Ich mache Bekanntschaft mit meinem Oheim

  • Autor: Stevenson, Robert Louis

Nach einer Weile erscholl lautes Klirren und Rasseln von Ketten und Riegeln, dann wurde die Tür mit Vorsicht geöffnet und hinter mir sofort wieder geschlossen. "Geh in die Küche, aber rühre nichts an!", sagte die Stimme.

Während der Bewohner des Hauses die Türbefestigungen wieder anbrachte, tastete ich mich vorwärts und gelangte in die Küche. Das Feuer brannte ziemlich hell und beleuchtete einen Raum von einer Nacktheit, wie ich sie noch nie gesehen hatte. Ein halbes Dutzend Näpfe standen auf Wandgestellen. Der Tisch war zum Abendessen gedeckt: ein Gefäß mit Hafergrütze, ein Hornlöffel, ein Glas Dünnbier. Darüber hinaus war einfach nichts in diesem großen Raum, nur fest verschlossene Truhen an der Wand und ein Eckschrank mit Vorhängeschloss.

Als der Mann mir nachkam, sah ich, dass er ein unansehnliches, gebeugtes, schmalschultriges, lehmfarbenes Wesen war, dessen Alter irgendwo zwischen fünfzig und siebzig liegen mochte. Offenbar war er seit langem unrasiert. Was mich erschreckte, waren seine Blicke, die nicht mehr von mir ließen, aber mir nie richtig ins Gesicht sahen.

"Bist du hungrig?", fragte er. "Du kannst das bisschen Hafergrütze da essen."

Als ich darauf sagte, dass das ja wohl sein eigenes Abendessen sei, erwiderte er: "Ich kann ganz gut darauf verzichten. Aber das Bier nehme ich, das löst meinen Husten. Lass den Brief sehen!"

Ich belehrte ihn, dass der Brief für Mister Balfour und nicht für ihn sei.

"Und was denkst du, wer ich bin?", fragte er. "Gib mir Alexanders Brief!"

"Ihr wisst den Vornamen meines Vaters?"

"Wie sollte ich ihn nicht kennen", gab er zurück, "war er doch mein leiblicher Bruder. Wenn es auch so scheint, dass mein Haus und ich dir nicht gefallen, so bin ich doch dein leiblicher Oheim. Ja, Davie, mein Junge, du bist mein leiblicher Neffe. Also, gib mir den Brief, setz dich nieder und fülle dir den Bauch!"

Ich kämpfte mit den Tränen, fand einfach keine Worte. Ich gab ihm den Brief und machte mich über die Hafergrütze her. Er fragte mich noch nach meinem Vater aus und schien zufrieden, als ich ihm sagte, dass dieser nie von seiner Familie gesprochen hatte. Er schlug mir auf die Schulter und meinte: "Es wird schon werden mit uns beiden! Gut, dass ich dich hereingelassen habe! Nun komm zu deinem Bett!"

Im Dunklen tasteten wir uns die Treppe hinauf, und er blieb vor einer Tür stehen, die er aufschloss. Ich wollte ein Licht haben, um etwas zu sehen, aber er lehnte mit dem Hinweis ab, dass der Mond hell genug scheint.

"Kein Mond und keine Sterne, Sir! Dunkel wie das Grab!", sagte ich. "Ich kann das Bett nicht sehen."

"Larifari! Larifari!", erwiderte er. "Lichter in einem Haus, das liebe ich nicht. Ich fürchte mich vor Feuer! Gute Nacht wünsche ich, Davie, mein Junge." Er zog die Tür hinter sich zu und schloss sie ab.

Ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. Der Raum war kalt wie ein Eiskeller, und das Bett, das ich schließlich fand, feucht wie Moosboden.

Mit dem ersten Morgengrauen schlug ich die Augen auf und konnte meine Umgebung betrachten. Ich befand mich in einem großen Zimmer, das mit gepresstem Leder tapeziert und mit schönen Gobelinmöbeln ausgestattet war. Durch drei ziemlich große Fenster fiel Licht herein. Vor zehn oder zwanzig Jahren war es sicher ein gemütlicher Raum gewesen, aber seitdem hatten Feuchtigkeit, Schmutz, Nichtgebrauch sowie Mäuse und Spinnen viel Unheil angerichtet. Außerdem waren einige Fensterscheiben zerbrochen.

Inzwischen war draußen die Sonne aufgegangen, und da es in dem Zimmer sehr kalt war, klopfte ich an die Tür und rief laut, bis mein Gefängniswärter kam und mich heraus ließ. Er brachte mich auf die Rückseite des Hauses zu einem Ziehbrunnen, wo ich mir mein Gesicht waschen sollte. Ich ging zurück zur Küche, wo er ein Feuer angezündet hatte und Hafergrütze machte. Auf dem Tisch standen zwei Näpfe für die Grütze, zwei Hornlöffel und ein Becher mit Dünnbier. Er fragte mich, ob ich auch ein Bier möchte, und als ich das bejahte, zapfte er zu meiner Überraschung nicht noch ein Bier, sondern goss genau die Hälfte des einen Bechers in einen zweiten.

