Tristan und Isolde

  • Autor: Autor Unbekannt

Vor vielen Jahrhunderten, als es noch wahre Helden gab, da regierte in England und im Königreich Cornwell König Marke, ein gutmütiger Mann, der von seinem Volk sehr geliebt wurde. Um sich herum hatte er immer eine Schar tapferer Ritter und Damen des Adels versammelt.

Unter ihnen befand sich ein junger Mann namens Tristan, der ein schweres Schicksal hinter sich hatte. Sein Vater, König Riwalin von Parmenie, war noch vor seiner Geburt von König Morgan von Bretagne erschlagen worden. Seine Mutter, Königin Blancheflur, war vor lauter Gram darüber sofort nach Tristans Geburt gestorben. Deshalb hatte er auch diesen traurigen Namen erhalten, denn schon bei seiner Geburt standen die Sterne nicht gut.

Nach dem Tod der Mutter nahm sich Marschall Ruan, ein treuer Diener und Weggefährte von König Riwalin, des Jungen an. Und als der ins Mannesalter kam, übergab Ruan den Jüngling an König Marke, den Bruder von Tristans Mutter. Der sollte einen jungen Edelmann aus dem ihm machen.

In den folgenden Wochen und Monaten schlug sich Tristan wirklich wacker am Hofe seines Onkels. In allem, was ein junger Ritter zur damaligen Zeit zu lernen hatte, waren seine Leistungen unübertrefflich. Und schon bald erhielt er den Ritterschlag und der Name Tristan war in aller Munde.

Doch Tristan grämte sich, denn es lag ihm viel daran, den Tod seines Vaters zu rächen. Und so verabschiedete er sich bald von seinem Onkel Marke und zog in die Bretagne, wo es zu einem bitteren Kampf zwischen ihm und dem Mörder seines Vaters, König Morgan kam. Morgan starb und Tristan erhielt nun alle Ländereien seines Vaters zurück. Da er sich selbst noch viel zu jung für das Amt des Königs fühlte, übergab er Ruan, seinem treuen Freund aus Kindertagen, das Land zur Verwaltung. Tristan selbst kehrte an den Hof seines Onkels zurück.

Doch dort fand er nichts mehr in der alten Ordnung vor. Denn in der Zeit, in der Tristan den Tod seines Vaters gerächt hatte, war Morolt, der Schwager des Königs von Irland, nach Cornwell an den Hof von König Marke gekommen, um eine alte Schuld bei diesem einzufordern. 30 schöne Knaben sollte Marke ihm dafür zunächst als Pfand überlassen.

Tristan war damit ganz und gar nicht einverstanden und so schlug er vor, den Zwist in einem Zweikampf zu entscheiden. Er selbst wollte sich dabei Morolt als Gegner anbieten. Der erfahrene Kämpfer stimmte dem sofort zu, denn natürlich ging er davon aus, auf jeden Fall den Sieg über Tristan zu erringen.

Manchmal aber kommt es im Leben ganz anders, als man zunächst denkt. Denn der Unterlegene in diesem Zweikampf war Morolt. Mit seiner letzten Kraft aber hatte er auch Tristan eine tiefe Wunde zugefügt. „Mein Schwert ist vergiftet“, sagte Morolt noch im Sterben. „Einzig meine Schwester Isolde, die Frau des Königs von Irland, kann dir jetzt noch helfen.“ Dann schloss Morolt seine Augen für immer.

Den toten Morolt brachte man schließlich nach Irland, wo die ganze Bevölkerung in tiefe Trauer versank. Als man seinen Leichnam für die Beerdigung herrichtete, fand man in einer seiner Wunden ein Stück von Tristans Schwert. Dieses nahm die Tochter der Königin an sich, ein junges hübsches Mädchen, das ebenfalls den Namen Isolde trug.

Währenddessen ging es Tristan auf der Burg seines Onkels von Tag zu Tag schlechter. Ja, Morolt und sein vergiftetes Schwert hatten ganze Arbeit geleistet. Kein Arzt konnte Tristan helfen. Und so entschloss sich der junge Mann zu einer Reise nach Irland, zur Schwester des Mannes, den er getötet hatte.

Natürlich konnte er dort nicht als Tristan auftauchen, denn dann hätten ja alle gewusst, dass er Morolts Mörder war. So trat Tristan in Irland als Spielmann an und wurde bei Hofe empfangen. Königin Isolde fand bald großen Gefallen an seinem musikalischen Spiel und bot ihm auch ihre Hilfe bei der Heilung der großen Wunde an. Es dauerte nicht lange, da war Tristan wieder ganz hergestellt.

