Phillis Wheatley

Das Mädchen Phillis Wheatley war die erste Afroamerikanerin, die jemals ein Gedichtbuch veröffentlichte.  Stell dir vor, sie war eine schwarze Sklavin.

Keziah, ein Mädchen in Afrika
Phillis Wheatley wurde um das Jahr 1753 an der Westküste Afrikas in einem Dorf im heutigen Senegeal geboren. Damals hieß sie jedoch nicht Phillis, sondern Keziah. Wahrscheinlich wuchs Keziah nicht anders als ihre Geschwister und die anderen Kinder im Dorf auf - sie spielte und half ihrer Familie beim Kochen und der Landarbeit.

Doch schon lange stand das Leben der Menschen in Afrika unter keinem guten Stern. Seit Jahrhunderten wurden in Afrika Menschen verschleppt und ihrer Freiheit beraubt. Alledings war die afrikanische Form der Sklaverei weit weniger grausam als die Skaverei der Europäer. Sie ähnelte mehr der Leibeigenschaft, wie sie noch im Mittelalter unter der Landbevölkerung in ganz Europa üblich war. Zu der Bedrohung durch den Menschenhandel der Afrikaner kam die Gefahr, Opfer der weißen Sklavenhändlern zu werden. Während ihrer Entdeckungsreisen entlang der afrikanischen Küste hatten portugiesische Seefahrer zahlreiche Stützpunkte für ihre Expeditionen zu den Gewürzinseln angelegt, die zugleich als Ausgangspunkt für den Handel mit afrikanischem Gold dienen sollten. Schon bald stellte sich heraus, dass mit Sklaven viel mehr Geld zu verdienen war. Seit Mitte des 15. Jahrhunderts zogen Sklavenhändler von ihren Stützpunkten aus durch das Land und nahmen Frauen, Männer und Kinder gefangen, die sie nach Elmina, einer Hafenstadt an der afrikanischen Goldküste, dem heutigen Ghana, brachten. Hier wurden die Gefangenen auf Schiffe verladen, die in Richtung Amerika segelten. Erste Station der Schiffe waren die Karibischen Inseln, wo unzählige Sklaven auf Plantagen arbeiteten, doch auch in Nord- und Südamerika brauchte man immer mehr Arbeitskräfte. Vielleicht hat auch Keziah beobachtet, wie Leute aus ihrem Dorf oder sogar Mitglieder ihrer Familie von den weißen Männern gefangen genommen wurden, und sie fürchtete sich davor, selbst einmal in die Hände der Fremden zu geraten. Zu Recht, wie sich herausstellte, denn eines Tages im Jahr 1761 wurde Keziah ein Opfer der weißen Sklavenhändler.

Keziah kommt nach Amerika
Keziah war noch ein Kind, etwa sieben oder acht Jahre alt, und war daher zu klein, um auf den Plantagen zu arbeiten. Sie hatte also Glück im Unglück, als sie nach Boston, die Hauptstadt von Massachusetts, gebracht und dort von John Wheatley, einem angesehenen Textilfabrikanten, als Hausmädchen für seine Frau Susannah gekauft wurde. Die Wheatleys betrachteten das schwarze Mädchen als eine Art Familienmitglied und nannten sie nach dem Schiff, mit dem sie gekommen war, Phillis. Phillis wuchs mit den beiden Wheatley-Kindern auf und wurde mit ihnen von der Herrin des Hauses unterrichtet. Das war ganz und gar ungewöhnlich, denn damals legte man kaum Wert auf eine formale Erziehung für Mädchen, und noch weniger dachte man daran, Sklavenmädchen zu unterrichten. Doch schon bald zeigte sich, dass Phillis außergewöhnlich begabt war: „In nur sechzehn Monaten seit ihrer Ankunft“, schrieb John Wheatley im Vorwort ihres ersten Gedichtbandes, „ lernte sie die englische Sprache so gut, dass jede, noch so schwierige Passage aus der Heiligen Schrift laut vorlesen konnte.“ Dabei verstand sie, als sie nach Boston kam, kein Wort Englisch und konnte weder lesen noch schreiben. Um das Jahr 1765 hatte Phillis begonnen Latein zu lernen und machte gute Fortschritte. Man nimmt an, dass der Sohn der Wheatleys, Nathaniel, sie darin unterrichtete. Später beschäftigte sie sich mit weiteren Wissensgebieten wie z.B. Astronomie, Geographie, Geschichte und der englischen Literatur.

