Wieland der Schmied

  • Autor: Autor Unbekannt

Der Riese Wate, der aus königlichem Geschlecht stammte, lebte vor langer Zeit in Seeland am Ostmeer. Seine Mutter war, so viel weiß man, eine echte Meerjungfrau gewesen. Wate war selbst Vater von drei stattlichen Söhnen, die er Slagfider, Egil und Wieland nannte. Aus Slagfider und Egil hatte der Vater tapfere Krieger werden lassen, Wieland dagegen zu einem tüchtigen Schmied in die Lehre gegeben.

Als dieser die Ausbildung beendet hatte, lebte und arbeitete er noch drei Jahre bei den Zwergen, die ihm manche Kunstfertigkeit beibrachten, danach galt Wieland als einer der besten Schmiede im ganzen Land.

Mit seinen Brüdern zog es Wieland nun in die Einsamkeit. Sie schufen sich ein Heim am Wolfsee, ernährten sich vom Fischfang und der Jagd. Eines Tages sahen sie über dem See drei Schwäne, die zur Landung angesetzt hatten. Als diese drei das Ufer erreicht hatten, entledigten sie sich ihres Federkleides und die drei jungen Männer sahen drei wunderschöne Jungfrauen.

Schnell stand der Entschluss der Männer fest, den drei Walküren, das nämlich waren die Mädchen, das Federkleid zu nehmen, so dass sie sich nicht mehr in ihre tierische Gestalt zurückverwandeln konnten. So mussten die Mädchen in Menschengestalt bei den drei Männern leben, die sie bald ehelichten.

Sieben Jahre lang lebten die drei Paare in großem Glück. Doch noch immer ahnten die Männer nicht, wir sehr sich ihre Frauen ihre alte Gestalt zurückwünschten. Eines Tages schenkte Herwör, Wielands Weib, ihrem Mann einen kostbaren Ring als Symbol der ewigen Liebe. Wieland schmiedete nach dessen Abbild gleich mehrere weitere Ringe und fädelte sie der Reihe nach auf.

Als Wieland und seine Brüder kurze Zeit später von der Jagd nach Hause kehrten, da waren die drei Frauen spurlos verschwunden. Sie hatten nämlich die versteckten Federhemden gefunden und waren zurück in ihre eigene Welt gekehrt. Slagfider und Egil waren so betrübt, dass sie ihre Sachen packten und in die Welt zogen, Wieland aber blieb am Ort, er vertraute ganz einfach auf die Kraft des Rings.

Irgendwann hörte auch Nidung, der König der Njaren, von Wielands besonderen Fähigkeiten als Schmied und hätte den Mann gerne in seinen Diensten gesehen. So ließ er Wieland einfach in seinem Haus gefangen nehmen, brachte ihn und seinen kostbaren Ring in sein Reich. Wieland bebte vor Zorn. Da sprach Nidungs Frau: „Mann, hüte dich vor Wielands Rache. Es wäre besser, du würdest ihm die Sehnen zerschneiden lassen, damit er dir nicht mehr entfliehen kann!“

Nidung nahm der Rat seiner Frau an und fügte Wieland ungeheures Leid zu. Danach ließ er den Verwundeten auf eine nahe gelegene Insel bringen.

Wielands Wunden heilten nur langsam, doch als er wieder arbeiten konnte, hatte der König zahlreiche Aufgaben für ihn. Tagsüber schuftete Wieland nun für den König am Amboss, in der Nacht aber ging er einem Handwerk nach, das bis zu diesem Zeitpunkt noch kein Mensch ausgeübt hatte: Wieland fertigte ein Federkleid, das ihn befähigte, sich wie ein Vogel in die Luft zu erheben.

Eines Morgens erhielt der Schmied auf seiner Insel unverhofft Besuch. Die beiden Söhne des Königs hatten sich heimlich zu ihm geschlichen, um ihn bei seiner Arbeit zu beobachten. Nun sah Wieland den Zeitpunkt für seine Rache gekommen. Er erschlug die Knaben, verbuddelte die Körper unter der Esse und fertigte aus den Schädeln Trinkschalen für den König, die er in Silber einfasste, so dass die Schädel nicht mehr zu erkennen waren, und machte diese dem König und seiner Gemahlin zum Geschenk.

Bathild, die Tochter des Königs, hatte vom Vater nach der Gefangennahme des Schmieds dessen wundersamen Ring als Gabe erhalten. Nun war er ihr aus Unachtsamkeit zerbrochen und die junge Frau wusste, dass nur einer ihn wieder richten konnte: Wieland selbst. So machte sie sich auf den Weg zur Insel, wo Wieland sie zunächst freundlich aufnahm, dann aber mit einem Zaubertrunk gefügig machte und heimlich mit ihr den Bund der Ehe einging. Damit war seine Rache vollendet.

Während die Königstochter das Haus des Schmiedes weinend verließ, zog Wieland sein Federkleid über und flog auf die Burg Nidungs. Der war natürlich mehr als erstaunt und fragte: „Bist du ein Vogel geworden?“ Langsam dämmerte dem König, wer für das Verschwinden seiner Söhne verantwortlich war. Doch bevor Wieland ihm diese drängelnde Frage beantwortete, ließ er den König schwören: „Bei Schildes Rand und Rosses Bug, bei Schwerts Stärke und Schiffes Bord sollst du mir geloben, dass nicht Wielands Weib noch seinem Kind ein Leid geschehe!“

Nachdem König Nidung den Eid geschworen hatte, erzählte ihm Wieland die ganze ungeschminkte Wahrheit und zeigte dabei auf die silbernen Schalen, die er dem König verehrt hatte. Dabei lachte er so höhnisch, dass sofort klar war, was geschehen war. Als er dann dem verzweifelten Vater noch mitteilte, dass Wieland selbst bald der Vater seines Enkels sein würde, da er und Bathild heimlich verheiratet wären, da brach für Nidung eine Welt zusammen.

Er richtete seine Waffe auf den Schmied, vergessen war der Eid. Doch der Pfeil traf den Schmied nicht, der hatte sich längst in die Lüfte erhoben.

Wielands Sohn wurde geboren und erhielt den Namen Witege. Als er ein junger Mann geworden war, schicke die Mutter ihn zu seinem Vater, wo er freundlich aufgenommen wurde. Wieland unterrichtete seinen Sohn in vielerlei Dingen und schickte ihn schließlich mit einer prächtigen Rüstung, die er selbst geschmiedet hatte, in die Welt hinaus. Später diente Witege dem Dietrich von Bern, dessen Ruhm schon damals das ganze Land erfüllte.