Vor lauter Dankbarkeit spielte Tristan nun so schön und sang dazu, dass Mutter und Tochter ganz begeistert waren. Nein, so herrliche Töne hatten sie in ihrem ganzen Leben noch nicht gehört. Die junge Isolde nutzte nun die kommende Zeit, um sich von solch einem herausragenden Musiker im Gesang und Saitenspiel unterrichten zu lassen. Doch der war nicht immer mit all seinen Gedanken bei der Sache. Immerhin musste Tristan ja fürchten, dass ihn einer von Morolts Männer wiedererkennen könnte. Nein, diesem Risiko wollte und konnte Tristan sich nicht länger stellen. Und so reiste er eines Tages unter dem Vorwand aus Irland ab, er müsse nach Hause zu seiner Frau zurück.

König Marke freue sich natürlich sehr, dass er nach so langer Zeit seinen Neffen wieder an seine Brust drücken konnte. Er überhäufte ihn mit allerlei ritterlichen Ehren, was bei den anderen Edelleuten im Land nicht besonders gut ankam. Sie wurden neidisch, denn sie sahen sich schon bald als Thronfolger ausgegrenzt.

König Marke nämlich war zwar in bestem Mannesalter, aber noch immer nicht verheiratet. Und so hatte er auch noch keinen legitimen Nachfolger, der ihm auf den Thron hätte folgen können. Aus diesem Grund machten sich natürlich die Adeligen seines Landes durchaus berechtigte Hoffnungen auf den Titel. Da kam ihnen einer wie Tristan gar nicht recht!

Tristan erkannte bald, dass die anderen Ritter Neid gegen ihn hegten, und so schlug er seinem Onkel vor, doch zu heiraten. Und natürlich konnte er Marke auch schon eine geeignete Kandidatin empfehlen: Isolde, die Tochter des Königs von Irland.

König Marke überlegte eine ganze Weile. Er wusste nur zu genau, dass die Brautwerbung seines Neffen in Irland durchaus eine gefährliche Sache war. Was, wenn sie ihn dort als Morolts Mörder erkennen würden? Doch schließlich willigte er ein, und Tristan machte sich, dieses Mal als Kaufmann verkleidet, auf zum Hof nach Irland.

Sicherlich weiß jeder, dass es zu dieser Zeit auch noch Drachen auf der Erde gab. Ein solches Untier, ein ganz besonders großer Drache und sehr gefährlich, bedrohte schon seit langer Zeit Irland. Kein Ritter hatte ihn bislang töten können, so sehr sie es auch versucht hatten. Deshalb hatte der König eine Botschaft verbreiten lassen, dass derjenige, der den Drachen erschlagen würde, die Hand seiner Tochter Isolde bekäme.

Auch Tristan hatte von diesem Angebot auf seiner Reise gehört und achte sich gleich auf die Suche nach dem Getier. Und tatsächlich! Tristan gelang, was niemand zuvor geschafft hatte: Er erschlug den Drachen in einem dramatischen Kampf, der all seine Kräfte kostete.

Als das Tier so tot vor dem jungen Edelmann lag, schnitt er ihm zum Beweis die Zunge aus dem Maul und verbarg sie in seiner Jacke. Bevor er aber weiterreisen konnte, musste sich Tristan nun erst einmal ausruhen. Der Kampf mit dem Biest hatte ihn wahrlich sehr ermüdet. Was Tristan nicht wusste, war, dass die Zunge des Drachen über magische Kräfte verfügte, die ihn für eine Zeit außer Gefecht setzen. Und so schlief Tristan Stunde um Stunde in seinem Versteck.

Unterdessen hatte sich ein Ritter am Hofe des Königs von Irland ebenfalls auf den Weg gemacht, um den Drachen zu erschlagen. Natürlich wusste er von dem Angebot des Königs, Isolde zur Frau zu bekommen, wenn er das Tier töten würde. Und er liebte Isolde tatsächlich schon eine ganze Weile aus der Ferne.

Als dieser Ritter nun in die Nähe der Höhle des Drachen kam, sah er, dass er das Tier bereits erschlagen worden war! Der Ritter wurde fürchterlich wütend, ersann aber einen bösen Plan. Weil er weit und breit nichts von dem Helden sah, der den Drachen erschlagen hatte, hieb der Ritter dem toten Tier nun selbst das Schwert in den Leib, zerwühlte seine Kleidung und ritt an den Hof des Königs zurück. Dort teilte er allen überschwenglich mit, dass er den Drache getötet habe und forderte nun natürlich auch die Hand der Königstochter.

