auch noch aus einiger Entfernung sichtbar, was im Wald geschah.

Natürlich kam es wie es kommen musste – Dietrich strecke Ecke im Kampf nieder und musste ihn schließlich sogar töten, weil es der Riese für eine zu große Schande empfunden hätte, vom König gefangen genommen zu werden.

Dietrich war alles andere als glücklich über diese Situation, denn es kamen andere, beispielsweise Eckes Bruder Fasolt und weitere Männer aus dem Riesengschlecht, um den Tod Eckes zu rächen. Doch immer siegte Dietrich. Eines Tages zog er allerdings los, um den drei Jungfrauen, die Ecke zum Kampf angestachelt hatten, den Kopf des toten Riesens zu bringen.

Solange Dietrich über Bern herrschte, ging es den Menschen dort gut, denn Dietrich galt als Beschützer der Bedrängten und niemand, der Hilfe bei ihm suchte, ging wieder fort, ohne dass ihm wirklich geholfen worden wurde. So breitete sich die Kunde über Dietrich von Bern immer weiter im Land aus.

Eines Tages kam der alte Hildebrand zum König und erzählte ihm von einem Zwergenvolk, dessen König den Namen Laurin trug und das tief im Inneren eines Berges sein Zuhause hatte. Und obwohl der Zwerg wirklich nur winzig klein sei, so berichtete der treue Hildebrand, würde er über unermessliche Kräfte verfügen. „Laurin besitzt in Tirol einen Rosengarten, in dem die wundervollsten Rosen stehen“, erzählte Dietrichs Lehrmeister weiter. „Durch eine goldene Pforte geht man ein und aus und statt eines Zauns gibt es nur einen dünnen Seidenfaden, der den Garten umgibt. Wer es aber wagt, diesen Faden zu zerreißen, der wird den fürchterlichen Zorn des Zwergenkönigs zu spüren bekommen.“

Da konnte Dietrich natürlich nicht widerstehen und brach mit seinen Männern sogleich Richtung Tirol auf, um sich mit diesem kleinen Wicht zu messen. Nachdem sie den Rosengarten gefunden hatten, war es zuerst Witege, der seinen Fuß in den Garten setzte und dabei ohne Rücksicht alle Rosen niedertrampelte.

Das brachte den Zwergenkönig Laurin fürchterlich in Rage und es folgte ein unerbitterlicher Kampf zwischen ihm und Witege, den dieser sicherlich verloren hätte, wenn ihm nicht Dietrich nicht zu Hilfe gekommen wäre.

„Hau mit dem Schwertknauf auf ihn ein“, rief Hildebrand seinem einstigen Schützling noch zu, doch da hatte sich der Zwerg Laurin bereits seine Tarnkappe über den Kopf gezogen, die ihn unsichtbar machte. Jetzt hatte es Dietrich aber wirklich schwer! Und im Gegenzug dazu traf ihn jeder Schlag des kleinen Mannes umso härter.

Ängstlich verfolgte Hildebrand das Geschehen und rief schließlich: „Zieh dem Zwerg den Gürtel vom Leib.“ So tat es Dietrich dann auch – und siehe da, die Kraft des Zwerges ließ mächtig nach. Denn es war so, dass nur dieser Gürtel ihm die Macht von zwölf ausgewachsenen Männern verliehen hatte.

Dietrich konnte Laurin also besiegen. Und dieser bat den Berner gleich um Gnade, die ihm natürlich auch gewährt wurde. Zugleich lud der Zwergenkönig seine Gegner in sein Reich im Inneren des Berges ein. Dort herrschte buntes Treiben, die Gäste wurden königlich bewirtet und alles schien bei Musik, Gesang und Tanz in bester Ordnung zu sein.

Doch Laurin war gekränkt und sann auf Rache. So flößte er im Laufe der ausgelassenen Feier seinen Gästen einen Schlaftrunk ein, der diese sofort außer Gefecht setzte. Laurin ließ die wehrlosen Männer geknebelt und gefesselt in den Kerker werfen.

Als Dietrich schließlich aus seinem Zauberschlaf erwachte, geriet er so sehr in Wut, dass ihm Feuer aus dem Mund kam, so wie es ja immer war, wenn er sehr wütend wurde. So gelang es Dietrich, die Fesseln zu lösen und er konnte schließlich auch seine Männer befreien. Nur das Verließ selbst konnten sie nicht öffnen, dafür reichten ihre Kräfte nicht aus.

Nun war es aber so, dass Laurin nicht nur Dietrich und seine Gefolgsleute gefangen genommen hatte, sondern auch Künhild, die Schwester von Dietrichs Waffengefährtem Dietleib. Laurin hatte sich nämlich in den Kopf gesetzt, die schöne Künhild zu heiraten. Sie war es nun, die ihren Bruder und alle anderen Männer aus dem Kerker befreite und ihnen Waffen zuspielte.

König Laurin versuchte noch, Tausende von Zwergen um sich zu versammeln und sich im Kampf Dietrich von Bern und seiner Gefolgschaft zu stellen. Doch vergeblich war dieses Bemühen. Laurin wurde gefangen genommen und nach Bern gebracht. Eigentlich hatte Dietrich in töten lassen wollen, weil er so gemein gehandelt hatte, doch Künhild, ihr Bruder Dietleib und Hildebrand hatten für den Zwergenkönig ein gutes Wort eingelegt. Jahre später söhnten sich Dietrich von Bern und Laurin sogar aus – und der Zwergenkönig durfte in sein Reich zurückkehren.