Phillis veröffentlicht ihre Gedichte
Mit etwa 13 Jahren, im Jahr 1767, veröffentlichte Phillis ihr erstes Gedicht. Bereits wenige Jahre später wurde sie über Boston hinaus durch ein weiteres Gedicht bekannt, ihren Nachruf auf einen Geistlichen mit dem Titel „On the Death of the Reverend Mr. George Whitefield, 1770“, der in den Nordstaaten und England weit verbreitet wurde. Die Wheatleys versuchten, einen Verleger für weitere Gedichte, die Phillis geschrieben hatte, zu finden. Phillis wurde von ihrer Herrin in die Bostoner Gesellschaft eingeführt und trug dort ihre Gedichte vor. Nach einiger Zeit mussten die Wheatleys einsehen, dass es keine Möglichkeit gab, die Gedichte in Boston herauszubringen. Niemand wollte sich ernsthaft mit Werken eines Sklavenmädchens befassen. Da traf es sich gut, dass George Whitefield ein enger Freund der Gräfin Selina von Huntington war. Sie lud Phillis mit Nathaniel, dem Sohn der Wheatleys, nach London ein und half ihr bei der Veröffentlichung ihrer Gedichte, die im Jahr 1773 unter dem Titel Poems on Various Subjects, Religious and Moral in London herauskamen. Damit war Phillis die erste Sklavin und Afro-Amerikanerin, die ein Gedichtbuch veröffentlichte und von der Kritik ernst genommen wurde. In ihrer Lyrik lehnt sich Phillis eng an Vorbilder wie z.B. den englischen Dichter Milton an und greift auf bekannte Bilder und Vergleiche aus der antiken Mythologie und der christlichen Religion zurück. Damit traf sie den Nerv der Zeit, denn seit 1740 hatte eine neue christliche Bewegung, die unmittelbaren Trost und Hilfe von Gott versprach, immer mehr Anhänger gefunden. Nur an wenigen Stellen deutet Phillis ihre persönlichen Erfahrungen als Schwarze und als Sklavin an, und wenn, dann nur sehr vorsichtig. Kein Wunder also, dass das schwarze „Wunderkind“ Phillis in der Londoner Gesellschaft gefeiert wurde und Einladungen bedeutender Persönlichkeiten erhielt.

Phillis wird frei
Susannah Wheatley, ihre Herrin, war inzwischen schwer krank und wollte von Phillis, ihrem Mädchen, gepflegt werden. Da kehrte Phillis im September 1773 nach Boston zurück. Schon kurz nach ihrer Rückkehr wurde ihr klar, dass sich die politischen Verhältnisse in den Nordstaaten und speziell in Boston zugespitzt hatten. Bereits seit 1760 wuchs der Widerstand der Siedler in Amerika gegenüber der englischen Kolonialverwaltung. Während die Siedler versuchten, sich von der englischen Herrschaft zu befreien, kämpften die Schwarzen für ihre persönliche Freiheit - den Boden für den Freiheitsdrang und die Hoffung auf eine schnelle Besserung der Verhältnisse hatte das neue religöse Bewusstsein, das auch Phillis in ihrem Werk reflektierte, gelegt. Schließlich wurde auch immer mehr Weißen klar, dass ihr Kampf für ihre politische Unabhängigkeit zwiespältig war, solange sie selbst ihren Sklaven die Freiheit nicht zugestehen wollten. Dass Weiße und Schwarze einander ebenbürtig sind, hatten Persönlichkeiten wie Phillis Wheatley bewiesen, und immer mehr Schwarze forderten in Petitionen ein Ende der Sklaverei. Schließlich wurde Phillis im Oktober 1773 von John Wheatley aus der Skaverei entlassen, nachdem Kritiker ihres Gedichtbandes ihren Rechtsstatus als Sklavin angeprangert hatten. Phillis blieb im Haushalt der Wheatleys, wo sie sich auch weiterhin um die kranke Susannah und den alternden John Wheatey kümmerte.

Phillis heiratet und stirbt wenige Jahre später
1778 heiratete Phillis John Peters, einen befreiten Schwarzen aus Boston, der verschiedenen Berufen nachging und unter anderem als Anwalt und als Lebensmittelhändler arbeitete. Während des Unabhängigkeitskriegs, der besonders in Boston wütete, war es für die freigelassenen Schwarzen sehr schwierig, Arbeit zu finden. So kam es, dass Phillis, die in dem wohlhabenden Haus der Wheatleys groß geworden war, plötzlich mittellos war. Phillis bekam zwei Kinder, die beide bald starben. John Peters hatte immer mehr Mühe, sich wirtschaftlich über Wasser zu halten, er wurde straffällig und kam ins Gefängnis. In dieser schwierigen Zeit schrieb Phillis an einem zweiten Gedichtband, den sie Sir Benjamin Franklin widmete. Doch auch für diesen Band fand sie in Boston keinen Verleger. Im Jahr 1784, ihrem Todesjahr, konnte sie sie unter dem Namen Phillis Peters mehrere Gedichte veröffentlichen. Phillis Wheatley starb im Alter von nur etwa 31 Jahren am 5. Dezember 1784 an den Folgen einer Geburt. Das Kind überlebte nur wenige Stunden und wurde zusammen mit seiner Mutter beerdigt.