Die junge Isolde aber mochte diesen Ritter ganz und gar nicht. Wie sehr hatte sie doch darauf gehofft, dass ein anderer kommen möge, um sie als Frau zu bekommen! Dieser Ritter, der angeblich den Drachen getötet haben wollte, galt nämlich im ganzen Reich als Schwätzer und Aufschneider. Gerade den wollte sie nun wirklich nicht zum Mann nehmen!

Und so ritt sie an nächsten Morgen mit ihrer Mutter, ihrer Cousine Brangäne und einem Knappen in den Wald, um nach dem wahren Bezwinger des Drachen suchen. Es dauerte gar nicht lange, da entdeckten die Frauen Tristan in seinem Versteck. Die Königin sah sogleich, dass er unter der Wirkung eines Zaubers stand und nahm Tristan die Drachenzunge ab. Sogleich erwachte der junge Mann aus seinem tiefen Schlaf und sah erstaunt um sich.

Natürlich erkannt er die schöne Isolde und ihre Mutter sogleich, und auch die beiden Frauen sahen, dass sie den Spielmann vor sich hatten. Gemeinsam ritt man zur Burg des Königs.

Dort wartete der irische Ritter noch immer auf das Ja-Wort der Prinzessin. Es wurde ihm verweigert, aber man bot dem Ritter an, sich in drei Tagen mit dem tatsächlichen Bezwinger des Drachen im Kampf messen zu können.

Unterdessen sorgten sich Isolde und ihre Mutter rührend um den noch immer müden Tristan. Als die junge Isolde eines Tages zu ihm kam, fand sie Tristan schlafend vor. Sie nahm das Schwert ihres Helden in die Hände. Doch was sie da sah, erschreckte sie über alle Maßen. Die Spitze war abgebrochen!

Und da fiel es ihr ein: Hatte man nicht aus dem Leichnam ihres Onkels Morolt die Schwertspitze seines Mörders aus Cornwell geborgen? Dass Tristan nämlich aus diesem Königreich stammte, hatte er Isolde bereits gestanden. Isolde eilte in ihr Zimmer, um die Schwertspitze zu holen. Sie passte tatsächlich an das Schwert des jungen Tristan. Sie war zu Tode erschrocken.

Als ihre Mutter kurze Zeit später das Zimmer Tristans betrat, um nach ihm zu sehen, da rief die Junge Isolde: „Mutter, liebe Mutter. Er hier ist der Mörder deines Bruder Morolt!“ Gleichzeitig stürzte sich die Prinzessin auf den noch immer Schlafenden, um ihn zu töten. Doch ihre Mutter hielt sie davon ab. Immerhin stand sie im Wort, hatte sie doch Tristan Unbescholtenheit für Leib und Seele in ihrem Königreich zugesagt.

Die junge Isolde brach in Tränen aus und ließ sogleich das Schwert, mit dem sie Tristan erschlagen wollte, sinken. Ihre Mutter redete auf sie ein: „Wenn du Tristan tötest, muss du auf jeden Fall den irischen Ritter heiraten, der überall erzählt, er habe den Drachen getötet! Willst du das?“ Natürlich wollte die Tochter das nicht, und so ließen sich die beiden Frauen nichts von dem Geschehenen anmerken, als Tristan endlich erwachte.

Freundlich blickte er von Mutter zu Tochter und erzählte, warum er eigentlich nach Irland gekommen sei: Um nämlich im Namen von König Marke um die Hand der Prinzessin anzuhalten. Die bat sich Bedenkzeit aus, nahm aber dann auf Anraten ihrer Mutter den Heiratsantrag an. Und schließlich gab sogar der irische König sein Einverständnis zur Hochzeit.

Der Ritter aber, der verkündet hatte, dass er den gefährlich Drachen getötet habe, machte sich noch vor dem Zweikampf mit Tristan vor lauter Angst aus dem Staub.

Isolde verabschiedete sich schließlich von ihrer Mutter und bestieg gemeinsam mit Tristan und ihrer Cousine Brangäne das Schiff, das sie zu ihrem Bräutigam nach Cornwell bringen sollte. Ihre Mutter hatte Brangäne noch einen Liebestrunk mit auf den Weg gegeben, den diese Isolde und ihrem Gemahl Marke nach der Trauung geben sollte. Niemand anders, so sagte sie ihr, dürfe allerdings davon trinken.