Nach dem Frühstück rauchte er in der Sonne am Fenster eine Pfeife. Von Zeit zu Zeit warf er mir einen scheuen Blick zu. Ich kam auf den Gedanken, dass er vielleicht so furchtsam war, weil er kaum Umgang mit Menschen hatte. Er stellte mir einige Fragen, zum Beispiel auch nach meiner Mutter. Ich berichtete, dass auch sie nicht mehr am Leben sei, worauf er bemerkte: "Ja, sie war ein hübsches Mädchen." Er ließ sich auch von meinen Freunden berichten, aber ich sagte ihm nicht, dass sich in Wahrheit nur der Pfarrer um mich gekümmert hatte.

Schließlich sagte er: "Davie, mein Junge, du bist vor die rechte Tür geraten, als du zu deinem Oheim Ebenezer kamst. Ich werde meine Pflicht tun. Ich denke darüber nach, was der beste Beruf für dich wäre - Anwalt, Pfarrer, vielleicht auch Offizier. Aber sage zu niemandem ein Wort von Briefen und Botschaften! Hüte streng deine Zunge! Sonst - dort hat der Maurer das Loch gelassen."

"Ohm Ebenezer", sagte ich, "ich habe keinen Grund anzunehmen, dass ihr etwas anderes als mein Bestes wollt. Trotzdem sollt Ihr wissen, dass ich auch meinen Stolz habe. Es war nicht mein eigener Wille, dass ich Euch aufsuchte, und wenn Ihr mir noch einmal Eure Türe zeigt, werde ich Euch beim Wort nehmen."

Er schien aus der Fassung zu sein und meinte, dass er mein Zukunftsglück nicht aus dem Grütznapf hervorzaubern kann. Ich solle ihm ein oder zwei Tage geben, damit er seine Pflicht tun kam, aber ich solle mit niemandem eine Silbe sprechen.

"Gut", sagte ich, "wenn Ihr mir helfen wollt, so werde ich mich freuen und Euch dankbar sein."

Ich meinte, dass ich ihm nun sagen könnte, dass er mein Bett und das Bettzeug in der Sonne lüften müsse, aber darauf entgegnete er in schneidendem Ton: "Ist das mein Haus oder deines?" Dann aber meinte er: "Nein, das wollte ich nicht sagen. Was mein ist, ist auch dein, mein Junge. Blut ist dicker als Wasser, und es gibt niemanden mit unserem Namen außer dir und mir." Nun redete er lang und breit über die Familie, über ihre frühere Größe und Bedeutung, über seinen Vater, der angefangen hatte, das Haus zu vergrößern, und über sich selbst, der das Bauen unterbrochen hatte, weil es sündhafte Verschwendung sei.

Da kam ich auf den Gedanken, ihm die Botschaft der Jennet Clouston auszurichten.

"Die alte Vettel!", rief er. "Ich habe die Schlange auspfänden lassen. Ich werde sie rösten lassen auf glühendem Torf, sonst gibt sie niemals Ruhe! Sie ist eine erklärte Hexe! Ich gehe sofort zum Gerichtsschreiber!"

Mit diesen Worten öffnete er eine Truhe, nahm einen alten, aber sehr gut erhaltenen blauen Rock, eine Weste und einen Hut heraus. Eilig zog er die Sachen an, nahm einen Stock aus dem Schrank und wollte schon gehen, als ihm einfiel, dass er mich nicht allein im Haus lassen könne. Als ich protestierte, dachte er zitternd darüber nach und kam zu dem Schluss, dass er auch nicht gehen werde.

"Ohm Ebenezer", sagte ich darauf, "ich kann das alles nicht begreifen. Ihr behandelt mich wie einen Dieb. Meine Gegenwart ist Euch verhasst. Ihr lasst mich das mit jedem Wort und in jedem Augenblick merken. Unmöglich, dass Ihr mich gern habt. Warum also wollt Ihr mich hier festhalten? Lasst mich fort, zurück zu meinen Freunden!"

"Nein, nein, nein!", erwiderte er sehr ernst. "Ich habe dich sehr gern. Wir werden gut miteinander auskommen. Um der Ehre des Hauses Willen darfst du nicht wieder dahin zurück, woher du gekommen bist. Warte in Ruhe hier, und du wirst sehen, dass wir uns verstehen."

Schweigend überlegte ich eine Weile. "Gut, Sir", entgegnete ich dann, "ich will noch etwas bleiben. Sollten wir uns doch schlecht verstehen, so will ich mein Bestes tun, damit ich nicht daran schuld bin."