Nun dauerte die Überfahrt mit dem Schiff nach England damals schon noch längere Zeit. Und eines Tages geschah es, dass Tristan und Isolde alleine waren und Tristan Durst verspürte. Da nahm er ein Gefäß zur Hand, von dem er dachte, es sei mit Wein befüllt, und reichte es erst Isolde, trank dann aber selbst natürlich auch davon. Aber das Gefäß beinhaltete keinen Wein, sondern den Liebestrank der Königin von Irland, Isoldes Mutter!

Kaum hatten die beiden das Gefäß geleert, als Brangäne den Raum betrat. Als sie sah, was geschehen war, brach sie in Schluchzenaus und berichtete Tristan und Isolde von dem Liebeszauber. Doch da war es längst zu spät, denn Tristan war bereits in heftigster Liebe zur Prinzessin entbrannt – und sie hatte sich natürlich auch in ihn verliebt.

So sehr sich die beiden auch dagegen wehrten, es half nichts. Ihre Liebe zueinander war größer als alles andere. Und so brach Isolde ihrem Ehemann noch vor der Vermählung die Treue.

Die Hochzeit zwischen dem König von Cornwell und England und der irischen Prinzessin wurde groß gefeiert. König Marke war sehr stolz drauf, eine so schöne Frau an seiner Seite zu haben. Doch Isolde und Tristan liebten sich noch immer. Jede Gelegenheit, die sich ihnen für ein heimliches Treffen bot, nutzten sie aus. Sie konnten sich gegen ihre Gefühle einfach nichts machen. Brangäne unterstützte die Liebenden und deckte sie, denn sie fühlte sich ja eine tiefe Mitschuld an diesem Treiben.

Doch König Marke spürte schon bald, dass etwas in seinem Hause nicht stimmte, und so bat er einen seiner Vertrauten um Rat. Gemeinsam mit Marjodo wollte er seiner Frau eine Falle stellen. Die junge Königin aber wurde von ihrer Cousine Brangäne gewarnt. Und als der König ihr dann erzählte, er würde für längere Zeit auf Pilgerfahrt gehen und ihr seinen Neffen Tristan zur Seite stellen, da brach sie in Tränen aus und tat so, als könne sie Tristan gar nicht leiden und sei über den Fortgang ihres Mannes zutiefst traurig. Marke kaufe seiner Frau das Schauspiel sofort ab, doch Marjodo blieb skeptisch und beobachtete die Frau weiterhin mit offenen Augen.

Bei nächster Gelegenheit lief er wieder zu seinem König, um ihn über die Untreue seiner Frau zu unterrichten. König Marke ließ sich überreden und schickte nun Tristan auf Reisen. Die Trennung schmerzte die Liebenden sehr und ihre Sehnsucht war groß. Da erdachte sich Brangäne eine List, um den König und seinen Helfershelfer hinters Licht zu führen und um den Liebenden wenige Stunden der Zweisamkeit zu gönnen.

In dem Garten des Schlosses nämlich, in dem Marke und Isolde lebten, war einst ein Turm über einen Bach gebaut worden, der nun zu Isoldes Fluchtpunkt wurde. Immer öfter zog sie sich hierhin zurück, um nachzudenken. So beauftragte Brangäne Tristan nun, Isolde kleine Botschaften zukommen zu lassen. Ein Stück Rinde eines Baumes über dieses Bächlein geschickt, würde seiner Geliebten den Weg zum geheimen Treffpunkt weisen.

Und so geschah es auch. Bald konnten sich Tristan und Isolde wieder in die Arme schließen. Aber Marjodo war nicht dumm. Er ließ sich einfach nicht abschütteln. Und zudem hatte er den Zwerg Merlot an seiner Seite, der so klein wie ein Eichhörnchen war und das junge Paar ungestört beobachten. Über das, was er gesehen hatte, erstattete er Marjodo natürlich sofort Bericht.

Nun war der Betrug der Königin offenkundig! Sie konnte es nicht mehr leugnen, denn Merlot hatte sie und Tristan tatsächlich erwischt. Das ganze Volk war in Aufruhr und die Adeligen des Landes verlangten, dass die Königin vor ein Gottesgericht gestellt würde. Denn auch in dieser ausweglos scheinenden Situation leugnete die junge Königin noch immer ihr Verhältnis zu Tristan.

Es geschah, was geschehen musste: Isolde wurde vor Gericht gezerrt und sollte ihre Unschuld beschwören. „Hast du je in den Armen eines anderen Mannes gelegen als in denen deines Ehemannes?“, wollte der oberste Richter von ihr wissen.

Nun war es so, dass das Gericht auf einer kleinen Insel abgehalten wurde, zu der man nur mit einem Boot gelangte. Als Isolde an jenem Tag aber den Fuß ans Ufer setzen wollte, kam ihr ein Pilger zu Hilfe, dessen Antlitz von seiner Kutte ganz bedeckt war, so dass sie sein Gesicht nicht erkennen konnte. Der nahm Isolde auf den Arm und brachte sie trockenen Fußes an Land. Dann verschwand er.

Nachdem nun der oberste Richter seine alles entscheidende Frage gestellt hatte, antwortete Isolde nach kurzer Überlegung: „Nein, ich habe nie in den Armen eines anderen Mannes gelegen als in denen meines Gatten und in denen des Pilgers, der mir vom Boot ans Ufer geholfen hat.“

Daraufhin befahl man der jungen Frau, ihre Hand auf ein glühendes Eisen zu legen. So sollte ihre Schuld oder ihre Unschuld bewiesen werden. Und man mag es für ein Wunder halten, aber es passierte - nichts. Isolde hatte das Gottesgericht bestanden. Ihre Unschuld war bewiesen und König Marke nahm seine Frau mit Freude wieder bei sich auf.

Tristan war darüber sehr traurig und verzehrte sich nach seiner geliebten Isolde. Da kam es, dass er eines Tages die Schwester des Ritters Kaedin traf, eine junge Frau, die ebenfalls Isolde hieß und den schönen Beinamen „mit den weißen Händen“ trug. Um sich zu trösten, nahm Tristan dieses junge Mädchen zur Frau. Aber er liebte sie nicht, sondern musste immer wieder an seine Isolde, die Frau seines Onkels Marke denken.

Deshalb machte es ihm auch nicht viel aus, dass er nun immer wieder seinen Schwager Kaedin auf seinen Streifzügen begleiten musste. Aber Kaedin war ein richtiger Weiberheld, kein Rock war vor ihm sicher. Und als Kaedin eines Tages Obacht auf die Burg eines befreundeten Ritters geben sollte, aber nichts besseres zu tun hatte, als der Burgherrin den Hof zu machen, da forderte ihn dieser Ritter nach seiner Rückkehr zum Kampfe. Kaedin starb und Tristan rächte den Tod seines Schwagers sofort, wurde bei der Auseinandersetzung aber schwer verwundet.

Seine Frau, Isolde mit den weißen Händen, pflegte ihren Liebsten rührend. Doch er wollte und wollte einfach nicht gesund werden. Aber es kam noch viel schlimmer: Nun musste die junge Ehefrau nämlich bald erkennen, dass die wahre Liebe ihres Gatten einer anderen Frau gehörte. Jener Isolde, die Königin von Cornwell und England war. Immer wieder rief Tristan ihren Namen.

Und als seine Krankheit weiter und weiter fortschritt, da ließ er die Königin zu sich ans Bett rufen. Seine Frau sollte sich unterdessen ans Fenster setzen und nach einem Schiff mit weißen Segeln Ausschau halten. Doch welche Ehefrau freut sich schon auf die Ankunft der verhassten Rivalin? Und so sagte Isolde mit der Weißhand ihrem Manne, als sie die weißen Segel eines Tages tatsächlich erblickte, sie seien schwarz!

Im selben Augenblick starb Tristan. Und da erkannte seine Frau erst, was sie ihm angetan hatte. Doch es half kein Wehklagen mehr, Tristan war tot.

Natürlich erfuhr auch die andere Isolde vom Tod des Geliebten. Und als sie dem Leichnam zum Abschied einen letzen Kuss gab, da brach sie an seinem Totenbett zusammen und schloss für immer die Augen.

Die Körper des Liebespaares, dass durch einen wundersamen Zauber miteinander auch über den Tod hinaus verbunden war, wurden einbalsamiert und auf einem Schiff zu König Marke gebracht. Als der nun die ganze Wahrheit über den Liebestrank aus dem Munde von Brangäne erfuhr, war er mehr als gerührt. „Hätte Tristan doch nur ein Wort gesagt, dann hätte ich ihm Isolde vor unserer Vermählung doch zur Frau gegeben!“

Dann ließ er für die Toten zwei marmorne Särge anfertigen und sie im Schlossgarten begraben. Auf Tristans Grab pflanzte er einen Rosenstock, auf Isoldes eine Weinrebe. Als die Pflanzen wuchsen, neigten sie ihre Äste einander über die Gräber hinweg zu. Und Rose und Rebe verwuchsen zu einer Pflanze.